Für das kleine Dorf San José Nueva Esperanza in Guatemala war der Zuname (Spanisch für «Neue Hoffnung») kein gutes Omen: Die Hoffnung auf ein besseres Leben wohnt nicht mehr hier. Von der Schule und vielen Häusern stehen in San José Nueva Esperanza nur noch die Mauern. Einzig die Kirche behielt ihr Dach. Doch der Altar ist zerstört. Trotzdem hoffen die einstigen Bewohnerinnen und Bewohner, dass sie eines Tages in ihr Dorf zurückkehren.

Die Kirche ist das einzige Grundstück, das nicht verkauft wurde. Keine 50 Meter neben ihr klafft der Krater der Gold- und Silbermine Marlin von San Marcos. Unten schieben Bulldozer unaufhörlich Gesteinsmaterial hin und her. Die Kirche verhinderte bislang, dass die kanadische Goldcorp den ganzen Hügel abtrug.

Wie eine leibliche Mutter

«Die Mine verletzt unsere Mutter», sagt die 38-jährige Carmen M. . Weil es immer wieder Morddrohungen und auch einen Toten gab, bleibt ihr richtiger Namen ungenannt. In einem Hinterzimmer der nahen Pfarrei San Miguel Ixtahuacán trifft sie sich mit anderen Pfarreimitgliedern, die sich gegen die Mine wehren.

Die Maya bezeichnen die Erde als ihre Mutter. In ihrer Spiritualität ist Mutter Erde der leiblichen Mutter gleichgestellt: Mutter Erde schenkt das Leben.

Menschen ohne Gewissen

Bevor ein Maya sein Feld bestellt, fragt er Mutter Erde um Erlaubnis. Für eine Kultur, in der das Pflanzen eines Samens bereits eine Verletzung des mütterlichen Leibs bedeutet, lässt sich das Leid kaum ermessen, das eine Tagbaumine mit ihren Kratern anrichtet.

«Diese Menschen sind ohne Gewissen», sagt der 22-jährige Felipe R.: «Sie kommen einzig wegen wirtschaftlichen Interessen hierher. Sie denken nicht an die Menschen, die hier leben.» Und er ergänzt: «Wenn ich mich nicht gegen die Mine wehre, ist das wie wenn ich sagen würde: Da hast Du meine Mutter, du kannst mit ihr tun und lassen, was immer du willst.»

Verschmutztes Wasser

Die Mine hat das Leben in den Dörfern verändert. Das Wasser ist verschmutzt, viele Felder sind nicht mehr zugänglich. Vor allem Kinder leiden. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission beklagt, dass die indigene Bevölkerung vorgängig nicht konsultiert wurde. Sie forderte die Schliessung der Mine. Das Unternehmen versucht die Bevölkerung mit Geschenken zu manipulieren. Einige Gemeinschaften sind gespalten. Der Riss geht quer durch die Familien.

Carmen M. und ihre Kollegen aus der Pfarrei San Miguel engagieren sich für sauberes Wasser und einen Ersatz für das Land, das durch die Mine genutzt wird. Unterstützt werden sie von Qajb’al Q’ij, einer Partnerorganisation von Fastenopfer mit Rechtshilfe, Weiterbildung und methodischer Begleitung.

Der Projektleiter und Jesuit Vico Castillo González erklärt: «Das Projekt ist nicht der Widerstand. Es geht darum, den Menschen Instrumente zu geben, damit sie sich für ihre Rechte einsetzen können. Sie selber wenden diese an.»

Patricio Frei


So hilft Fastenopfer

Fastenopfer bildet in Guatemala Führungskräfte der indigenen Mayas zu theologischen, sozialen und kulturellen Themen weiter. Auf der Grundlage eines Glaubens, der ihre kulturellen Traditionen berücksichtigt, werden sie in ihrem Engagement unterstützt.


So helfen Sie

Unterstützen Sie die Indigenen in Guatemala in ihrem Kampf für ihre Rechte und spenden Sie auf Postkonto PC 60-19191-7

Ende September 2015: In der Region des Kupferbergbauprojekts Las Bambas im südlichen Hochland Perus protestieren rund 10’000 Personen, vorallem Bauern und Bäuerinnen der Umgebung. Sie stellen unter anderem die Forderung, dass man sie informiert über die Veränderungen des Projekts nach dem Verkauf an eine chinesische Firma durch GlencoreXstrata, Baar.

Die Situation eskalierte nach dem Einsatz von Polizei und Armee. Die Folge waren drei Tote und einige Verletzte, alle mit Schussverletzungen, sowie Verhaftete.

Behauptungen ohne Beweise

In einer der grössten Zeitungen des Landes war danach zu lesen und im Fernsehen wurde dasselbe wiederholt: Die Nichtregierungsorganisation X stehe hinter dem Streik. Sie hätte ihn seit zwei Jahren organisiert und die Bevölkerung gegen die Mine aufgehetzt. Namentlich erwähnt als einer der Drahtzieher wurde u.a. Marco Arana, Bergbaukritiker und Gründer der Partei Tierra y Libertad, der durch die Verteidigung der Menschenrechte und der Umwelt in der Region der Goldmine Yanacocha  bekannt wurde. (Dieses Engagement hatte zur Folge, dass sein Bischof ihm den Auftrag als Priester seiner Pfarrei entzog).

Es gibt keine fundierten Beweise. Doch Marco Arana muss mit den Verdächtigungen und den Anklagen leben wie viele andere KrititerInnen auch. Sie wiederholen sich so oft wie die Konflikte selbst. Doch beginnen wir weiter vorne.

Was vorher geschah

Nach jahrelangen Protesten und einem Referendum zog sich im Jahr 2004 die kanadische Firma Manhattan von Tambogrande an der Nordküste Perus zurück. Gold, Silber und Zink hätten abgebaut werden sollen und dafür das Land von 8’000 Pächtern enteignet sowie 25’000 BewohnerInnen der Stadt umgesiedelt werden.

Mit dem Slogan «ohne Limetten gibt es kein Ceviche/nationales Fischgericht» gelang es, dass 97% der Bevölkerung dem Goldabbau eine Abfuhr erteilte.

Es war das erste Mal, dass ein grosses Bergbauprojekt in Peru von der betroffenen Bevölkerung gestoppt wurde. Denn Tambogrande gilt als eines der fruchtbarsten Täler Perus. Nach jahrelanger Aufbauarbeit und grossen Investitionen wachsen auf den Feldern Mangos, Limetten, Avocados, auch für den Export. Die Bauernfamilien können davon gut leben. All dies wäre mit dem Goldabbau zerstört worden. Doch das schien den peruanischen Staat nicht zu kümmern, hatte er doch 1997 die Rechte zum Abbau auf 175’000 ha erteilt.

Produkte für den fairen Handel

Bereits 2007 organisierten die lokalen Behörden rund um das Kupferabbauprojekt Majaz/Rio Blanco eine neue Abstimmung. Die Konzession der Mine in der Untersuchungsphase umfasst 6’473 ha. Sie gehörte der englischen Montericometals, welche sie noch 2007 an die chinesische Firma Zijin verkaufte. Die Mine befindet sich in einem ökologisch wertvollen Gebiet, in dem die Bauern u.a. Kaffee für den fairen Handel anbauen. Die Bevölkerung befürchtet die Verschmutzung des Wassers und des Bodens, sodass ihre landwirtschaftliche Produktion und damit ihre Existenz gefährdet wären.

Im Vorfeld der Abstimmung entfachten Vertreter der nationalen Regierung und Befürworter des Bergbaues eine unglaubliche Hetzkampagne gegen die Abstimmung. Das Resultat werde nicht verbindlich sein; die lokalen Behörden hätten nicht die Kompetenz, die Abstimmung durchzuführen; die unterstützenden Organisationen würden vom Ausland finanziert; und überhaupt, alle seien Terroristen  und Kommunisten! Ein Vorwurf, der in Peru lebensgefährlich sein kann …

Mehr als 90% der Stimmenden (über die Hälfte aller Stimmberechtigten) sagten Nein zur geplanten Mine. Das Projekt ist praktisch blockiert, obwohl weder die Konzessionäre noch die Firma sich zurückgezogen haben.

Vier Bergseen zerstören

Conga ist zu einem weiteren Symbol des Widerstands gegen Bergbauprojekte in Peru geworden. Unter dem Slogan «agua si, oro no/Wasser ja, Gold nein» protestiert die Bevölkerung seit 2010 gegen diese Erweiterungsprojekt der Firma Yanacocha. Yanacocha baut seit 1993 Gold im nördlichen Departement Cajamarca ab, wovon ein grosser Teil in die Schweiz exportiert wird.

Mit der Mine Conga sollen vier Bergseen und damit das ganze Ökosystem zerstört werden, einerseits für den Goldabbau und andererseits für die Deponie der Abfälle und Schlacken. Als Ersatz sind Wasserreservoirs geplant, die jedoch in privatem Besitz der Firma sein werden. Wochenlang bewachten die umliegenden Bauerngemeinschaften die Seen, um sie zu schützen. Máxima Acuña Chaupe, die Bäuerin die neben dem See ihr Grundstück besitzt, wehrt sich standhaft gegen die Vertreibung, trotz Drohungen, Anklagen und dem Bau eines Zauns entlang ihrem Grundstück, das sie einzuschliessen droht.

Versprechen

Die Liste könnte noch weitergeführt werden. Realität ist, dass Bergbauprojekte die Bevölkerung spalten in BefürworterInnen und GegnerInnen. Die Firmen treiben diese Spaltungen meist aktiv voran, mit dem gezielten Angebot von Arbeit an Leitungspersonen, durch Korruption usw.

Die BefürworterInnen verteidigen den Bergbau, weil er Arbeit, Einnahmen und Entwicklung bringe in oft weit abgelegene und von Armut gezeichnete Berggebiete. Welcher Jugendliche möchte nicht ein Motorrad haben oder eine Arbeit, die ihm eine bessere Zukunft verspricht als Subsistenzbauer zu sein? Wie diese «Entwicklung» dann aussehen könnte, damit sie sich nicht in isolierten Kleinprojekten wie dem Bau eines Gemeinschaftsraums erschöpft, ist kaum ein Thema.

Zerstörung der Umwelt

Die GegnerInnen der Minen jedoch befürchten die Zerstörung der Umwelt und damit ihrer Lebensgrundlagen, den Staub, die Boden- und Wasserverschmutzung, die Wasserknappheit. Zudem bedeuten Bergbauprojekte auch grosse soziale Veränderungen mit Arbeitern, die von ausserhalb kommen, mit dem Bau von Restaurants und Hotels, Diskotheken, steigenden Preisen, Veränderung von Werten usw. Es profitieren jene, welche diese sehr schnellen Veränderungen nutzen können und oft von ausserhalb der direkt betroffenen Region kommen. Und es gibt viele, die leer ausgehen und auf der Zuschauerbank bleiben (müssen), weil sie nicht zur «direkten Einflusszone» der Mine gehören, bzw. der industrielle Bergbau nur sehr wenig Arbeitsplätze schafft.

So ist es nicht verwunderlich, dass es neben dem formellen industriellen Bergbau auch den klein- und handwerklichen Bergbau gibt, in dem Hunderttausende ihr Glück und Einkommen suchen – mit nicht weniger schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und die Gesundheit  wie die mehrfach erhöhten Quecksilberwerte im Blut der Betroffenen zeigen.

Susanna Anderegg

http://www.bergbau-menschen-rechte.ch


Was können wir von der Schweiz her tun?

1. Bewusst einkaufen … ist eine tägliche Übung …

2. sich vernetzen und engagieren

3. Politisch Einfluss nehmen

z.B. Konzernverantwortungsinitiative KOVI: Siehe in diesem ite S. 16 – 19.

4. Druck ausüben auf Firmen

5. finanzielle Unterstützung von Organisationen, die sich engagieren


Peru: Wirtschaftliche Daten

Wirtschaftswachstum: 2015: 2-3%, in den vorhergehenden Jahren: 6-9%. Dieses zeigt sich vor allem in Lima, an der Küste und in den grossen Städten.

Anteil des Bergbaus am Export: 55-65%; an den staatlichen Einnahmen:
2011: 33,3%. 2012: 25,7%, 2014: 14,7%.

Staatliche Ausgaben für Bildung und Gesundheit: je 3% pro Jahr


Abbau Bodenschätze in Peru

Silber(1)*, Kupfer(2)*, Zinn(3)*, Blei(4)*, Molybdän(4)*, Gold(6)*

* weltweite Produktionsrangliste

50 Bergbauprojekte geplant mit einer Investition von mehr als 53 Mrd. USD, mehr als 1/5 der Landfläche Perus ist konzessioniert


Konflikte

  • Mai 2015: Von 143 Umwelt- und sozialen Konflikten betrafen 95 den Bergbau (66 %), 21 die  Öl- und Gasförderung (Quelle: Defensoria del Pueblo)
  • Kriminalisierung der KritikerInnen

Verbindungen zur Schweiz

50% des in Peru abgebauten Goldes wird in die Schweiz exportiert/GlencoreXstrata, Baar.

 

 

 

 

Lieber Thomas Wallimann, erstaunt war ich heute Morgen, als ich in der Zeitung las, wie viele Schweizer Unternehmen, oft durch eigene Unterfirmen, im Ausland Bestechungsgelder bezahlen. Vor allem Regierungen als auch Staatsbeamte scheinen sich einiges damit zu verdienen. Wieso machen Schweizer Unternehmen in solchen Geschäftspraktiken mit?

Unternehmen wissen häufig recht genau, wie solche Mechanismen ablaufen. Während die einen vielleicht die Tatsache unterschätzen, dass andernorts fremde Kulturen und andere Kontexte den Markt bestimmen, wissen die meisten nicht, wie sie mit solchen Phänomenen umgehen sollen. Der einfachste Ausweg sehen sie dann darin zu sagen, dass es sich um «Sachzwänge» handelt.

Aber wie bringt man solches Tun mit unserer Schweizer Mentalität in Zusammenhang? In der Betriebswirtschaft wurde mir beispielsweise nie gesagt wie man Bestechungsgelder bezahlen soll und in den Ferien widerstreben mir solche Forderungen.

Es ist wie häufig bei ethischen Fragestellungen. Wird ein Verhalten als Sachzwang bezeichnet, hört für viele das Weiterdenken auf. Man kann ja eh nichts machen – denkt und sagt man. Lässt man sich aber auf die Frage ein, dann wird es schnell kompliziert. Dann fehlen häufig die Zeit und das Wissen, den Kontext, fremde Kulturen oder auch andere Geschäftsgewohnheiten kennenzulernen und für den eigenen Geschäftsgang richtig einzuschätzen.

Ist Geschäft nicht einfach Geschäft in einer globalen Wirtschaft?

Das sagt möglicherweise die eine Wirtschaftslehre. Eine andere sieht es differenzierter. Wirtschaften ist eben nicht angewandte Mathematik und auch keine Naturwissenschaft oder reiner Markt, Wettbewerb oder Wachstum. Viel mehr geht es um Abwägungen und darum auch um ethische Entscheidungen. Und so ist es dann auch mit sog. Bestechungsgeldern: Am einen Ort sind es eindeutig Bereicherungen einer kleinen Schicht zum Nachteil vieler, am andern Ort können es «normale» Lohnbestandteile sein. Die grosse Herausforderung für Unternehmen besteht darin, in solchen Fällen den Kontext zu sehen, Alternativen zu suchen und dann Entscheide zu fällen.

Gibt es ähnliche Phänomene in der Wirtschaftswelt?

Ja, wir können die Kinderarbeit nehmen. Grundsätzlich ist Kinderarbeit kein Weg und auch nicht erlaubt. Doch die Kontexte sind sehr unterschiedlich. Für ein Unternehmen kann dies z.B. bedeuten, dass es einerseits darum weiss, dass Kinder in der Produktion mitbeteiligt sind – auch weil dies für die Familien überlebensnotwendig ist. Doch das Unternehmen investiert in Bildung, Gesundheitsförderung oder ähnliches vor Ort, um die Verhältnisse für die Menschen und im Dienste der Menschen vor Ort zu verbessern.

Die Kampagne von Fastenopfer und Brot für alle, sowie anderer Hilfswerke hat nun mit der Konzernverantwortungsinitiative das Thema aufgegriffen. Oft hört man jedoch, die Kirche und ihre Hilfswerke sollen sich um ihre eigenen Aufgaben kümmern. Was hat der Glaube in der Politik verloren?

Grundsätzlich ist christlicher Glaube ein Glaube, der in dieser, unserer Welt stattfindet. Mit der Tatsache von Weihnachten, dem Menschwerden Gottes wissen wir Christen und Christinnen, dass unser Glaube handfest mit unserem Alltag zu tun hat. Mit Blick auf Jesus von Nazareth zeigt sich deutlich, dass vor allem der Umgang mit den Armen für unser Leben von grosser Bedeutung ist.

Wieso lindern nun kirchliche Hilfswerke nicht einfach die Not, sondern mischen sich direkt in die politische Diskussion ein? Ja, sie werden sogar mit einer Initiative politisch aktiv.

Kirchliche Entwicklungshilfe-Organisationen stellen bei ihren Hilfsprojekten fest, dass Armut in der Welt ganz klar auch eine politische Komponente hat. Materielle Armut, Bildungsarmut und so weiter stehen auch im Zusammenhang mit dem Handeln multinationaler Konzerne sowie der Schweiz und ihrem wirtschaftlichen Handeln. Manchmal zeigt sich ganz deutlich, dass multinationale Unternehmen – obwohl viele von ihnen das Gegenteil wollen – lokale Entwicklungen hemmen, ja sogar verunmöglichen. Oft geht es auch um die Zerstörung der Natur und so auch von Lebensgrundlagen in Ländern des Südens.

Internationale Konzerne weisen darauf hin, dass sie Devisen bringen und somit Lebensgrundlagen.

Entwicklungsorganisationen sehen vor Ort, dass es beispielsweise nicht reicht, den Menschen eine Flasche mit sauberem Wasser hinzustellen. Man muss darauf Einfluss nehmen, wie fremde Firmen mit dem Wasser umgehen, wie sie mit der Natur umgehen, und natürlich auch, wie sie mit lokalen Arbeiter und Arbeiterinnen umgehen, damit die Menschen langfristig auch da leben können. Ebenso stellen sich kritische Fragen, wo Gewinne versteuert werden und wie die Geschäfte aufgebaut sind.

Inwiefern schafft nun die Konzernverantwortungsinitiative eine neue rechtliche Situation?

Bisher galt für Unternehmen stets die rechtliche Situation vor Ort. Mit der Konzernverantwortungsinitiative können Schweizer Unternehmungen mit Handel im Ausland, auch in der Schweiz zur Rechenschaft gezogen werden. Gewisse Handlungsweisen werden in Ländern des Südens juristisch nicht verfolgt oder können nicht verfolgt werden, bei uns in der Schweiz wären diese aber ein Straftatbestand. Nun müssen Unternehmen in der Schweiz für ihr Handeln im Süden gerade stehen.

Ist im internationalen Wettbewerb die Konzernverantwortungsinitiative nicht ein grosser Marktnachteil für Schweizer Unternehmungen?

Ich sehe nicht so sehr Nachteile. Es ist nicht schlecht, eine weisse Weste zu haben. Es gibt heute schon Schweizer Firmen, die bei ihrem Wirtschaften Wertvorstellungen haben, die Rücksichtnahme auf Menschen und Umwelt zentral beinhalten, und diese auch weltweit (!) einhalten. Mit der Initiative schafft man da gleichlange Spiesse. Die Initiative soll die schwarzen Schafe dazu bringen auch so zu handeln, wie wir es erwarten.

In der Konzernverantwortungsinitiative geht es um Verantwortung. Was bedeutet für einen Sozialethiker «Verantwortung»?

«Verantwortung» macht Beziehungen sichtbar. Im Begriff selber steht das Wort «Antworten». Man kann also fragen, wer ist Verantwortungsträger oder -trägerin, also wer muss denn Antwort geben? Dann: wem gebe ich Antwort, wer ist meine Instanz. Auch stellt sich stets die Frage, für was trage ich Verantwortung. Denn ich trage diese nicht für alles! Und dann kommt noch der Massstab dazu, an dem die Antwort gemessen wird.

Und damit kommt Ethik also auch zu Bewertungen. Wo liegt diese hier vor?

Ja. Diese hängt eng mit der Instanz zusammen. Diese gibt mir den Bewertungsmassstab vor. Unterschiedliche Instanzen haben darum auch unterschiedliche Wertmassstäbe. Eine ökonomistische Verantwortung misst darum lediglich den Umsatz oder die Anzahl verkaufter Zahnbürsten. Wenn jedoch der Wertmassstab die Menschenrechte sind, dann ändert sich die Bewertung und wird schwieriger. Menschenrechte müssen dazu operalisiert werden, damit Menschen nicht in ihrer Würde verletzt werden.

Schlussendlich braucht Verantwortung auch eine Handlungs- und Gestaltungsfreiheit. Wenn ich unter Zwang handle, dann kann ich auch keine Verantwortung übernehmen.

Interview: Adrian Müller

http://www.adrianm.ch


 

Thomas Wallimann-Sasaki

Seit 1999 leitet er das Sozialinstitut der KAB in Zürich mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsethik und Gesellschaftsgestaltung aus christlicher Perspektive. Er unterrichtet Ethik an der Hochschule Luzern, an der KV Business School in Zürich sowie beim Studiengang Theologie. Er war zwölf Jahre Präsident der katholischen Kirchgemeinde Stansstad und ist seit 2014 Nidwaldner Landrat.