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Im Oktober 2000 besuchte ich zum dritten Mal Tansania. Auf meiner ersten Reise hatte ich die Begegnung mit Afrika als einen wahren Schock erlebt. Denn gar alles war so total verschieden von allem mir Geläufigen und Gewohnten. Ich hatte den Eindruck, das niemals begreifen und durchschauen zu können. So verunsichert war ich, dass ich es vorgezogen hätte, baldmöglichst nach Europa zurückzukehren. Diesmal jedoch verlief und erschien mir alles ganz anders. Denn mein Auge war wie vorbereitet und ans Afrikanische angepasst. Und meine Nase empfand dieselben Gerüche wie vor zwei und vier Jahren, als ob diese mir nun vertraut wären.

Mit heiterer Gelassenheit

Die erste Woche verbrachten wir in Mzimbasi, einem Aussenbezirk der Stadt Dar es Salaam. Zusammen mit meinem Begleiter Karl Flury (Missionssekretär unserer Provinz) wurde ich von unseren Mitbrüdern freudig aufgenommen. Das Wiedersehen mit unseren weissen wie schwarzen Brüdern bereitete uns grosses Vergnügen. Auch wenn die tansanischen Brüder eine eigene Provinz bilden, verbindet sie noch sehr viel mit uns. Wir besitzen dieselben Wurzeln und dieselbe Geschichte und gehören zur gleichen Ordensgemeinschaft. Auf alle Fälle habe ich die Herzlichkeit geschätzt, mit der uns die Afrikaner aufgenommen haben.
Obwohl wir Schweizer Kapuziner noch auf dem Plan sind und wirken, stehen die Tansanier auf fast allen Gebieten des Provinzlebens im Begriff, einen neuen Wind wehen zu lassen. Die eindrücklichste Bestätigung dafür ist Bruder Beatus Kinyaiya, der als Provinzial die Verantwortung übernommen hat. Die meisten Schweizer Brüder spüren die Last ihres vorgerückten Alters. Trotzdem arbeiten sie unentwegt und mit heiterer Gelassenheit weiter. Es ist ja nicht gesagt, dass die Tansanier alles genau so weiterführen, wie wir es begonnen haben. Hauptsache ist, dass die Kontinuität durch ihr Dasein und Können gewahrt bleibt.

Neues Dar es Salaam

Dar es Salaam erschien mir wie eine Braut, die sich auf die Hochzeit vorbereitet. Viele Strassen wurden verbreitert und weisen vier Fahrbahnen auf. Ich traute meinen Augen nicht, wie viel sauberer als damals ich die Stadt jetzt antraf. Sie scheint wie eine gewaltige Baustelle und vergrössert sich in einem atemberaubenden Rhythmus.

Der Bischof, einst Sekretär der Bischofskonferenz, versicherte uns, dass Dar es Salaam Jahr für Jahr um 300 000 Einwohner wächst. Welche Schweizer Stadt könnte mit einer solchen Entwicklung Schritt halten und die dazu notwendige Infrastruktur auf die Beine stellen? Bei unserem Besuch fanden wir Wein auf dem Tisch. Auch das war für mich erstmalig. Ich fragte, wie das nur gekommen sei. Man wies auf die Verbindungen zu Südafrika hin. Von dort kämen sowohl der Wein wie auch das Kapital für Unternehmen, die privatisiert werden. Ebenfalls neue Tatsachen!

Kirche für 1500 Gläubige

Die Erzdiözese versucht in allen Quartieren, die wie Pilze aus dem Boden schiessen, präsent zu sein. Zur Zeit gibt es 37 Pfarreien, und dazu sollte man noch viele neue gründen. Das bedeutet, Land zu erwerben, Kirchen zu bauen, pfarreiliche Strukturen auf die Beine zu stellen und dann auch das nötige Personal für die Seelsorge zu finden. Von den 37 bereits existierenden und funktionierenden Pfarreien sind 30 den Ordensleuten anvertraut; davon fünf uns Kapuzinern. Im Tabata-Quartier haben wir die im Bau befindliche neue Kirche besucht. Da standen wir vor einem immensen Gebäude, das für 1500 Gläubige Platz bieten soll. Die Verantwortlichen beteuerten uns, dass dieses Riesengebäude höchst wahrscheinlich nie all die Menschen aufnehmen kann, welche die sonntägliche Eucharistie mitfeiern wollen.

Die Katholiken machen rund ein Drittel der Bevölkerung Tansanias aus, Tendenz steigend. Selbst viele Nichtgetaufte erklären sich als Christen. Denn die Zugehörigkeit zu einer Religion, die weltweit verbreitet ist, ist für sie wichtig. Ganz im Gegensatz zu uns hier, wo die Zugehörigkeit zu einer Kirche immer unwichtiger erscheint und Kirchenaustritte immer häufiger werden!

Kirchen und Gesellschaft

Gleichzeitig stellen wir fest, wie die Kirchen in der Gesellschaft eine herausragende Rolle spielen. Da ich die katholische Kirche am besten kenne, kann ich bestätigen, dass ihre Organisation und Quasi-Allgegenwart Wirklichkeiten sind. Das gilt sowohl für die Zentren mit den Bischofsitzen wie auch für die Peripherie mit den Pfarreien.

In Krisenzeiten und -situationen appellieren der Staat wie internationale Organisationen an die Kirchen, weil sie diese als zuverlässigste und beststrukturierte Partner betrachten. Das trifft z.B. auch dort zu, wo Hungersnöte herrschen. Dies erfuhr unser Mitbruder Thaddaeus Ruwa`ichi, der kürzlich Bischof von Mbulu wurde. Seine Diözese ist unter den Gebieten, die vom Hunger am meisten heimgesucht werden. Er hat alle Hände voll zu tun, um die notwendigen Helfer und Hilfen zu finden und zu organisieren.

Natürlich weiss die Kirche sehr wohl um ihre Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber. Ihr hat sie zu dienen. In ihr hat sie eine wichtige Rolle zu spielen. Letztes Jahr fanden die Präsidentenwahlen statt. Die Kirchen trugen viel dazu bei, die politische Debatte voranzutreiben und die Menschen zur Stimmabgabe zu ermuntern. Ein schönes Beispiel für politisches Engagement, ohne deswegen Parteipolitik zu betreiben.

Leuchttürme der Hoffnung

Eine der grossen Herausforderungen der Kirchen in Tansania besteht darin, Geld zu finden, damit sie das Aufgebaute bewahren und Neues schaffen können. Einerseits müssen sie aufpassen, dass sie die Erwartungen der Menschen nicht enttäuschen. Andererseits sollten sie ihnen klar machen, dass ihre Rolle nicht nur im Wirtschaftlichen und Sozialen besteht, sondern ebenso im Spirituellen. Darin sind sie Leuchttürme der Hoffnung im Land. Für uns im alten Kontinent, wo das Christentum immer mehr an den Rand gedrängt wird, ist es ein Hoffnungszeichen festzustellen, dass und wie die Kirche in Tansania ihre Aufgaben wahrnimmt. Freuen wir uns darüber und stehen wir ihr bei auf ihrem nicht leichten Weg. Das können wir, indem wir die Bande der Freundschaft enger schliessen und uns mit ihr solidarisieren – auch auf finanziellem Gebiet.

Mauro Jöhri
Übersetzung: Friedrich Frey

 

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Tansania

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Neue Horizonte
Tansania verändert sich