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Macht alle Kirchentüren auf
Macht alle Kirchentüren auf

Cathrin Quirin, Synodalin der Landeskirche Bern

«Im Berner Oberland gibt es wunderbare Orte für die Regionalversammlung Berner Oberland. Beispielsweise Frutigen, inmitten wunderschöner Natur, mit Blick in die noch schneebedeckten Berge, während rundum die Wiesen mit Blumen und Gräsern bunt blühen. Es fasziniert mich, nach und nach alle unsere so unterschiedlichen Kirchen und Gemeinden im Berner Oberland kennenzulernen.

Ein Amt auch für Frauen

Als Synodalin nehme ich an der Synode der Landeskirche im Kanton Bern teil und bin stimmberechtigt. Von der Kirchgemeinde Interlaken bin ich gewählt und entsandt, zusammen mit einem zweiten Synodalen unsere Gemeinde in der Regionalversammlung das Berner Oberland zu vertreten. Als Legislative der katholischen Kirche im Kanton Bern ist die Synode zuständig, die Gelder der Landeskirche zu verteilen und natürlich auch, verantwortlich damit umzugehen, damit die Bilanzen nicht aus dem Ruder laufen. Eine nicht ganz einfache Aufgabe.

Eigenleben im Kanton

Interessant ist, und vielleicht geht es anderen wie mir, dass wir uns der ganz besonderen Verhältnisse in der Schweiz und insbesondere im Kanton Bern häufig gar nicht bewusst sind. Die Finanzen der römisch-katholischen Kirche werden hier nicht hierarchisch von oben durch Bischof und Erzdiözese bestimmt und gelenkt. Stattdessen leben wir durch die Landeskirchen mit einer Parallelstruktur.

Auf der einen Seite die hierarchisch aufgebaute, pastorale Seite,die durch den  Bischof geleitet und gelenkt ist und sich gegenüberdem Vatikan verantworten muss. Daneben haben wir die parlamentarische Seite der Kirche, die Bottom-up, also von der Ebene der Gemeinde her, Finanzobrigkeit besitzt. Die Kirchensteuer fliesst der Kirchgemeinde vor Ort zu. Sie gibt einen Prozentanteil davon an die Landeskirche ab, die wiederum ihren Verpflichtungen unter anderem an die Bischofskonferenz nachkommt.

Ein Parlament für die Kirche

Die Synode ist das Parlament der katholischen Kirche im Kanton Bern. Wir kommen zweimal im Jahr zusammen, um vor allem anderen, die Gelder zu verteilen. Es wird entschieden, wie viel Geld zur Verfügung gestellt wird, ob für Ökumene, Caritas oder gemeinsame Auftritte der Kirchen in der Öffentlichkeitweiterhin Geld ausgegeben werden soll oder nicht. Wollen wir uns in der bisherigen Art engagieren oder weitaus mehr oder weniger.

Wie viel soll beispielsweise zur Förderung der Zusammenarbeit der christlichen Kirchen im Kanton ausgegeben werden? Woher soll das Geld dafür kommen? Einsparungen und Veränderungen, beziehungsweise neue Prioritätensetzung stehen an. Denn die Einkommensverhältnisse ändern sich stetig. Abgesehen von wenigen Ausnahmen muss mit immer weniger Einnahmen durch die Kirchensteuer gerechnet werden. So kann die Synode künftig auch stets weniger Gelder weitergeben.

Eine Exekutive von Laien

Der Synodalrat ist die durch die Synode eingesetzte und gewählte Exekutive, welche die Geschäfte der Synode auf der einen Seite vorbereitet und dann – mindestens so wichtig – nach der Abstimmung und mit Zustimmung der Synode auch umsetzt.

Eine wichtige Stellung hat auch die Finanzkommission inne. Sie kommt bereits vor den Regionalversammlungen zur Vorbereitung der nächsten Geschäfte und vor allem des Budgets mit dem Präsidenten des Synodalrats zusammen. Die Finanzkommission setzt  sich zusammen aus Synodalen und damit Vertretern und Vertreterinnen der lokalen Kirchgemeinden.

Was ist zu unterstützen?

In den Gremien der Synode zeigen sich verschiedene Perspektiven und unterschiedliche Prioritäten besonders deutlich. Sind gemeinsame Lösungen möglich? Um diese Lösungen wird nicht selten intensiv gerungen. Als Synodalin erhalte ich zu Beginn eines Geschäftes leicht den Eindruck, dass der Synodalrat seine Pfründe oder die nötigen Mittel zum Erhalt der aktuellen Tätigkeiten retten oder sicherstellen will. Die Kirchgemeinden, welche die nötigen Mittel bereitstellen, haben manchmal andere Interessen als die Synode.

Zielkonflikte führen zu intensiven, manchmal durchaus hitzigen Diskussionen. Inwiefern sind die Kirchgemeinden vor Ort bereit, erhöhte Beiträge an die Synode zu

leisten? Muss der Synodalrat wichtige Vorhaben streichen? Zuletzt führen diese Auseinandersetzungen zu spannenden Abstimmungen in der Synode, die nicht immer im Sinne des Synodalrats oder auch der Finanzkommission ausgehen. Mich beeindruckt, dass dieses Ringen möglich ist. Manchmal empfinde ich es auch als frustrierend, wenn um gute Lösungen und Anträge an der Synode gerungen wird, schlussendlich aber eine Abstimmung in der Synode das Ganze abschmettert.

Engagement mit Herzblut

In der Synodenarbeit erlebe ich die basisdemokratischen Strukturen der Schweiz hautnah. Wie schön, dass auch in der römisch-katholischen Kirche Essentielles wie die Finanzen durch die Laienvertreter der lokalen Kirche bestimmt werden. Ich schreibe an diesem Artikel und merke, dass er technischer daherkommt, als mir lieb ist. Was mir wichtig ist: mich beeindruckt das Schweizer System, in dem es neben der durch Rom gesteuerten hierarchischen pastoralen Struktur, eine basisdemokratisch organisierte Struktur gibt, die durch die ihr eigene Finanzhoheit ganz selbstverständlich ihre Relevanz und Wichtigkeit hat.

Persönlich finde ich es einerseits frustrierend und andererseits tröstlich, dass auch dort, wo Menschen zusammenkommen, weil sie ein Glaube verbindet, wir mit den vertrauten, sehr menschlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind: Neid, Rollenverständnis, Profilierungswünsche, mehr oder weniger Sachverständnis – trotzdem aber über Entscheidungskompetenz zu verfügen, mehr oder weniger Bereitschaft und Möglichkeit, Kompromisse zu finden und einzugehen. Auch da, wo unser Glaube uns verbindet, erliegen wir unseren menschlichen Fallen und begegnen, so hoffe ich, unseren Entwicklungsmöglichkeiten. Ich wünsche mir, dass wir die Gemeinsamkeit als Basis zur Entwicklung unserer menschlichen Möglichkeiten nutzen. Wie schön, wenn unser Glaube diese gemeinsame Basis bildet.

Verankert in Pfarrei und Gebet

Morgens, 7.40 Uhr. Eine kleine Gruppe von zwei bis sechs Leutentrifft sich in der  Seitenkapelle unserer Kirche Heiliggeist. Wir beten die Laudes, das klösterliche Stundengebet zum Tagesanfang. Es ist eine langjährige Tradition, die von verschiedenen Mitgliedern der Kirchgemeinde durch die Jahrzehnte getragen wird. Als Laien engagieren sich Sigrist, seelsorgerliche Begleiterin oder auch Lektoren der Gemeinde, sodass jeden Morgen dieses gemeinsame Gebet stattfindet.

Es verändert  den Start in den Tag, wenn ich mich zuerst mit anderen Mitmenschen zum Gebet treffe. Danach gehe ich gestärkt, mit geklärtem Fokus in den Tag, häufig ein Arbeitstag. Oft fühle ich mich durch viele Stunden von diesem Morgengebet getragen. Es sind schlichte Gebete, die hier gesprochen werden: drei Psalmen, Fürbitten, ergänzt durch persönliche Bitten ausgesprochen oder in Stille, das Vaterunser und die Bitte um Segen.

Häufig macht mich dieses Gebet froh. Lässt mich behütet, gesegnet in den Tag gehen und unterstützt mich darin, in meinem Alltag zum Segen für andere werden zu können, so wie es ein wunderbares Tischgebet ausdrückt. Es ist mir ein Anliegen, einander Mit-Mensch sein zu können. Einander Mitmensch zu sein, fällt mir umso leichter, umso mehr ich mich in meinem Glauben verankert und mich selbst ganz angenommen fühle.

Das gemeinsame Morgengebet, die Laudes, hilft, mir dieses Angenommensein bewusst zu machen. Immer wieder. Ich schätze sie sehr, diese unsere Laudes, und bin dankbar, dass sich Menschen finden, sie fortzusetzen, sie zu beten. Auch dann, wenn ich selbst nicht dabei bin.»

Catherin Quirin