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Katholische und protestantische Christen begleiten in Neuenburg Arbeitslose in Pfarreien, Kirchgemeinden oder in nichtkonfessionellen Vereinigungen. Darunter ist die „Association pour la défense des chômeurs“. Ihr Büro befindet sich in einem Sozialamt der Stadt Neuenburg. Hier werden die Arbeitslosen von Freiwilligen empfangen, angehört, über ihre Rechte informiert und beraten, auch wenn es darum geht, einen Rekurs gegen administrative Entscheidungen einzugeben.
Den Armen nahe
Unter diesen Freiwilligen arbeitet auch Pater Cyril Perrin. Früher war er geistlicher Begleiter der Katholischen Arbeiterjugend (KAJ). Heute will er Seelsorger in der Welt der Arbeiter sein und – wie er selber sagt – „ein Zeichen dafür, dass die Kirche den Armen heute nahe ist, was früher oft weniger der Fall war.“ Er lebt nun bei denen, die keine gewinnbringende Arbeit haben oder mit ihren miserablen Arbeitslöhnen kaum genügend zum Leben besitzen.
Brücken schlagen
Macht es einen Unterschied, ob man zusammen mit Arbeitern oder Arbeitslosen lebt? „Die einen wie die anderen sind arm. Die Beschäftigten haben Angst, ihre Beschäftigung zu verlieren. Es kommt vor, dass Arbeiter gegen die Arbeitslosen, wie auch Arbeitslose gegen die Arbeiter sind. In unserer Vereinigung versuchen wir, Brücken zu schlagen zwischen beiden und sie zu verbinden. Diejenigen, die wieder Arbeit gefunden haben, nehmen teil an den Festen, die wir in jeder Jahreszeit organisieren. Für die Arbeitslosen ist es wichtig, dass sie mitmachen können und Solidarität erfahren.“
Auf die Barrikaden?
Anfänglich glaubte Pater Cyril, unter den Arbeitslosen Leute zu finden, die auf die Barrikaden gehen. Sie hätten wahrhaft Gründe dafür. Doch er musste Enttäuschungen einstecken: „Sie haben ja keine Motivation zum Kämpfen. Wozu auch, sagen sie, das bringt ja doch nichts. So entmutigt sind sie. Ich brauchte Zeit, das hinzunehmen.“
Krank durch Arbeitslosigkeit
André war Laborant. Diese Arbeit stresste ihn zu sehr. Also versetzte man ihn ins Büro. Es kam eine Umstrukturierung, und er wurde entlassen. Darauf reagierte er mit einer Depression. Sein Arzt bestätigt, dass die Arbeitslosigkeit ihn so krank gemacht hat. Um gesund zu werden, muss er aus diesem Loch herauskommen. Doch da er das nicht dank einer Arbeit kann, ist die Invalidenversicherung die einzige Lösung.
Stets zahlreicher werden jene Personen, die überhaupt keine Chance mehr haben, Arbeit zu finden. „Je länger man ohne gewinnbringende Beschäftigung ist, um so kleiner ist die Hoffnung, eine solche zu finden. Wenn man sich irgendwo vorstellt und versichert, dass man noch nie entlassen worden ist, aber Gefahr läuft, entlassen zu werden, wird man eher eingestellt. Ist man hingegen seit Jahren arbeitslos, wird man verdächtigt, ein schlechter Arbeiter oder nicht mehr arbeitsfähig zu sein. Nach fünf Jahren ist es sowieso aus und fertig.“ Solche Menschen müssen dann oft noch 10 – 15 Jahr warten, bis sie das AHV-Alter endlich erreichen. „Ich staune bei der Feststellung, dass sie nicht krank werden. Ich selber könnte ohne Zukunftshoffnung nicht leben. So finde ich es wunderbar, dass viele noch einen Rückhalt besitzen.“
Beschäftigung für alle
Die Langzeit-Arbeitslosen müssen riskieren, dass ihr Beziehungsnetz immer lockerer wird, ja zerreisst, und sie dann von der Gesellschaft ausgeschlossen sind: „Wir stehen an einem Wendepunkt. Ich bin sicher, dass es künftig nicht mehr für alle Menschen Arbeit geben wird. Man spricht von Arbeitsteilung. Doch muss man für alle Menschen eine Beschäftigung finden, selbst wenn sie unbezahlt ist. Man muss dahin kommen, dass selbst Schwächere sich nützlich machen können. Seit André in unserer Vereinigung tätig ist- er arbeitet vorwiegend in der Informatik -, hat er wieder zu einer gewissen Heiterkeit und zu einem Lebenssinn zurückgefunden.
Gemeinsam essen
Jeden Dienstag kochen in einem nahen Saal Freiwillige und ein ehemaliger Koch ein Mittagessen. Dazu versammeln sich jeweils 20 – 50 Personen. „Es ist vor allem für Alleinlebende, die für sich selber kochen müssen, aber nicht immer den Mumm aufbringen dazu. Da erleben sie ein Miteinander- und Beieinandersein.“ Damit sie sich nicht als Almosenempfängern vorkommen, kostet die Mahlzeit drei Franken.
Mir gegenüber sitzt eine Frau im Rentenalter. Sie arbeitete in einer Uhrenfabrik, die geschlossen wurde. Jetzt hat sie eine Anstellung in einem Express-Büffet gefunden. Das war mir zu anstrengend. Ich fiel in Depressionen.“ Dann begleitete sie Schüler auf Hin- und Heimweg zur Schule. „Das gefiel mir.“ Doch jetzt trägt sie Zeitungen aus. Pater Cyril möchte, dass diese Mahlzeiten täglich angeboten werden könnten. Dies wäre gleichzeitig eine Gelegenheit – vor oder nach dem Essen -, bei einer Beschäftigung mitzumachen. „Wir suchen ein Lokal für 70 Leute mit Räumlichkeiten darin für verschiedene Ateliers.“ Es geht stets um dasselbe: Möglichkeiten schaffen für Freiwilligenarbeit, den Arbeitslosen zu einer Beschäftigung zu verhelfen, wo sie sich nützlich machen können. Die Vereinigung organisiert dazu noch jeden Monat eine Konferenz. Da macht man sich Gedanken über unser Wirtschaftssystem und über eine wünschenswerte Gesellschaft, die wir auf Zukunft hin aufbauen wollen.“
Nicht nur Rendite
Ich frage Pater Cyril zudem, ob die Arbeitslosen der Gesellschaft von heute etwas zu sagen haben. „Gewiss, und man tut gut daran, auf sie zu hören. Eine Gesellschaft, die nur auf Geld und Gewinn aus ist , geht am Wesentlichen vorbei. Der Mensch lebt nicht von Geld und Erfolg allein, sondern er braucht auch menschliche Wärme. Arbeitslose haben der Gesellschaft, die den Sinn ihres Lebens verloren hat, etwas zu sagen. Vorab, dass Geld nicht an erster Stelle steht, sondern Liebe, Gerechtigkeit, Dankbarkeit, das Teilen. Ich sah wie ein Arbeitsloser sein Portemonnaie auf den Tisch legte und zu seinem Kollegen sagte: `Nimm da, was du willst, du hast es nötiger als ich.`“ Pater Cyrill fügte hinzu: „Ich lebe die Armut nicht so radikal und obwohl ich Ordensmann bin. Von den Arbeitslosen lerne ich, was mein Gelübde der Armut wirklich beinhaltet.“
Michel Bavarel
Übersetzung: Friedrich Frey