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Kathedrale St. Josef, Daressalaam. © zVg
Kathedrale St. Josef, Daressalaam. © zVg

Im Januar 1972 reiste Peter Keller mit sechs anderen «Neu-Missionaren» nach Tanzania aus.  Bis letztes Jahr wirkte und arbeitete der Kapuziner dort. Wir haben mit ihm im Kloster Wil, wo er derzeit lebt, über sein vielfältiges Wirken im ostafrikanischen Land gesprochen.

Die ehemalige Deutsch-Ostafrika-Kolonie war seit der Niederlage der Deutschen im I. Weltkrieg englisches Völkerbundsmandat und wurde erst 1961 in die Unabhängigkeit entlassen. Das Land besteht aus über 100 Ethnien, die meisten aus der Bantufamilie stammend.  Seit 1863 waren vorwiegend französische und deutsche katholische Ordensgemeinschaften hier missionarisch tätig, anfänglich Weisse Väter, dann auch von der benediktinischen Missionsgemeinschaft von St. Ottilien. Später dann zog die protestantische Konkurrenz den katholischen Missionaren nach und nach der Kriegsniederlage der Deutschen im Jahr 1918 – so diese ganze 60-jährige Missionsetappe kurz zusammengefasst – mussten die Benediktiner Daressalaam verlassen und  die Schweizer Kapuziner übernahmen dieses Missionsgebiet mit seinen damals rund 7.5 Mio. Einwohnern. Heute hat das Land übrigens 57 Mio. Einwohner, von denen rund ein Drittel Muslime, Christen und Anhänger von Stammesreligionen sind.

Drei Etappen Kapuzinerpräsenz
Am 18. Juni 1921 kamen sechs Kapuziner und sechs Baldegger Schwestern im Hafen von Dar-es-Salaam an, begrüsst vom neuen Missionsoberen P. Gabriel Zelger, dem späteren Bischof der Diözese, und von Bruder Klemens Studer.  Aus Kapuzinersicht gab es drei grössere Etappen in der Entwicklung der katholischen Kirche in Tansania: von 1921 bis nach dem II. Vatikanischen Konzil gab es eine typische Missionskirche, wo alle Macht und die Finanzen in den Händen der Ausländer lag, sprich auch den Kapuzinern. Bis 1970 hatten die Kapuziner 36 Stationen im ganzen Land aufgebaut und die Zahl der Katholiken war von etwa 2000 (1921) auf rund 150’000 angewachsen. Dann folgte eine Etappe der Ablösung, Afrikanisierung und der Zunahme des einheimischen Klerus, die am 2. Februar 1996 mit der Gründung einer eigenständigen Kapuzinerprovinz endete. Seither kommen keine  Schweizer Kapuziner mehr aus der Schweiz. Auch die finanzielle Unterstützung wird immer kleiner. Heute (Stichtag: November 2020) sind unter den rund 240 Ordensmitglieder in Tansania noch 10, zumeist betagte, Schweizer Kapuziner, einer von ihnen ist Peter Keller.

Wir treffen den 80-jährigen Ostschweizer im Kloster Wil (Stand Oktober 2020), wo er sich von einer Knieoperation erholt. Gleich zu Beginn des Gesprächs stellt er klar: «Ich will zurück nach Tansania, denn das ist meine Heimat, wo ich insgesamt 48 Jahre gelebt und gewirkt habe.» – Geboren und aufgewachsen ist Peter Keller in Niederwil SG, in Kontakt mit den Kapuzinern kam er im Kollegi Appenzell und machte danach die üblichen Ordensausbildung in Stans, Solothurn und Freiburg, mit Priesterweihe 1966. Schon während des Studiums war ihm klar: «Ich will in die Mission» und darum auch meldete er sich beim berühmten Missiologen Walbert Bühlmann (1916-2007) der damals jedes Jahr in die Ordensfakultät nach Solothurn kam und den Studenten sagte: «Wer Interesse an der Mission hat, soll sich melden.»

Br. Peter Keller

Im Schnelltempo Swahili gelernt
Im Januar 1972 dann reiste Peter Keller mit sechs anderen «Neu-Missionaren» aus und lernte in einem Intensivkurs in 3½ Monaten Swahili bei den Maryknoll-Missionaren in Makoko/Musoma. Diese ostafrikanische Sprache ist die Landessprache von Tansania und wird in Ostafrika von rund 80 Mio. Menschen gesprochen. Dann absolvierte er ein halbes Jahr ein Praktikum in einer Pfarrei in einem Aussenquartier der rasant wachsenden Hauptstadt von Tansania, gab anschliessend zweieinhalb Jahre Religionsunterricht und Einführung ins Ordensleben für die Schwestern in Maua (eine Gründung der Kapuzinerinnen vom Gerlisberg Lu) und war sechs Jahre in Kasita als Lehrer tätig für die Kapuziner-Novizen.

Die für ihn «schönste und spannendste Zeit» aber erlebte Peter Keller anschliessend am «Msimbazi Social Center» (MSC) von Dar-es-Salaam. Diese Institution, die bis heute einen sehr guten Ruf im Land hat, zeigt auch exemplarisch, warum das Christentum vor allem in den ländlichen Gebieten von Tansania auf eine so starke Anziehungskraft stiess und stösst: Weniger wegen seines «theologischen Überbaus», sondern wegen der exzellenten katholischen Ausbildungsstätten und den sozialen Werken, die zahlreiche Orden und religiöse Gemeinschaften gründeten und aufbauten.

Der Bau des MSC wurde grösstenteils von der Katholischen ArbeiterInnen Bewegung der Schweiz KAB ermoeglicht, bald aber stand das Haus finanziell auf eigenen Fuessen. Heute  fokussiert es sich auf die Grundausbildung von Arbeitnehmenden und bietet Sprachkurse sowie verschiedene kaufmännische Ausbildungen (Buchhaltung, Verkauf, Lagerhaltung, Marketing etc.) an. Integriert in die Schule ist auch eine Hauswirtschaftsabteilung für Mädchen. Zudem finden an der Schule die zweitägigen katholischen Ehevorbereitungskurse der Diözese statt. Das MSC mit seinen rund 650 jungen Männern und Frauen im Alter von 20 – 25 Jahren ist für Interessenten aller Religionen offen. Peter Keller war dort als Direktor tätig, mit einem einheimischen Manager an seiner Seite, und hatte unter sich ca. 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 15 Lehrkräfte, die meisten Teilzeitkräfte. Als Peter Keller 1972 als Direktor begann, dauerten die Kurse am MSC von 15.00 bis 21.00 Uhr: «Am Schluss begannen wir bereits um 8 Uhr morgens, da der Andrang so gross war.» Auch die Regierung Tansanias ist sehr froh um diese einmalige katholische Ausbildungsstätte, «weil sie qualitativ keine vergleichbaren staatlichen Schulen hatte,» erzählt Peter Keller stolz. Die Schule war in den letzten Jahrzehnten auch immer ein Zentrum für die Begegnung von Gruppierungen verschiedener politischer Ausrichtung: «Das MSC verfügt über einen grossen Versammlungssaal, wo seit 1992, nach dem Wechsel vom Ein- zum Mehrparteiensystem in Tansania, Parteien aller politischen Ausrichtung Versammlungen und Konferenzen durchführten.»*

Spannende Begegnungen und Kontakte
Eine weitere wichtige Etappe im Missionarleben von Peter Keller, war von 1995 – 2002 die Leitung der Ausbildung der Kapuziner in der stark wachsenden Provinzhauptstadt Morogoro, 200 km westlich von Dar-es-Salaam. Und schliesslich – last but not least – arbeitete Peter Keller von 2002 – 2015 im Exerzitienhaus Mbagala Spiritual Center etwas ausserhalb Dar-es-Salaam mit, das der «Religious Superiors Association of Tanzania» gehört. In diesem Haus, das von Beginn weg von Peter Keller und Baldegger Schwestern gemanaged wurde, gab er Exerzitien, Bildungskurse für Ordensgemeinschaften und Kurse in katholischer Soziallehre.  Dieses Zentrum wurde und wird auch gerne von deutschen und amerikanischen Entwicklungshelfern für Versammlungen genutzt, was Peter Keller spannende Kontakten ermöglichte. Die letzten drei Jahre schliesslich, vor seinem Erholungsurlaub in der Schweiz, war Peter Keller noch in der eher wohlhabenden Pfarrei Upanga in Dar-es-Salaam als Vikar tätig.

Peter Keller hat also die meiste Zeit seines Missionarenlebens in der Grossstadt Daressalaam gelebt. Sie ist das politische, wirtschaftliche, aber auch religiöse Zentrum von Tansania. Wegen der ursprünglichen Nähe zum Regierungssitz (der heute in Dodoma liegt) und den politischen Entscheidungsträgern haben alleine in Dar-es-Salaam ca. 15 katholische Orden ihren Sitz. «Meine Arbeit am Msimbazi Social Center war die spannendste Zeit in meinen 48 Jahren Tansania. Ich habe sehr viele interessante Leute kennengelernt, zum Beispiel auch Personal von Botschaften, dass in unserem Zentrum Kurse durchführte oder Regierungsangestellte. Ich traf Vertreter zahlreicher Kirchen und religiöser Gemeinschaften. Und wir hatten ein ganz tolles Team von Angestellten.»

Interesse an Ordensleben wächst wieder
Vor ein paar Jahren schien es, als ob die Kapuzinergemeinschaft in Tanzania kleiner würde, doch in letzter Zeit hat das Interesse auch junger Tansanier am Leben als Kapuziner «fast beägstigend» wieder zugenommen und die Mitgliederzahlen wachsen. Sicher steckt dahinter ein echtes Interesse an den spirituellen Werten der Kapuziner, betont Peter Keller, aber auch das Wissen um eine fundierte Ausbildung, die man im Orden bekommen kann. Er nennt dafür auch eine Zahl «Von den 10 besten Schulen haben neun eine christliche Trägerschaft und nur eine ist staatlich.»

Von Beat Baumgartner

*Seit 1964 strebte Staatspräsident Julius Kambarage Nyerere und seine sozialistische Einheitspartei Chama Cha Mapinduzi eine sozialistische Gesellschaft an, doch das Projekt scheiterte. 1992 wurde darum ein Mehrparteiensystem eingeführt.