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Der erste Afrikaner, den ich gesehen habe, trat anfangs der 50er-Jahre in einem Schweizer Zirkus auf, unter der Bezeichnung „Der schwarze Teufel auf Rollschuhen“. Die Älteren unter uns haben Menschen aus Afrika vielleicht noch in Völkerschauen als Ausstellungs-Objekte gesehen. Denn: „Unsere schwarzen afrikanischen Mitmenschen wurden bisweilen als Wesen zwischen Tier und Mensch angesiedelt. So hat der österreichische Maler Otto Rudolf Schatz noch um 1929 vor einer Praterbude in Wien drei Schwarze gesehen, die dort von einem Schausteller dem Publikum gegen Entgelt gezeigt wurden. Dabei war die schwarze Dame oben ohne – für eine Weisse damals undenkbar.“ (Jochen Collin)

„Die da unten“

Beides, die Kennzeichnung als „Teufel“ oder die Behandlung als halbe Tiere, sind Hinweise darauf, wie wenig ernst die Afrikaner bis vor kurzem genommen wurden. Wir Weissen fühlten uns denen dort „unten“ (!) überlegen. Selbst die grössten Geister der westlichen Kultur waren nicht fähig, ihre Vorurteile gegen Menschen anderer Kulturen abzulegen. So schrieb beispielsweise der Philosoph Immanuel Kant: „Die Negers von Afrika haben von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege.“

Ganz ähnliche Aburteilungen liessen sich zuhauf in Bezug auf die Indios Lateinamerikas und die Ureinwohner Nordamerikas anführen. Die angeblich so hochstehenden Europäer waren blind gegenüber den Werten, die sie in Afrika und Amerika fanden. Erst seit kurzem werden wir uns im „Westen“ bewusst, dass in andern Kulturen Verhaltensweisen gelebt werden, die wir nur mit Mühe wieder gewinnen können. Dazu gehören etwa der sorgsame Umgang mit den Gütern der Schöpfung oder die Verantwortung füreinander.

Faul?

Trotz allem halten sich gewisse Vorurteile nach wie vor hartnäckig, so die Meinung, die Afrikaner seien faul. Mitteleuropäer, die bei knapp 30 Grad Wärme völlig schlapp machen, können sich nicht vorstellen, dass jemand bei über 40 Grad Hitze vielleicht nicht mehr eine grosse Dynamik zu entwickeln vermag.

Betreffs „Faulheit“ kommen mir zwei Szenen in den Sinn, die ich bei Besuchen in Afrika erlebt habe. Die erste: Vor fünf Uhr früh werden wir auf den Flughafen von Kinshasa gefahren. Unzählige Frauen und Männer kommen uns zu Fuss entgegen. Wer weiss, wann sie zu Hause aufgebrochen sind, um rechtzeitig ihre Arbeit in der Stadt anzutreten?

In Tansania sah ich am Rande der Überlandstrasse unzählige Frauen und Männer, die unter Bäumen vor sich hin dösten. Das Cliché des „faulen Afrikaners“ erwachte in mir. Doch dann erinnerte ich mich, wie man mir kurz vorher erzählte, dass die Bauern schon vor Sonnenaufgang auf ihre Felder gehen, damit sie die schwerste Arbeit nicht unter der prallen Sonne verrichten müssen. Was ich sah, war also eine wohlverdiente Siesta.

Am Anfang Gleichberechtigung

Wer auf die Beziehungen zwischen Europa und Afrika zurückschaut, entdeckt eine lange Reihe von Tragödien. Dabei hatte alles ganz gut angefangen. Bereits 1482 kamen die Portugiesen im Königreich Kongo an, das damals schon seit über zwei Jahrhunderten bestanden hatte. Die Europäer bewunderten die Pracht und die wohl geordneten Verhältnisse des afrikanischen Landes. Portugal und dann auch der Vatikan nahmen zum Kongo auf gleicher Ebene diplomatische Beziehungen auf. Schon bald wurde der erste schwarze Bischof geweiht, ein Königssohn, der an portugiesischen Hochschulen studiert hatte.

Sklaverei und Kolonialismus

Kaum vorstellbar, wie die Welt heute aussehen würde, wenn weiterhin gegenseitige Hochachtung und nicht die Verachtung der „Wilden“ das Verhältnis zu den andern Kulturen geprägt hätte! Doch es kam die Zeit der Sklaverei, in der gerade die besten und stärksten Einwohner und Einwohnerinnen Afrikas verschleppt oder umgebracht wurden. Das soziale Gefüge weiter Landstriche kam dadurch aus dem Gleichgewicht. Dann kam die Zeit der Kolonien. Für die meisten Länder ging sie um 1960 zu Ende. Ausgerechnet die portugiesisch dominierten Länder mussten bis Mitte der 70-er Jahre auf die Befreiung warten. In Südafrika ging die Fremdherrschaft erst in unserem Jahrzehnt zu Ende.

Willkürliche Grenzen

Mit dem Ende des Kolonialismus, auf den wir hier nicht näher eingehen können, waren die Probleme noch keineswegs aus Afrika geschafft. Ein wichtiger Grund waren die Grenzen, die 1884/5 auf der Berliner „Kongo-Konferenz“ gezogen wurden. Politiker, die vom Kontinent keine Ahnung hatten, schufen buchstäblich mit dem Lineal Staatsgrenzen. Völker (wir Europäer sagen verächtlich „Stämme“!), die nicht zusammen passten, wurden gezwungen, gemeinsam in einem Staat zu leben. Andere Völker wurden willkürlich auf drei oder vier Staaten aufgeteilt. „Was zusammengehörte, wurde getrennt. Was nicht zusammengehörte, wurde zusammengezwungen.“ (Jochen Collin)

Politische Unordnungen

Als die Kolonialmächte gezwungen wurden, sich aus Afrika zurückzuziehen, hinterliessen sie dem Kontinent ungeeignete politische Ordnungen. Ob die neuen Verfassungen etwas taugen würden, interessierte niemanden. „Als vordringliche Aufgabe galt, die Wirtschaftsgeschäfte mit Afrika ungestört weiter laufen zu lassen.“ Franz Ansprenger, der an der Freien Universität Berlin 30 Jahre sich im Rahmen der Politischen Wissenschaften mit Afrika beschäftigte, kommt zu diesem vernichtenden Urteil.

Ansprenger schreibt weiter: „Der Westen fand sich schnell und elegant mit afrikanischen Einparteienregimen, mit persönlicher Herrschaft, mit autoritären Militärregimen ab.“ Der Professor bemerkt, 1979 hätten französischen Eingreiftruppen „den absolut nicht mehr vorzeigbaren“ Kaiser Bokassa von Zentralafrika gestürzt und bei dieser Gelegenheit gleich den „Nachfolge-Diktator“ mitgebracht.

Runde Tische

Nach 1990 wehte in Afrika der „Wind der Demokratie“. Es entstanden Runde Tische in der Gestalt von Nationalkonferenzen. In mehreren Ländern spielten dabei die Kirchen eine vermittelnde Rolle. Inzwischen gab es viele Rückschläge. Es herrscht darum im Norden „Afro-Pessimismus“ (Franz Ansprenger). Ist er ein Zeichen dafür, dass wir den Afrikanern nicht zutrauen, ein besseres Afrika zu schaffen?

Walter Ludin

ite1999-5

Afrika - der vergessene Kontinent

ite 1999/5

Wie ein Kontinent verachtet wird
Tansania: Insel des Friedens
Vom Süden in den Süden