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Als Pilger und Gast auf Erden

«Der Weg ist das Ziel», sagen Pilgernde heute oft und gern. Stimmt dieses Motto? Gewiss bereitet es Freude, unterwegs zu sein, wenn der Weg schön ist und die Weggemeinschaft trägt. Jeder Pilgertag fordert und erfüllt mit seiner Wegstrecke. Dennoch liegt das Ziel nicht einfach im Unterwegssein. Pilgerwege sind immer auf ein Ziel ausgerichtet.

Besuch am Apostelgrab

Compostela, das «Sternenfeld» in Galizien, ist seit 1200 Jahren Zielpunkt für ein Netz von Wegen, die aus ganz Europa an das vermeintliche Grab des Apostels Jakobus führen. Um dieses ferne Ziel zu erreichen, haben sich Generationen von Pilgern für Monate aus Berufs- und Familienleben gelöst, Abenteuer und Gefahren auf sich genommen, unterwegs eine Schicksalsgemeinschaft geschlossen und Strapazen ausgehalten. Ohne das ersehnte Ziel hätte die Kraft unterwegs nachgelassen und der Mut zum Durchhalten gefehlt.

Ein zielloser Weg würde als Ziel nie ausreichen – und tut es auch für jene «Vagabunden» nicht, die Zygmunt Bauman von Pilgernden unterscheidet: «Menschen, die unterwegs sind, ohne zu wissen, wo sie landen werden, ankommen können und neu Fuss fassen im Leben. Auch für Entwurzelte, Flüchtlinge und Migrierende aller Art ist der Weg nicht das Ziel, sondern Schicksal und Zumutung, und vom ungewissen Ziel sprechen ihre Sehnsucht und ihre Träume.»

Ein Weg nach Innen

Franz von Assisi kennt verschiedene Arten des Unterwegsseins. Als junger Kaufmann reist er mit seinem Vater nach Frankreich, um modische Stoffe zu kaufen. Die Geschäftsreisen weiten seine Horizonte. Fasziniert von der Kultur der Provence, lernt er die Sprache und Poesie der Troubadours lieben. Ziel solcher Reisen sind Geschäfte, und für die Mühen entschädigen Vergnügungen, die sich reiche Kaufleute leisten können, heutigen Luxustouristen vergleichbar.

Religiös motiviert sind Wallfahrten, die von Assisi nach Rom führen. Allerdings garantiert keine Wallfahrt echte Gotteserfahrung, wie Franz später bekennt: Er hätte in all diesen Jahren gelebt, als ob es Gott nicht gäbe. Ritterträume lassen den jungen Modefachmann mit zwanzig auf einen Kriegszug gegen die Nachbarschaft Perugia ziehen, der prompt zum Debakel wird. Ein ehrgeizig begonnener Weg stürzt in den Abgrund und endet im Kerker. Erst nach zwei Jahren wieder hergestellt, erweist sich ein zweites militärisches Unternehmen als Flucht vor sich selbst.

Franziskus bricht die Expedition schon nach einem Tag ab, kehrt in seine Alltagswelt zurück und macht sich auf einen inneren Suchweg. Dieser führt an drei Orte im Umfeld Assisis, die je einen Durchbruch ermöglichen. Im verlassenen Klösterchen San Masseo findet der junge Kaufmann eine stille Krypta, die ihn zu sich selber führt. Im Aussätzigenhospiz San Lazzaro findet er zu einer Menschenliebe, die ihm «das Herz weckt». In der desolaten Landkirche San Damiano erwartet ihn ein überraschend naher, menschlicher und armer Christus.

Ein anderes Gottesbild

Die Stadt Assisi baut dem göttlichen Weltenherrscher eine Kathedrale. Ihr Portal zeigt ihn statisch über der Schöpfung thronend. Das machtvolle Gottesbild passt in eine Stadt, die sich über das Landvolk erhebt und Arme ausgrenzt, deren Bürger in Immobilien investieren, sich möglichst gut aufstellen und um einflussreiche Positionen kämpfen. Die Wege führen auf engem Raum nach oben und erstreben Karriere.

Franziskus entdeckt eine ganz andere Gegenwart Gottes: menschlich umarmt ihn der arme Christus von San Damiano auf einer Ikone in einer zerfallenen Landkirche. Nicht im Stadtzentrum, sondern draussen vor den Toren, nicht thronend, sondern ein Gefährte mit Gefährtinnen! Gottes Sohn, der sich auf unsere Welt eingelassen hat: nicht ziellos, nicht einfach, um mit uns Menschen unterwegs zu sein, sondern um uns zur Lebensfülle zu führen.

Das Ziel: Leben wie Jesus

Dabei wird bereits das göttliche Kind «am Weg geboren», wie Franz im Weihnachtspsalm ergriffen dichtet. Nach Jahren als Zimmermann in Nazareth bricht Jesus auf, um Gottes neue Zuwendung zur Welt – «das Reich Gottes» – in vielen Begegnungen spürbar zu machen. Er richtet Bedrückte auf, befreit Zwanghafte, heilt Kranke und führt Aussätzige ins Leben zurück. Er deutet den Weg Gottes mit seinem Volk neu, setzt prophetische Zeichen und sendet seine Jünger aus, um «Frieden in die Häuser und Dörfer zu bringen».

Drei leidenschaftliche Jahre unterwegs sprechen immer wieder von einem letzten Ziel: ein grosses Fest Gottes, ein Feiern ohne Ende, eine Gemeinschaft in der neuen Welt, von der niemand ausgeschlossen sein soll. Als Jesus mit etwas über 30 Jahren von den Mächtigen aus dem Weg geschafft wird, erinnert er seine Freunde beim letzten Mahl an das verheissene Fest: er trinke keinen Wein mehr, bis sie wieder vereint seien im Hause des Vaters.

Franziskus denkt weltweit

Ergriffen vom Weg des Gottessohnes mit uns Menschen steigt Franziskus aus, verlässt das familiäre Handelshaus mit seinen Immobilien, lässt das Gerangel um Positionen in der städtischen Gesellschaft hinter sich und wendet sich ab von Assisis statischem Gottesbild. Nach Jahren der Sinnsuche erkennt der Kaufmann seine neue Aufgabe in der Sendung der Jünger Jesu: den Frieden in die Welt zu tragen, Konflikte zu entschärfen, soziale Trennungen zu überbrücken, Ausgegrenzte in die Gemeinschaft zurückzubringen und prophetische Zeichen zu setzen, die aufleuchten lassen, wie die Evangelien sich die Welt menschlich und gottverbunden vorstellen.

Als Franziskus sieben Gefährten hat, teilt er sie in vier Gruppen auf. Je zwei Brüder ziehen nach Norden, Osten, Westen und Süden, damit sich der Auftrag des Auferstandenen erfülle und das Evangelium bis an die Grenzen der Erde verkündet werde. «Finisterre» liegt für Franziskus nicht nur an der spanischen Atlantikküste, sondern auch «jenseits der Meere»: im islamischen Afrika, in den Weiten Asiens und im Norden Schottlands, Fernziele, welche seine Brüder bereits vor 1250 erreichen.

Interessanterweise übernimmt Klara von Assisi das Pilgermotiv von Franziskus in ihre eigene Regel: «Pilgerinnen und Gäste auf Erden» sind auch ihre sesshaften Schwestern: innerlich unterwegs in eine Heimat, die jenseits dieser Schöpfung liegt.

Niklaus Kuster


 

«Christinnen und Christen leben in ihrem Vaterland, jedoch wie Pilgernde. Jede Nation ist ihnen Heimat, und jedes Vaterland ist ihnen ein fremdes Land».

Frühchristlicher Brief an Diognet.