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Probleme unabhängiger Frauen

Der Westen betrachtet den Kinderreichtum Afrikas vor allem unter dem Stichwort Bevölkerungsexplosion. Das scheint mir nicht richtig. Ich befürworte Familienplanung sehr. Aber man muss den Blick etwas weiten. Im afrikanischen Kontext sind Kinder ein Reichtum, in vielerlei Hinsicht. Sie sind in unseren weitläufigen Familienverbänden das Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Alten stehen für den Kontakt zu den Ahnen, die Kinder für die zukünftigen Generationen. Ohne Kinder stirbst du allein, deine Generation stirbt aus. Kinder können nicht nur auf dem Bauernhof helfen. Sie sind die Altersversicherung für die Eltern. Hast du in Nairobi schon alte Menschen ohne Familien gesehen? Die sind arm

Es gibt auch die Kehrseite. Mädchen sind für viele Väter eine Einnahmequelle, wenn sie vom Bräutigam den Brautpreis verlangen. Ich würde meinem Vater verbieten, einen Brautpreis zu fordern. Ich käme mir vor, als wäre ich verkauft worden. Mein Vater würde das nie machen. Ich liebe ihn sehr. Er hat mich so vieles gelehrt.

Alt mit 33

Eine eigene Familie zu haben ist schön. Fast alle möchten das. Auch ich. Ich hätte gerne ein Kind; ich werde dieses Jahr 33. Ich gelte schon als alt für eine Frau ohne Kinder. Aber eine Familie ist kein Muss, auch wenn es die afrikanischen Gesellschaften so sehen.

Für mich ist es schwierig, einen Ehemann zu finden. Ich bin unabhängig, habe studiert, ich arbeite hart und habe einen interessanten Beruf. Männer fürchten unabhängige und eigenständige Frauen. Ich machte meine Erfahrungen. Ich müsste zudem einen Mann haben, der selbst ein Einkommen hat, der nicht nur auf mein Geld schaut und zu Hause herumhängt. Aber selbst studierte Männer lieben es, zu bestimmen – auch über die Frau. Mit welchem Recht? Sind sie besser? Nur aufgrund von Traditionen? Ich hätte gerne einen Ehemann, aber ich brauche keinen, der mich gängelt.

Partnerschaftlich

Ich möchte mit meinem Ehemann die Verantwortung teilen können; ich möchte als Partnerin respektiert werden und würde meinen Mann als Partner respektieren. Ich möchte, dass er die gemeinsamen Probleme oder auch seine eigenen mit mir bespricht, nicht mit seinen Freunden, wie das hier üblich ist.

Ich bin nicht die einzige Frau, die nur schwer einen Mann findet. Vielen Frauen in meiner Lage geht es gleich. Sie wollen Kinder, aber keinen Ehemann. Wenn du in meinem Alter keine Kinder hast, schaut man auf dich herunter. «Was ist mit der los?» fragen sich die Leute. Bisweilen nennt man mich Mama zero, die Mama null Kinder. Das hat mit der Tradition zu tun. Bei uns werden die Frauen nach der Geburt des ersten Kindes nicht mehr mit dem Namen angesprochen, sondern als Mama Grace, wenn das erstgeborene Kind Grace heisst, oder als Mama Paul. Wenn du kein Kind hast, bist du die Mama zero. Ich mag den Ausdruck nicht. Wieso wird eine Frau despektierlich so genannt, nur weil sie kein Kind hat? Ich würde es meinem Mann verbieten, mich nach dem Namen des Erstgeborenen zu nennen. Ich bin Philomena.

Erziehung zur Unabhängigkeit

Es liegt an den Frauen, das zu ändern. In meiner Familie waren wir fünf Mädchen und fünf Buben. Das Erstgeborene war ein Mädchen, dann folgten alle Buben. Sie mussten im Haushalt mithelfen, abwaschen, Holz und Wasser holen, die Kleider der nachfolgenden Mädchen waschen und bügeln. Meine Mutter sagte: «Ihr esst, also helft ihr mit.» Mein Vater unterstützte sie. «Keiner hat Vorrechte, nur weil er männlich ist», pflegte er zu sagen. Seine Brüder lachten ihn aus deswegen. Aber das kümmerte ihn nicht.

Mein Vater war ein kleiner, angestellter Schreiner. Kurz vor der Pensionierung verdiente er etwa 70 Franken pro Monat, sehr wenig also. Meine Mutter arbeitete auf unseren Äckern. Sie war eine fleissige und geschickte Bäuerin. Alle zehn Kinder haben die Universität besucht oder technische Hochschulen oder ein Lehrerseminar. Wie die Eltern das geschafft haben, ist mir bis heute ein Rätsel. Ich respektiere sie nicht nur deswegen, weil sie uns gefördert haben. Ich respektiere sie, weil sie uns zu unabhängigen und unabhängig denkenden Menschen erzogen haben.

Mütter müssten kämpfen

Die Mütter müssten ihre Kinder anders erziehen. Die Buben werden bevorzugt, sie können draussen spielen, die Mädchen werden zum Helfen beigezogen. Die Buben wissen um ihre Vorrechte. Das prägt fürs Leben. Die Mütter müssten die von den Männern zu ihren eigenen Gunsten geschaffenen Traditionsnormen hinterfragen. Aber die Frauen sind zu sehr auf diese Traditionen fixiert. Weil sie wissen, dass die Männer auf diese pochen; und weil sie fürchten, ihre Töchter könnten keinen Mann finden, drängen die Mütter ihre Töchter, sich beschneiden zu lassen – so etwas Unmenschliches, Herabwürdigendes für jede Frau!

Die Mütter müssten für die Ausbildung der Mädchen kämpfen, wie es meine Mutter getan hat und ich es tun würde. Und sie müssten kämpfen für das Umsetzen der vorhandenen, aber nie realisierten Gesetze, die uns Frauen als Gleichberechtigte einstufen.

Männer werden das nie tun. Darum haben wir ein Problem in Afrika. Frauen bilden in Kenia die Mehrheit der Bevölkerung. Aber was haben sie zu sagen? Oder ist es kein Unrecht, wenn ein Mann sein Land verkaufen kann, ohne die Frau auch nur fragen zu müssen?

Intelligenter und praktischer

Ich bin stolz, eine Frau zu sein. Wir sind intelligenter als die Männer, wir sind praktisch begabt. Ohne uns Frauen würden Millionen von Kindern hungern. Wir sind der Motor der Landwirtschaft. Und die Landwirtschaft ist das Rückgrat der Wirtschaft Kenias.

Wer sorgt für die Kinder? Wer sorgt für den Zusammenhalt der Familie? Das sind wir Frauen. Wir Frauen können zusammenarbeiten, ohne sofort hierarchische Strukturen schaffen zu müssen wie die Männer. Es sind Männer, die Krieg führen, nicht die Frauen. Wenn du über die Probleme der afrikanischen Frauen schreiben willst, dann musst du über die Männer schreiben. Sie sind das Problem.

Philomena Nyagilo
Aufgezeichnet von Peter Baumgartner

 

Unsere Autorin

Philomena Nyagilo, 33, gehört zum Volk der Luo im Westen Kenias. Sie hat in Tansania Journalismus und Kommunikationstechnologie studiert und schloss mit dem Masters degree ab. Heute arbeitet sie als Journalistin, Radioautorin und Filmemacherin in Nairobi. Gleichzeitig leitet sie das Sozial- und Stipendienprogramm einer privaten Primarschule, die sich im Slum Kawangware in Nairobi um Aids-Waisen, sozial vernachlässigte und schulisch schwache Kinder kümmert.

 

ite2007-3

Frauen in Afrika

ite 2007/3

Was wäre Afrika ohne Frauen
«Man nennt mich Mama Zero»
Männer im schiefen Licht