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Einblicke in den Kinderalltag

„Kinder sind der einzige Reichtum der Armen.“ Dieses Wort von Bischof Franz Kamphaus werde durch die Arbeit der deutschen Fastenaktion Misereor immer wieder bestätigt, schreibt ein Mitarbeiter dieses Hilfswerks. Er fügt hinzu: „Nur noch Kinder bleiben den Armen oft als einzige Zukunft – und als Glück, wenn sie in Elend und absoluter Armut leben.“

Wir Reichen sehen dies anders. Die Armen seien selber schuld, wenn sie arm sind. Wenn sie nicht so viele Kinder hätten, ginge es ihnen besser. So meinen wir. Doch Menschen, die keine AHV haben und in kein Altersheim gehen können, zählen darauf, dass einst ihre Kinder für sie sorgen. Weil aber die Kindersterblichkeit sehr hoch ist, vergrössert eine hohe Kinderzahl die Chance, im Alter abgesichert zu sein. Dazu kommt wie eingangs erwähnt, dass Kinder für die Menschen im Süden oft der einzige Stolz und den wichtigsten Lebensinhalt bedeuten.

Erfolgreiche Entwicklungshilfe

Doch in unserer Nummer geht es nicht um Bevölkerungspolitik, sondern um die Situation von Kindern in der Einen Welt. Die Zahlen, die dazu vorliegen, sind in manchem erschreckend. Nur einige Beispiele:

  • 250 Millionen Kinder arbeiten statt in die Schule zu gehen.
  • Weltweit leiden 200 Millionen Kinder unter Mangelernährung.
  • 20 Millionen Kinder und Jugendliche sind auf der Flucht.

Glücklicherweise hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges verbessert. So sank in den ärmsten Ländern die Kindersterblichkeit im Zeitraum von 1960 bis 1996 von 280 auf 171 pro 1000 Geburten. Damit zeigt sich, dass die Entwicklungshilfe nicht umsonst war.

Gefährliche Schmetterlinge

Allerdings führten Kriege und „ethnische Säuberungen“ vielfach zu Rückschritten. In kriegerischen Handlungen wurden innerhalb eines Jahrzehnts acht Millionen Kinder getötet, verletzt oder traumatisiert. Viele sind ihr Leben lang behindert. Manche Verstümmelungen wurden durch die Landminen ausgelöst. Besonders heimtückisch sind die „Schmetterlingsminen“: „Sobald ein Kind das vermeintliche Spielzeug aufnimmt, explodiert es. Das Ziel ist dabei nicht, das Kind zu töten, sondern es zu verletzen, um die Verwundetenversorgung des Gegners lahmzulegen: Da Kinder immer bevorzugt behandelt werden, sind verwundete Soldaten zweitrangig; ihr Wiedereinsatz verzögert sich, Ressourcen werden blockiert, medizinische Materialien schneller aufgebraucht.“ (Uwe Britten im Lamuv-Taschenbuch „Zum Beispiel Kinderalltag“.)

Überforderte Eltern

Für das Elend der Kinder werden leichthin ihre Eltern verantwortlich gemacht. Dazu nochmals Uwe Britten: „Wo die Erwachsenen 15 Stunden damit zubringen, Gelegenheits-Jobs zu finden oder schlecht bezahlte Arbeiten auszuführen, die am Ende des Tages nur zu einem Lohn geführt haben, der niemanden in der Familie wirklich satt macht, wo gleichzeitig die Zuversicht einer besseren Zukunft so gut wie verschwunden ist, wo sich die Männer in den Alkohol flüchten und sich ihre Frustration in Aggression wandelt, wo sich für Frauen die Mehrfachbelastung von beruflicher und familiärer Verantwortung sowie von zahlreichen Schwangerschaften zuspitzt, da steigt der Stress auch für die Kinder.“

600 Franken Schulden geerbt

Wer nicht blind ist für grössere Zusammenhänge, spürt, wie die Mechanismen der Weltwirtschaft sich auf den Alltag der Kinder und ihrer Familien auswirken. Hier kommt ganz besonders die Auslandverschuldung ins unschöne Spiel. Jedes Kind, das heute in einem Entwicklungsland geboren wird, „erbt“ im Durchschnitt eine Schuld von über 600 Franken. Das Gewicht dieser Zahl wird erst sichtbar, wenn sie in Bezug zur finanziellen Lage der einzelnen gebracht wird. So müsste beispielsweise eine Lehrerin in Sambia 14 Monate arbeiten, um „ihre“ Auslandschuld abzubezahlen.

Es mag wie ein abstraktes Zahlenspiel anmuten, auszurechnen, wie viele Schulden ein Kind erbt. Doch für die Sanierung der Schulden verlangt der Internationale Währungsfond (IWF) vor allem im Sozial- und Bildungsbereich Einsparungen. Denn: „Die Schulden müssen bedient werden – die Menschen am Rande der Gesellschaft, die Armen, die Kinder stehen hintenan.“ (Petra Gaidetzka im Vorwort zu: Kinder – unsere Zukunft in der Einen Welt.)

Benachteiligte Mädchen

Konkreter: Wenn zur Kürzung der Staatsausgaben der Unterricht nicht mehr gratis angeboten wird und viele Eltern die Schulgelder nicht aufbringen, können ihre Kinder nicht mehr in die Schule gehen. Oder wenn die Subventionen für Grundnahrungsmittel gestrichen werden, müssen die Kinder mitverdienen. Oft tragen hier die Mädchen als Erste die Konsequenzen, weil ihre Bildung für weniger wichtig angesehen wird als jener der Knaben.

Kinder-Power

Wer weiss, wie schwierig die Lebenssituation der Mehrheit der Kinder in den Ländern des Südens ist, staunt, wie viel Freude die meisten von ihnen ausstrahlen. Mitten im Elend treffen wir eine Fröhlichkeit an, die wir bei Kindern, die alles haben, oft vermissen. Erstaunlich ist auch, welche Überlebens-Strategien Kinder erfinden. Dies ist bei Strassenkindern am offensichtlichsten. Schon siebenjährige finden Mittel und Wege, um an das Lebensnotwendige heranzukommen (es sind längst nicht immer krumme Wege!). Auch Kinder, die in ihren Familien leben und zu ihrem Unterhalt beitragen müssen, besitzen Power und Energie, um das Beste aus ihrer Lage zu machen.

Walter Ludin

 

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Kinder

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Strassenkinder