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Indische Kapuziner in Simbawe

Gandolf Wild, Generalsekretär des Ordens, berichtet und stellt kritische Fragen.

Auf der Fahrt vom Flughafen durch die grüne Millionenstadt Bulawayo mit ihren breiten, gradlinig und rechtwinklig angelegten Strassen erzählt mir Bruder Irudayaraj von seinen zehn Jahren Missionsarbeit in Simbabwe und dem steten Kommen und Gehen junger Mitbrüder, die sich nicht zurechtfinden.

„Gandhi“

In Entumbane hat der schon bald 50-jährige Inder Irudayaraj unter Leitung eines deutschen Marianhill Priesters seine Afrikaerfahrung gewonnen, die Sprache und Gebräuche der Ndebele gelernt. Durch seine einfache Art hat er nicht nur die Herzen der Gläubigen, sondern auch das Vertrauen des weitblickenden Erzbischofs Heinrich Karlen und seines ebenso tüchtigen Nachfolgers Pius Ncube gewonnen. „Gandhi“ – so wird er von allen liebevoll genannt wegen seiner Ähnlichkeit zu seinem grossen Landsmann – ist seit Jahren Pfarrer von Entumbane und erster Oberer der Kapuziner in Simbabwe, die heute in vier verschiedenen Diözesen im Land wirken.

Wie kam es dazu?

In den europäischen und nordamerikanischen Provinzen des Ordens gingen die Ordensberufe seit Anfang der 70-er Jahre so stark zurück, dass kaum mehr neue Missionare in andere Kontinente auszogen. Andererseits wuchs der Orden im indischen Subkontinent seit den 50-er Jahren sehr erfreulich. So beschloss die Generalleitung des Ordens 1986, drei blühenden indischen Provinzen missionarische Aufgaben ausserhalb Indiens anzuvertrauen. Sie sollten in Afrika in den Dienst der Lokalkirchen treten und in Uganda, Malawi und Simbabwe das Ideal brüderlicher Gemeinschaft vorleben und den Kapuzinerorden einpflanzen.

Neue Akzente

Früher stand bei der Missionsarbeit die Evangelisierung im Vordergrund, die Verkündung der Frohbotschaft von der Erlösung, Sakramentenspendung und Errichtung der kirchlichen Struktur. Jetzt werden die Akzente anders gesetzt: als Brüderschaft leben, den Orden aufbauen und durch das Ordens-Charisma die Lokalkirche bereichern.

Eine andere Neuheit: Da die indischen Kapuziner nicht auf finanzielle Hilfe aus ihrer eigenen Heimat rechnen können, übernimmt die Generalkurie in Solidarität mit den Ordensprovinzen der nördlichen Hemisphäre (wo es kaum mehr Leute, aber – vorläufig noch – Wohltäter und Geld gibt) die finanzielle Verantwortung für die neuen missionarischen Unternehmungen, vor allem für die Ausbildung des einheimischen Nachwuchses und entwicklungsbezogene Projekte.

Aus Tamil Nadu

1989 war es soweit, die ersten drei Kapuziner aus dem südindischen Tamil Nadu wurden in Simbabwe in der Erzdiözese Bulawayo willkommen geheissen. In regelmässigen Abständen kamen immer wieder zwei oder drei weitere dazu, meist junge Priester. Sie mussten nicht von Grund auf neu anfangen, die katholische Kirche war im Land und in Bulawayo seit über 100 Jahren präsent. Die Jesuiten und die Marianhiller Missionare hatten als Pioniere ein solides Fundament gelegt. 1938 kamen die Schweizer Bethlehem Missionare dazu, die in ihren guten Zeiten über 100 Mann im Einsatz hatten.

„Weltpriester im Ordensgewand“

Bei einer Versammlung mit den 15 indischen und den ersten beiden einheimischen Kapuzinern und dem anschliessenden Mittagessen, an dem auch die beiden Erzbischöfe teilnahmen, konnte ich sehr unterschiedliche Erwartungen feststellen und auch selber einige kritische Fragen anbringen.

Bischöfe sehen Ordensleute fast immer als willkommenes zusätzliches Personal, damit sie alle Pfarreien mit Priestern besetzen und im Wachstum begriffene Aussenstationen zu Pfarreien erheben können. Das hat zur Folge, dass meistens nur zwei, höchstens drei Kapuziner am gleichen Ort leben und fast ganz in der Pfarreiarbeit aufgehen. Sehr oft laufen sie Gefahr, Weltpriester im Ordensgewand zu werden.

Es liegt an den Ordensobern, den ordenseigenen Charakter unserer Lebensweise (Gemeinschaftsleben, Betonung des Gebetes, Verrichtung der häuslichen Dienste, Verbundenheit mit dem Orden) und unserer Arbeit (Teamarbeit, Einfachheit bei der Wahl der Arbeitsmittel, Einsatz für die Benachteiligten und Vernachlässigten, Akzent auf Berufepastoral und Ausbildung des Ordensnachwuchses) zu fördern.

Befristete Einsätze

Die jungen indischen Mitbrüder haben ihre eigenen Vorstellungen von ihrer Sendung. Viele denken zum voraus an einen befristeten Einsatz, drei oder maximal fünf Jahre; eine willkommene Abwechslung nach den langen Jahren der Ausbildung im fest umrissenen und eng begrenzten Milieu ihres Herkunftsortes, eine Mischung von Freiheitlichkeit und Abenteuerlust.

Sie kommen ins Land und beginnen das Studium der Sprache: in Bulawayo ist es Ndebele, das wegen seiner Klicks und Tonalität ziemlich schwer zu erlernen ist. Dann beschäftigen sie sich etwas mit Geschichte und Brauchtum, vorwiegend theoretisch. Sie zeigen wenig Interesse, bei einem erfahrenen Missionar oder einheimischen Priester eine Lehrzeit zu verbringen (was natürlich mehr Anpassung verlangt als wenn sie unter sich sind, nach indischer Art essen, beten und ihre Freizeit verbringen).

Denn sie sind erfolgsorientiert, möchten möglichst schnell aktiv werden und am liebsten eine Pfarrei übernehmen oder gar eine neue Pfarrei gründen, mit einem Auto zu ihrer Verfügung und gewissen finanziellen Mitteln für ihre Arbeit. Stürmische Ungeduld und Überforderung führen leicht zu Enttäuschung und in einzelnen Fällen gar zur vorzeitigen Rückkehr in die Heimat.

Kritische Anfragen

Ich anerkenne den grossen Einsatz der 15 indischen Kapuziner (von ihnen sind nur zwei mehr als fünf Jahre im Land), ihren Opfergeist und ihre Unternehmensfreude, erlaube mir aber auch einige kritische Anfragen: 15 Mann sind auf 7 Niederlassungen verteilt. Diese Entwicklung entsprang dem Bedürfnis, im Hinblick auf die Rekrutierung von Ordensberufen möglichst in verschiedenen Teilen des Landes präsent zu sein. Sie stellt sicher auch die Bischöfe sowie die zum Individualismus neigenden Missionare zufrieden, steht aber im Gegensatz zum erklärten Ziel des Lebens in Fraternität.

Kulturelle Integration

Eine gute Kenntnis der Lokalsprache ist eine unabdingbare Notwendigkeit. Ihre Erlernung kostet Mühe und braucht Zeit. Ein Sprachkurs kann eine gute Grundlage vermitteln, muss aber gefolgt sein von einer längeren Zeitspanne der Immersion, der praktischen Einübung der Sprache im entsprechenden Milieu. Einige sprechen die Lokalsprache sehr gut und fühlen sich verwurzelt. Andere scheuen die Mühe (verständlich, wenn sie an einen befristeten Einsatz von wenigen Jahren denken und lieber etwas leisten möchten). Die Erlernung der Sprache ist der erste und wichtigste Schritt der Aneignung einer fremden Kultur. Schwieriger ist die Aneignung anderer Denkprozesse und rechten Verhaltensweisen in verschiedenen Lebenslagen und in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Nur wenn uns dieser zweite Schritt gelingt, dürfen wir junge Leute zu uns zum Mitleben einladen und sie in das Ordensleben einführen.

Nachwuchs für den Orden

Durch Jugendarbeit in den Pfarreien und Kontakte mit Schülern und Gruppen finden junge Leute den Weg in den Orden. Am Computer werden Streuprospekte, Rundbriefe und kleine Korrespondenzkurse gestaltet. Drei junge Leute von Simbabwe haben bereits als Kapuziner Profess abgelegt. Weitere befinden sich in der Vorbereitung als Novizen und Postulanten.

Die Ordensgebiete in Ost- und Südafrika bieten ihre Unterstützung an für die Ausbildung der jungen Kapuziner von Simbabwe. Nach einer ersten Einführung im Land machen sie in Tansania oder Uganda das Noviziat, studieren Philosophie in Sambia, Theologie vorläufig in Tansania oder gehen für ihre berufliche Weiterbildung nach Südafrika.

Der springende Punkt ist aber nicht das Ausbildungsprogramm in verschiedenen Ländern, sondern das Zusammenleben in den kleinen Gemeinschaften. Dort entscheidet es sich, ob es uns gelingt, einander als Brüder anzunehmen und, trotz unserer Verschiedenheiten, miteinander das Leben zu gestalten nach dem Modell von Franziskus.

Hohes Ideal

Das verlangt von beiden Seiten, Missionaren und Einheimischen, viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Kompromissbereitschaft. Der Gebrauch des Englischen als ordensinterne Umgangssprache löst dieses Problem nicht. Die Aneignung einer fremden Sprache und ihrer Kultur ist für den heutigen Missionar vielleicht wichtiger als früher. Denn wir haben das erklärte Ziel, mit jungen Leuten aus Simbabwe in Gemeinschaft als Kapuziner zu leben und zu arbeiten. Das ist ein hohes Ideal, das immer nur bruchstückhaft umgesetzt werden kann.

Gandolf Wild, Rom

 

ite1999-5

Afrika - der vergessene Kontinent

ite 1999/5

Wie ein Kontinent verachtet wird
Tansania: Insel des Friedens
Vom Süden in den Süden