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Die Person Mohammeds, dem der Koran abschnittweise offenbart wurde, ist demgegenüber zweitrangig. Mohammed sah sich als normalen Menschen, der durch Gottes Ratschluss mit dem Ausrichten der göttlichen Botschaft beauftragt war.

Gott ist Buch geworden

Während Gott für Christen in Jesus Mensch geworden ist, ist er für Muslime Buch geworden. Anders herum gesagt: Das Christentum ist zur Not auch ohne Bibel denkbar, aber nicht ohne Jesus; der Islam zur Not auch ohne Mohammed, aber nicht ohne Koran. Zentrale religiöse Handlung ist für den Christen die Teilhabe an Gottes Fleischwerdung: die Kommunion, für den Muslim die Teilhabe an Gottes Wort: die Koran-Rezitation.

Iqra`!

Koran (arabisch qur`ân) heisst Lesung, Vortrag, Rezitation. Mit dem Befehl iqra` (lies! trag vor! rezitiere!) beginnt die 96. Sure, nach muslimischer Tradition die erste Sure, die (ums Jahr 610 n.Chr.) Mohammed offenbart wurde. Mohammed folgte dem Befehl, den der Erzengel Gabriel an ihn richtete. Er trug diese und die weiteren Gottesworte seinen Mitmenschen vor.

Rund 20 Jahre nach Mohammeds Tod liess der Kalif Uthmân die mündlich überlieferten und die wenigen schriftlichen Stücke der Botschaft sammeln und zum noch heute massgebenden Koran zusammenstellen. Geordnet sind die Abschnitte, die Suren, etwa nach der Länge. Die längste Sure ist die zweite, die kurzen finden sich zuhinterst.

Die erste Sure

Sehr kurz ist auch die allererste Sure, die Fâtiha („die Eröffnende“) ein kurzes Gebet (s. Kasten zum vorausgehenden Artikel!). Zu Recht wird die Fâtiha oft mit dem Vaterunser verglichen. Sie hat eine ähnliche Form (kurze Zeilen, die sich auf Arabisch reimen), ähnlichen Inhalt (Verherrlichung Gottes, Erinnerung ans Gericht, Bitte um Rechtleitung und gnädige Zuwendung) und sie wird beim täglichen Gebet und zahllosen andern Gelegenheiten immer wieder ausgesprochen.“

Verwirrende Mischung

Nach der Fâtiha (enthält der Koran eine verwirrende Mischung verschiedener Texte: Es gibt kurze, poetische Stücke mit meist prophetischem Inhalt (z.B. eindringliche Warnungen vor dem Jüngsten Gericht), Anordnungen betreffend das Leben der Gläubigen in ihrer Beziehung zu Gott und untereinander sowie Erzählungen aus der Heilsgeschichte.

Diese nehmen oft bekannte Geschichten biblischer Gestalten auf (Adam, Abraham, Mose, Jesus, Maria). Sie sollen zeigen, dass alle diese Gesandten dieselbe Botschaft von Gott überbrachten, nur jeweils einem andern Volk.

Als letztem Volk wendet sich Gott nun durch Mohammed an die Araber, „in klarer, arabischer Sprache“, das heisst unverfälscht und unnachahmlich poetisch – der Koran als das Wunder, das Mohammeds Sendung beglaubigt. Dies erklärt auch, warum auch Muslime in Senegal oder Indonesien dazu angehalten sind, den Koran auf Arabisch zu lesen und zu rezitieren. Übersetzungen gelten als Notbehelf. Den Kern der koranischen Botschaft fasst der erste Teil des Glaubensbekenntnisses (schahâda) zusammen: Es gibt keinen Gott ausser Gott. Ähnlich der jüdischen Tradition stellt der Koran Gottes Einheit, Einzigkeit und Allmacht ins Zentrum.

„Heiliger Krieg“?

Aus dieser Kernbotschaft lassen sich viele Folgen ableiten, etwa dass Gottes Einheit und Einzigkeit in allen Bereichen gelten und überall anerkannt sein sollte. Sich dafür einzusetzen ist Aufgabe der Gläubigen. Der Dschihad (gihâd) ist zunächst und sprachlich korrekt übersetzt dieses „Sich-Mühen“ (für Gott) oder – ins Militante gewendet – der „Glaubenskampf“. Ausgefochten werden kann er militärisch (als „heiliger Krieg“ zur Verteidigung oder zur Rückeroberung verlorener Gebiete), zivil (z.B. durch den Bau von Schulen) oder geistlich (Kampf gegen alles, was vom wahren Glauben ablenkt). Mancher Theologe hielt den geistlichen Kampf für den wichtigsten.

Der Dschihad obliegt nicht dem Einzelnen, sondern der Gemeinschaft als ganzer und kann sogar gegen Muslime gerichtet sein, die sich nach Ansicht der Glaubenskämpfer auf dem Irrweg befinden. Der Herrscher hat dafür zu sorgen, dass der Dschihad in geeigneter Form stattfindet.

Märtyrer

Wer kämpft, setzt „Gut und Blut“ ein. Schon das ist verdienstvoll. Wer im Kampf für Gott und die Gemeinschaft der Gläubigen umkommt, hat seinen Glauben auf besondere Art bewiesen: Er ist ein (Blut-)Zeuge (schahîd), ein Märtyrer. Ihm verheisst der Koran „reichen Lohn“.

Der Dschihad soll zwar das richtige Gottesbekenntnis überall zur Herrschaft bringen. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit der Bekehrung Andersgläubiger. Insbesondere die Juden und die Christen geniessen unter islamischer Herrschaft als Besitzer eigener Offenbarungsbücher, als so genannte „Leute der Schrift“, einen besonderen Status und dürfen ihre Religion weiter ausüben.

Der Reichtum des Korans

Damit ist der Reichtum des Koran längst nicht ausgeschöpft. Wie andere heilige Bücher stellt er ein Zeichen- und Sinnsystem zur Verfügung, das für den Gläubigen wie den Forscher stets neue Entdeckungen bereithält. So wurde der Koran zur Bezugsgrösse für eine reichhaltige Kultur und zur Inspirationsquelle für ihre grossartige Kunst.

Andreas Tunger
Der Autor ist Auslandredaktor der Neuen Luzerner Zeitung.

 

Tipps für die Koran-Lektüre

  • Lesen Sie ruhig im Koran. Es gefährdet Ihr Seelenheil nicht.
  • Besorgen Sie sich eine deutsche Koran-Übersetzung. Am lesbarsten ist diejenige von Max Henning, wissenschaftlich am genauesten die von Rudi Paret, am neuesten die von Adel Theodor Khoury.
  • Fangen Sie gleich mit der ersten Sure an („al-Fâtiha“, „die Öffnende“).
  • Fahren Sie fort mit Sure 2 („al-Baqara“, „die Kuh“), soweit Sie mögen.
  • Sie haben abgebrochen? Versuchen Sie auszudrücken, warum Sie – vermutlich zwischen der zweiten und fünften Seite – stecken geblieben sind.
  • Blättern Sie noch ein paar Minuten im Koran. Lesen Sie im vorderen, mittleren und hinteren Drittel je an drei, vier Stellen ein paar Zeilen.
  • Finden Sie eine aus der Bibel bekannte Figur (z.B. Mose, Noah, Abraham/Ibrahim). Lesen Sie die ganze Passage, die dieser Figur gewidmet ist. Was ist gleich wie in der biblischen Erzählung, was anders?
  • Finden Sie einen Satz, der so oder ganz ähnlich auch in der Bibel zu finden ist.
  • Lesen Sie jetzt das Vor- oder Nachwort Ihrer Koran-Übersetzung oder (noch einmal) den nebenstehenden Einführungsartikel.
  • Möchten Sie den Koran weiter erforschen? Wenn nicht, so respektieren Sie, dass er Millionen Menschen gleich viel bedeutet wie Ihnen die Bibel. Wenn ja, so besorgen Sie sich ein gutes einführendes Buch (z.B. Hartmut Bobzin: Der Koran, München, Beck; Rudi Paret: Mohammed und der Koran, Stuttgart, Kohlhammer; Tilman Nagel: Der Koran, München, Beck). Gehen Sie den angegebenen Koranstellen nach. Sie werden viel blättern müssen – und können viel entdecken.
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