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Franziskus und Klara kämpfen um ihre Armut

Die reiche Kirche tat sich schwer mit der Armut der beiden Heiligen von Assisi. Franziskus und Klara liessen sich jedoch nicht einmal vom Papst davon abhalten, radikal arm zu leben. Franziskus und Dominikus teilen sich ihre, in der Peterskirche ganz vorne zu stehen. Ihre Statuen schliessen die lange Reihe der Heiligen im Altarraum ab. Barfuss stehen sie da in rauen Kutten, die sich kontrastreich von der Marmorpracht der Papstkirche abheben. Während die Dominikaner ihrem Gründer eine Fackel in die Hand gaben, mit der er Dunkel und Irrlehren aus der Kirche vertrieb, zeigt Franziskus die Regel, die der Papst ihm bestätigt hat. Provozierend arm ist seine Lebensweise: ein Ideal, mit dem die reiche Kirche ihre Mühe hatte!

Katholisch geblieben

Dennoch entschieden sich beide Ordensgründer, in einer krisengeschüttelten Kirche katholisch zu bleiben. Weder die kirchliche Verkrustung in Reichtum und Macht, weder Kreuzzüge noch das bedenkliche Leben von Priestern und Prälaten konnten sie bewegen, ihrer „Mutter Kirche“ den Rücken zu kehren. Auch kleine frei-evangelische Kirchen, die sich damals abspalteten, verlockten sie nicht dazu. Beide Brüder haben in ihrer Grosskirche eine Alternative gelebt, und beide haben sich dabei radikal auf das Evangelium berufen: genauer auf das arme, schutzlose und menschennahe Leben Jesu in Galiläa. Nicht Gott in seiner Macht, nicht der thronende Christus, der Weltenherrscher der romanischen Kathedralen, sondern Jesus, der einfach Mensch wurde, stand dadurch gerade den Kleinsten am nächsten, hat sie fasziniert und bewegt.

„Das ist das Leben der Minderbrüder: unseres Herrn Jesu Christi Evangelium leben und seiner Armut nachgehen“ – wie es die Apostel taten, die mit ihrem Meister durchs Land zogen. Wohlbemerkt: Nur Bischöfe nannten damals ihr Leben und ihren Auftrag legitimerweise „apostolisch“ – und gerieten purpurbekleidet und machtbesessen ins Visier der Armutsbewegung. Auch mit Franziskus wird die reiche Kirche sich schwertun: Wie sich ihm Gefährten anschlossen, suchte die römische Kurie die Bettelbrüder von Assisi in eine der alten und kontrollierbaren Lebensformen zu drängen. Der Poverello widerstand dieser Politik. Er wurde weder Einsiedler noch Mönch. Niemand habe ihm zeigen können, wie er leben soll, schreibt er in sein Testament. Gott selbst habe sich ihm zugewandt und sei sein Wegführer geworden.

Der Weg sind die Fussspuren Jesu selbst, der arm geworden ist, um allen „Leben in Fülle“ zu bringen: Auf die sichere Geborgenheit von Klöstern und Abteien verzichtend, sollte Franz in der Folge Italien und Palästina durchwandern, mit leeren Händen (wie Jesus es den Aposteln riet, vgl. Matthäus-Evangelium, Kapitel 10) und gerade deshalb umso offener für jeden Menschen und jede Not.

„Besitz trennt“

„Ist es nicht hart, ein Leben ohne jeden Besitz zu führen?“ fragte der Bischof von Assisi, selbst machtbewusst und weltlichen Genüssen zugetan, den Poverello eines Tages. Die Antwort ist aufschlussreich: Besitz trennt, grenzt ab und entzweit Menschen; wer Friede und Versöhnung schaffen, wer Menschen verbinden will, tut es am besten mit leeren Händen. Tatsächlich ist Franziskus durch seine evangelische Armut zum Bruder vieler Menschen geworden: für die Aussätzigen und Bettler am Stadtrand, für die Bauern und Bürger, bei denen er sein Brot verdiente, ja sogar für die hohen Würdenträger, deren Herz er bewegte. Das Evangelium, als höchste und einzige Regel, stand den Brüdern auch über den kirchlichen Normen und Feindbildern.

Dem Kreuzfahrerheer, das von einem Kardinal geführt in Ägypten „zur Ehre Gottes“ Moslems niedermachte, rief der Poverello erschüttert die Friedfertigkeit Jesu in Erinnerung, der jede Gewalt ablehnte und auch „Ungläubigen“ gegenüber offen war. Da sich das christliche Heer nicht von der Schlacht abhalten liess, begab Franz sich unter Lebensgefahr ins Lager des Sultans. Erneut öffneten ihm leere Hände und sein Grundvertrauen in den guten Kern jedes Menschen Fronten und Herzen. Mit dem Sultan liess sich reden – auch über Gott und den Frieden, und Franz gewann den Araber zum Freund.

Klaras Weg

Dass evangelische Armut das Gegenteil von Weltverachtung meint, zeigt auch Klaras Weg. Ihre römisch approbierte Biographie von 1255 scheut sich nicht, Konflikte anzusprechen, die ihr Kloster San Damiano deshalb mit dem Papst selbst auszutragen hatte. Als Gregor IX. die Schwestern 1228 drängte, Besitz anzunehmen, habe Klara ihm „aufs unerschrockenste widerstanden“. Auch der Stellvertreter Christi dürfe die Schwestern nicht daran hindern, dem armen Christus nachzufolgen. Zwei Jahre später drohte Klaras Gemeinschaft aus Protest gegen eine päpstliche Entscheidung gar mit Hungerstreik.

In Zeilen an Agnes von Prag, die vom gleichen Armutsideal bewegt ebenfalls mit päpstlichem Unverständnis kämpfte, rät Klara 1234: „dass Du niemandem glaubst und niemandem zustimmst, der Dich von der Lebensweise abbringen möchte, zu der der Geist des Herrn Dich gerufen hat… Sollte aber jemand Dir anderes raten oder etwas anderes Dir vorschlagen, so sollst Du ihn zwar ehren, seinem Ratschlag aber nicht folgen, sondern den armen Christus als arme Jungfrau umarmen“.

Den Menschen nahe

Der Verzicht auf Besitz und jede materielle Absicherung gründet in einer mystischen Liebe, die mit dem Herrn auch die Menschen sucht: So schwer sich Klara vorstellen kann, im festen Bau und mit den Ländereien einer reichen Abtei noch „leichtfüssig dem armen Herrn zu folgen“, so unannehmbar erscheint ihr ebenso die päpstlich propagierte Klausur, die jeden Kontakt mit der Aussenwelt nach Möglichkeit unterband.

Radikale Armut verlangte eine existentielle Offenheit der Gemeinschaft, ihre lebendige Verbundenheit mit der Stadt und solidarische Nähe zu den Menschen, gerade zu den Bettlern, den Bäuerinnen, den Armen und Aussätzigen, die vor den Stadtmauern lebten.

„Evangelische Armut“, wie Franziskus und Klara sie wählten, atmet Tiefe und Weite. Ihre Freiheit erwächst aus der tiefen Erfahrung eines Gottes, der sich den Menschen persönlich zuwendet, ihren Weg, ihr „ganzes Gut“ und Leben wird. In seinen Fussspuren wagt Armut alles (nicht nur Über-Flüssiges) für Notleidende einzusetzen und mit leeren Händen auf jeden Menschen zuzugehen. Bewegt von einer geschwisterlichen Vision der Welt, lassen Franz und Klara sich von keiner Mauer halten und finden sich mit keiner Kluft ab, die Menschen trennt. Im Teilen erfahren sie die Kraft, die alles verbindet: tief – im Urgrund des Lebens, und weit – über alle Grenzen sozialer, politischer, nationaler und religiöser Unterschiede. Es ist der Weg einer schwesterlich-brüderlichen Armut, die radikal solidarisch wird.

Niklaus Kuster, Schwyz

 

Niklaus Kuster: Rufin Steimer 1866-1928. Leben und Spiritualität eines sozialen Kapuziners im Schweizer Katholizismus. Peter Lang Verlag 1998. 90 + 514 S., Fr. 89.

 

WLu Unser Autor, der 1962 in Eschenbach SG geborene Kapuziner Niklaus Kuster, veröffentlichte kürzlich ein gewichtiges Werk: Die in Rom verfasste Doktorarbeit über seinen Mitbruder Rufin Steimer, eine zu Unrecht vergessene grosse Persönlichkeit. Er wirkte als unermüdlicher „Sozialapostel“. Steimer war Mitbegründer und erster Präsident von Caritas Schweiz. Ebenso gilt er als Wegbereiter des katholischen Frauenbundes. Er war ein leidenschaftlicher Prediger und Schriftsteller. Kuster zeichnet in seinem fundierten Werk ein Stück neuere Kirchengeschichte nach.

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Armut

ite 1999/2

Arm werden, um solidarisch zu sein
Solidarität in den Zeiten der Globalisierung
Armut in Brüderlichkeit