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Das Ordensleben ist von Anfangan geprägt von einem starken Miteinander von Männern und Frauen bei der Suche nach einem Leben in der Nachfolge Jesu. Diese Gemeinsamkeit war aber nie so selbstverständlich, wenn es z.B. um die Ausbildung von Institutionen ging,in denen die Frau im gleichenMasse wie der Mann ihre Charismen im Raum der Kirche einbringen konnte.

An der Wende zum 13. Jahrhundert wurde das Zugehen auf dieWelt ein wesentliches Element des Ordenslebens. Doch für das weibliche Ordensleben vollzog sich dieÖffnung auf die Welt hin erst im 19. Jahrhundert.

Religiosität und Berufsarbeit

19. Jahrhundert: Kaum war der Höhepunkt der Französischen Revolution überschritten, setzte ein überraschender Aufschwung desOrdenslebens ein. Allein in der Zeit zwischen 1800 und 1899 entstanden 91 Kongregationen päpstlichen Rechts.

 Die katholische Geschichts­schreibung thematisiert diese Entwicklung unter dem Schlagwort «Ordensfrühling». Bei genauerem Hinsehen lässt sich feststellen, dass es sich um die Entstehung und rasche Ausbreitung von Frauenklöstern handelte. In den Jahren zwischen 1800 und 1880 sollen 100‘000 junge Frauen in französischen Noviziaten gewesen sein.Die religiöse Lebensform dieser neuen Gemeinschaften kann mit den beiden Ausdrücken «Religiosität und Arbeit» charakterisiert werden.

Es handelt sich erstens um eine religiös motivierte Lebensform. Alle Gemeinschaften entstanden aus dem gleichen Grundimpulsheraus: nämlich der sozialen, moralischen und geistigen Not der damaligen Zeit vom christlichen Glauben her zu wehren. Sie nahmen ihr Vorbild im Heilshandeln Jesu Christi.

Das zweite Kennwort dieser Gemeinschaften heisst Arbeit, Berufs­tätigkeit. Weibliche Tätigkeitsberei­che gewannen gesellschaftlicheBedeutung. Für die Übernahme dieser Aufgaben fehlten den öffentlichen Organen die Einrichtungen und geschultes Personal. Diese Lücke haben in katholischen Gebieten zu einem beträchtlichen Teil die Frauenkongregationen ausgefüllt. Weil sich ihre Arbeit zwischen Beruf und Barmherzigkeitansiedelte, brachte sie den Gemeinden auch finanzielle Vorteile. Die Kongregationsschwestern waren die ersten Unternehmerinnen. Sie riefen Tausende von karitativen und erzieherischen Unternehmungen ins Leben. Mit der katholischenKirche zusammen wollten die Frauen in den Kongregationen die christliche Weltordnung erhalten.

Das Ordensleben, das im 19. Jahrhundert neu aufbrach, war von einer grossen spirituellen Kraft beseelt. Aber im geistlichen Profil entwickelten die allermeisten Gründungen wenig Neues. Dies barg Konfliktstoff in sich, der im Lauf der Zeit immer häufiger Anlass zu Schwierigkeiten gab und in der Konzils- und Nachkonzilszeit brach der Konflikt aus.

Tiefgreifende Wandlungsprozesse

Bereits seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts kündigten sichtiefgreifende Wandlungsprozessean. Als erstes wurde über Nachwuchsmangel geklagt. Dieser führte in den 70er- und 80er-Jahren zu einer Überalterung der Gemeinschaften. Zugleich ging der Nachwuchs rapide zurück und versiegte teilweise. Durch den Mangel an eigenen Kräften wurden bereits ab den 50er-Jahren immer mehr weltliche MitarbeiterInnen nötig, was eine Bereicherung, aber auch eine starke finanzielle Belastung darstellte.

Die Frauenorden führten grosse soziale und pädagogische Werke. Diese mussten vielfach aufgegeben werden. Wo man sich für deren Erhalt entschied, wurden neue Rechts- und Trägerformen gesucht. Diese Prozesse brachten und bringen eine finanzielle Absicherung und sichern den strukturellen Zukunftsbestand.

Sie machen aber auch eine neue Professionalisierung und Managementkompetenz erforderlich. Ordensleute werden zu ManagerInnen. Zugleich kommen heute weltliche Mitarbeiterinnen zunehmend auf die Führungsebene.Was die Umstrukturierungsprozesse betrifft, empfinden jüngereMitglieder die Werke oft als Zeit-und Energiefresser. Sie suchen ehernach neuen Gemeinschaftsmodellen, mitten unter den Menschen.

Im Blick auf die zahlreichen Kri­senmomente der Gegenwart muss gefragt werden, ob den traditionellen Frauenkongregationen neues Leben eingeflösst werden kann. Es ist nicht klar, ob sie eine alternde Struktur einer vorkonziliären Kirche sind oder ob sie am prophetischen Zeugnis einer neuen Weltteilnehmen.

Aber in den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte finden sich auch positive Zeichen, die Hoff­nung geben. Die Zukunft des Ordenslebens, noch weniger die Zukunft der eigenen Gemeinschaftkann durch eigene Kraftanstren­gung gemacht werden. Der Wegder Erneuerung ist zunächst einspiritueller, kein reformerischer.

Bettlerinnen für eine neue Erfahrung Gottes

Papst Franziskus weist im Schreiben an die Ordensleute vom 21. November 2014 auf die Gründungender Gemeinschaften hin, die alle «aus dem Ruf des Geistes hervor­gegangen» sind, um «Christus nachzufolgen, wie es im Evangelium gelehrt wird». Deshalb heisst die erste Frage für Ordenschristen,ob sie sich «vom Evangelium hinterfragen lassen», ob «Jesus wirklich die erste und einzige Liebe ist».Deshalb sollten Ordenschristinnen zuerst Bettlerinnen um eine neue Erfahrung Gottes sein, artikuliert in einer neuen Erfahrung der Welt.

Kollektives Sendungsverständnis

Die Gemeinschaften der Kongregationen waren vor allem Dienstgemeinschaften, d.h. sie wurdengebildet, um eine Aufgabe zu erfüllen. Diese waren von grosser Bedeutung für die persönliche undkollektive Identität. Ihnen fehlte aber meist eine kohärente spirituelle Grundlage. Zwar übernahmen viele Frauengemeinschaften alteOrdensregeln. Doch wurde der lebendige Geist der Vorbilder nicht eingefangen. Die Rückwärtsorientierung zeigte sich auch darin, dass sie die monastische Tradition aufleben liessen. Das führte zu einer Zweiteilung des Lebens zwischenKloster und Tätigkeit.

Von dieser Situation her war in der Nachkonzilszeit eine Vertiefung des Sendungsverständnisses unumgänglich. Viele Gemeinschaften vergewisserten sich ihrer spirituellen Grundlage. Sie haben sich z.B. bemüht, ihre jesuitische, dominikanische oder franziskanische Spiritualität vertieft aufzunehmen. Die Bewegung, die sich heute in Gemeinschaften abzeichnet, kann ausgedrückt werden mit den Worten: Von einer gemeinsamen Sendung zu einer «Sendung in Gemeinschaft» (B. Hallensleben).Was heisst das?

Kollektive Kraft

Heute fällt es den Ordensgemeinschaften meist schwer, ihren Dienst als einen gemeinschaftlichen darzustellen. Denn von 1970 weg haben sich die apostolischen und sozialen Engagements der Schwestern verwandelt. Im Gegensatz zu früher treten Frauen heute meist mit fertigen Ausbildungen und Studien ein, die sie einsetzen wollen. Auch zeigt sich eine starkeTendenz zu pastoralen und theologischen Aufgaben.

Die heutige Krise kann nur dann überwunden werden, wenn die Gemeinschaft einer gemeinsamenSendung nachgeht, die aber kaum mehr in einem fest umrissenen Werk besteht. Es müssen neue Gemeinschaftsmodelle entwickelt werden, in denen heutige Vorstellungen von Gemeinschaftsleben,von Gebet und Dienste realisiert werden können: «Sendung in Gemeinschaft zu erneuern, heisst also auch, die kollektive Kraft, die das Ordensleben besitzt, zu erneuern. Die Orden sind Gemeinschaften, die gemeinsam die eine Sendungin den vielfältigen konkreten Sen­dungen verfolgen». (Ute Leimgru­ber)

Apostolischer Charakter

1966 sagte Alois Sustar, der damalige Regens des PriesterseminarsChur, an einem Generalkapitel in Ingenbohl in prophetischer Weise: In Zukunft werden sich die einen weiblichen Kongregationen stärker ins Kloster zurückziehen. Die anderen werden tiefer in die Welt eindringen.

So stellen wir heute fest, dass einzelne Gemeinschaften stärker das klösterlich-monastische beibehalten haben, dabei ihre Klöster als geistliche Orte gestalten. Andere Gruppen brechen auf in eine grössere Nähe zu den Menschen im Alltag: Sie wohnen unter einfachen Bedingungen in sozialen und religiösen Brennpunkten, meist inStädten.

Als wichtigstes Kriterium für dieWahl von Diensten hat sich in der Kirche in der Nachkonzilszeit die «Option für die Armen» herausgestellt. Sie wird sogar als einziger Weg der kollektiven Erneuerungbetrachtet. Die Armut hat seit eh und je viele Gesichter. Heute findet sich häufig geistliche Armut. Und unter den Armen dieser Welt sind Frauen die Ärmsten. Deshalb ist in vielen Gemeinschaften die Solidarität mit den Frauen von grosserBedeutung geworden.

Zoe Maria Isenring


Unsere Autorin

Die Ingenbohler Schwester Zoe Maria Isenring schrieb zum Thema dieses Artikels ihre Doktorarbeit und veröffentlichte sie unter dem Titel: «Die Frau in den apostolischtätigen Ordensgemeinschaften. Eine Lebensform am Ende oder an der Wende». Leider ist das Buch vergriffen.

Im Laufe der Kirchengeschichte gab es hervorragende Ordensleute, die prophetisch wirkten. Einige von ihnen verehren wir als Heilige. In den meisten Institutionen aber ging die prophetische Dimension des Ordenslebens leider schnell vergessen. Auch Klöster suchten Anteil an den Privilegien der Kirche. So war die Klostergemeinschaft von Einsiedeln im 15. Jh. in geistlicher Hinsicht in einem desolaten Zustand. Die drei Mönche waren an einem Wachstum der Gemeinschaft nicht interessiert. So konnten sie mehr vom Besitz profitieren. Darum liessen sie das Privileg, nur Hochadelige aufzunehmen, 1463 erfolgreich vom Papst bestätigen.

Von uns war in der grossen Krise der Kirche nichts zu erwarten, obwohl gerade wir dazu berufen gewesen wären. Wir setzten vor allem darauf, dass alles so bleibt, wie es ist.

Heute im Blick

Und heute? Die Kirche ist in einer Sackgasse – übrigens schon längere Zeit. Ob wir Ordensleute im Jahr des Ordenslebens neu zur Provokation in der Kirche werden? Das Denken vieler Getaufter ist immer noch geprägt von der konstantinischen Wende. Dem Systemdenken, das sich mit Erhalt beschäftigt, begegnen wir in Predigten, Artikeln, am Stammtisch und in Klöstern. Machtverlust wird als Glaubensverlust wahrgenommen. Die Zahl der Praktizierenden (damit sind fälschlicherweise immer noch die sonntäglichen Kirchenbesucher gemeint) wird für die Zahl der Gläubigen gehalten. Die Quantität wird für Qualität gehalten. So sagen Ordensleute beim Vorstellen ihrer Klostergemeinschaft, dass wir einmal so viele waren und heute «nur noch» so wenige. Selbstverständlich: Wir waren zahlreich. Wir waren mächtig. Aber waren wir prophetisch?

Auch heute noch werden wir ins System integriert.Wir übernehmen Aushilfen in Pfarreien, aber nicht als Ordensleute. Es könnte auch ein anderer kommen. Hauptsache, das System läuft weiter wie bisher. Gleichzeitig bricht vieles zusammen – auch in unseren Ge- meinschaften.

Wie reagieren wir? «Die Kirche hat schon viele Krisen überlebt.» – «Schuld sind die anderen.» – «Wir denken in Jahrhunderten.» Wenn die heiligen Ordensgründer so gedacht hätten … Wer in eine Sackgasse geraten ist, tut gut daran, nicht einfach zu warten, bis sich die ganze Umgebung verändert. Gefordert ist Umkehr.

Mehr als die Bereitschaft zur Umkehr breitet sich die Resignation aus, auch bei Ordensleuten. Im Blick darauf habe ich in den vergangenen Jahren verschiedene Publikationen veröffentlicht. Im Grusswort von Generalvikar Martin Kopp zu «Miteinander die Glut unter der Asche entdecken» heisst es – fünf Monate vor Papst Franziskus! – geradezu prophetisch:

«Das ist es wohl, was wir meinen, wenn wir von Neuevangelisierung reden: denen, die mit uns leben und oft so fern scheinen, das Evangelium eröffnen durch unser eigenes Leben, nennen wir es ruhig Zeugnis, sodass wir die Frohe Botschaft mit ihnen teilen. Und mitten im Teilen werden wir uns selber vom Evangelium neu formen lassen! Die Frage schliesst sich da freilich ganz nahe an: Leben wir nah genug bei den Menschen?

Leben und Evangelium teilen, kann › nur durch Nähe geschehen. So wollte es Franziskus im Mittelalter: in der Nähe zum Armen die Freude am Herrn finden, und so nicht mehr und nicht weniger tun als das Evangelium leben. Und ähnlich war es schon viel früher beim Vater auch der Einsiedler Mönche: bei Benedikt, der mitten in den Umbrüchen der Zeit den Weg des Evangeliums erschliessen wollte. Die Initiative heute bleibt die gleiche. Disziplin aber,neu eingeschärft, und Abgrenzungen, um einen verbliebenen Rest vermeintlich gesund zu erhalten, sind unbeholfen, wahrscheinlich kontraproduktiv. Das fleischgewordene Wort Gottes wirkt anders.»

Das Systemdenken in der Kirche ist nicht Glaube, sondern Zeitgeist aus vergangenen Jahrhunderten. Peinlich ist es,wenn gegen den modernen Zeitgeist gewettert wird, um am Zeitgeist früherer Jahrhunderte kleben zu bleiben.

Papst Franziskus im Blick

Seit März 2013 versucht Papst Franziskus uns vom Systemdenken wegzubringen. Nicht der Zeitgeist soll uns beunruhigen, sondern der Heilige Geist. Allerdings ist Franzis- kus dabei nach wie vor ein einsamer Rufer in der Wüste. In Pfarreien, Diözesen und Klostergemeinschaften ist davon noch wenig zu spüren.

Im Namen der Deutschschweizer Ordinarienkonferenz wird folgende Diagnose der Kirche in unserem Land gemacht: «Wer ganz zum christlichen Glauben steht, … der gehört in unserem Land einer Minderheit an. Und zur Diagnose gehört auch, dass man nicht einfach Stilfragen kirchlicher Verkündigung verantwortlich machen kann dafür, dass inzwischen für über zwei Drittel der Bevölkerung die Einmischung von Religionsgemeinschaften in ihre Lebensentscheidungen als unerwünscht gilt. Wenn wir uns fragen, wie wirheute als Kirche handeln sollen, muss diese doppelte Diagnose am Anfang stehen. Die Therapie richtet  sich dann  nach dieser Diagnose.»

So, wie ich Papst Franziskus verstehe, würde er meine einfachere, aber herausforderndere Diagnose teilen und die darauf folgende Therapie:Wir leben zusammen mit Menschen, die Geschenk Gottes sind, die sich durstig nach der Fülle des Lebens sehnen und dabei gelegentlich auch Irrwege einschlagen. Durch sie fordert Gott uns heraus. Ihnen dürfen wir Nächste werden und das mit ihnen teilen, was uns trägt.

Für diesen neuen Ansatz setzt Papst Franziskus auf die Ordensleute. «In der Kirche sind Ordensleute besonders berufen, Propheten zu sein … Wir denken an das, was so viele grosse heilige Mönche, Ordensfrauen und –männer seit Abt Antonius getan haben. Prophet zu sein, bedeutet manchmal laut zu sein – ich weiss nicht, wie ich mich ausdrücken soll. Die Prophetie macht Lärm, Krach – manche meinen ‹Zirkus›. Aber in Wirklichkeit ist ihr Charisma, Sauerteig zu sein: Die Prophetie verkündet den Geist des Evangeliums.»

Eine Provokation im Blick

Was heisst prophetisch sein? Eigentlich viel weniger, als man vermutet, und viel mehr, als man erwartet. Prophetinnen und Propheten verkünden durch Wort und Leben, was Gott heute sagen will.

Und das überrascht immer. Denn ein Gott, der nicht überrascht, ist ein Götze.

Wir sind nicht dazu da, ein System oder eine Institution aufrecht zu erhalten, sondern glaubwürdig den lebendigen Gott zu suchen und zu verkünden. Ob das gelingt oder nicht, hängt nicht von der Grösse der Gemeinschaft ab oder vom Alter der Mitglieder. Wir sind dazu berufen, das Charisma der Gründerpersönlichkeit heute als Einzelne und als Gemeinschaft genauso mutig zu leben wie in der Zeit, von der wir anderen gerne erzählen.

Wir haben ein grossartiges Privileg: jeden Tag feste Zeiten fürs Gebet und für die Lesung; eine Gemeinschaft, die uns trägt und erträgt; Menschen, die sich uns anvertrauen. Gehen wir tatsächlich mit offenen Augen und aufgeschreckten Ohren durch den Alltag, werden wir reich beschenkt.

So ist auch das Buch «Heute im Blick. Provokationen für eine Kirche, die mit den Menschen geht» entstanden. Würde ein solches Buch zum Bestseller, wenn die Diagnose stimmen würde: Es sind nur noch wenige Menschen, die richtig glauben; zwei Drittel der Bevölkerung erwarten von der Kirche nichts? Kirche ist mehr – Gott sei Dank! Das dürfen wir bezeugen und so Menschen helfen, das Geschenk des Glaubens zu entdecken. Ein solches Leben ist Pro-Vokation.

Wir sind besonders berufen, Brandstifter des Glaubens zu sein. Aschenhüter sind bei uns fehl am Platz. Wir sind berufen, prophetische Stimme zu sein. Wir dürfen hoffen, dass Gott immer wieder junge Menschen in unsere Gemeinschaften sendet, die sich von Gott überraschen lassen und heute und morgen Brandstifter des Glaubens sind.

Martin Werlen


Unser Autor

WLu. Der Walliser Martin Werlen (1962) war von 2001 bis 2013 Abt des Klosters Einsiedeln. Er lebt dort weiterhin als «Pater Martin». Aufsehen erregte 2012 seine 40-seitige Schrift zur Kirchenreform mit dem Titel «Miteinander die Glut unter der Asche entdecken». Letztes Jahr veröffentlichte er seinen Beststeller «Heute im Blick. Provokationen für eine Kirche, die mit den Menschen geht».

Der Papst, der ja auch zu einem Orden gehört,hütet sich,das «gottgeweihte Leben» in alle Himmel hochzujubeln. Er möchte nicht von einem besonders «radikalen» Christsein der Ordensmänner und -frauen reden. Denn: «Die evangelische Radikalität ist nicht nur eine Sache der Ordensleute, sondern wird von allen verlangt. Aber die Ordensleute folgen dem Herrn auf eine besondere, prophetische Art und Weise nach.»

Was könnte diese besondere «prophetische» Funktion bedeuten? Diese Frage beantwortet Martin Werlen, der ehemalige Abt des Klosters Einsiedeln, im folgenden Artikel. Am Schluss meines Artikels versuche ich eine zeitgemässe Deutung der Ordensgelübde Gehorsam, Armut und keusche Ehelosigkeit.

Flucht vor der Welt?

In den beiden grossen Schreiben, welche der Vatikan im Auftrag des Papstes veröffentlicht hat (siehe Kasten), wird öfters vor der früher gängigen Vorstellung gewarnt, die Ordensleute hätten der Welt den Rücken zugekehrt. Es wird sogar vor einem «Gespenst» und einem «Trugbild von einem Ordensleben» gewarnt, «das sich als Rückzugs und Tröstungsort  gegenüber der schwierigen und komplizierten Welt da draussen versteht».

Mit Nachdruck werden die Ordensleute aufgerufen, sich der «Welt» und den Menschen zuzu- wenden. In seiner bildhaften Sprache lädt der Papst alle Christen und ganz besonders jene in den Orden ein, «ihr Nest zu verlassen», um das Leben der Frauen und Männer unserer Zeit zu teilen.

Gefordert seien neben einem starken Glauben «die Fähigkeit zu Empathie, Nähe, Kreativität und Schöpfersinn, die den Geist und das Charisma (der Orden) nicht in starre Strukturen einsperren». Papst Franziskus lädt dazu ein, «eine Mystik der Begegnung» zu leben: den Menschen zuzuhören und sich mit ihnen auf den Weg zu machen. Hier wird ausdrücklich auf das Konzil verwiesen mit seinem zentralen Anliegen «der Sorge um die Welt und den Menschen».

Gemeinschaft statt Individualismus

Der Papst und seine vatikanische Dienststelle für das Ordensleben heben die Bedeutung des Ge- meinschaftslebens der Orden her- vor. Mit dem Hinweis, dieses sei ein Heilmittel gegen den grassie- renden Individualismus der Gesellschaft, finden wir hier eine erste Aussage zur prophetischen Funktion der Orden:

«In einer Zeit, in der die gesell- schaftliche Zerrissenheit einem unfruchtbaren, massenhaften Individualismus Recht gibt und die Schwäche der Beziehungen die Sorge um den Menschen schädigt und zerbrechen lässt, sind wir dazu aufgerufen, die gemeinschaftlichen Beziehungen menschlicher zu gestalten, um eine Gemeinschaft von Geist und Herz nach Art des Evangeliums zu fördern.»

Wie schon Mao sagte

Die Worte aus dem Vatikan drücken übrigens ein entscheidendes Merkmal des franziskanischen Or- denslebens aus. Dessen Sinn liegt nicht in erster Linie in der Nützlichkeit für Kirche und Gesellschaft. Vielmehr ist diese Lebensweise schon als solche berechtigt, noch vor jedem praktischen Nutzen.

Erst nach dem So-Sein kommt das Tun. Mit diesem Hinweis ver- lassen wir erst einmal die zitier- ten Schreiben und nehmen einen Gedanken auf, den schon Mao Tse-Tung prägnant formuliert hat: «Will man, dass sich etwas tut, dann muss man eine Gruppe haben, die etwas tut.»

Wie zum Beispiel der Artikel über die Ordens-Kongregationen in dieser ite-Nummer zeigt, können wir diesem Wort Maos nur zu- stimmen. Viel Notwendiges bliebe ungetan, wenn nicht religiöse Gemeinschaften sich dessen annähmen.Wo ein Einzelner schon längst resigniert hätte, halten Gruppen von Menschen durch, die in ihren Brüdern und Schwestern einen Halt haben.

Was bedeuten die Gelübde?

Gehen wir zurück zur These von Papst Franziskus, das Ordensleben zeichne sich nicht durch eine besondere Radikalität aus. Früher, vor allem vor dem Konzil, wurden die Ordensleute gerade durch ihr «radikales» Leben in Form der drei Gelübde Armut, Gehorsam und Keuschheit (oder: «keusche Ehelosigkeit») charakterisiert.

Zwar eignen sich die Gelübde nach wie vor, um das Ordensleben zu beschreiben. Wir müssen uns aber hüten, sie isoliert zu betrachten. Und da kommt eben ihre «prophetische» Seite ins Spiel.

Armut als Protest

Auch Ordensleute, die Armut gelobt haben, müssen in ihrem Alltag über Güter, ja selbst über Geld verfügen können. Doch sie bemühen sich, im Sinne von Paulus «zu besitzen, als besässe man nicht». Oder konkreter: In Armut leben heisst, sich bewusst zu sein, dass nicht die Marke des Autos oder – bei Jugendlichen – der Turnschuhe darüber befindet, wie wichtig und wertvoll man als Mensch ist.

Der in Armut lebende Ordens- mensch ist auch berufen, aufzu- stehen gegen unmenschliches Elend: «Armut als evangelische Tugend drängt in die praktische Solidarität mit jenen Armen, für die Armut gerade keine Tugend, sondern Lebenssituation und gesellschaftliche Zumutung ist.» (Johann Baptist Metz)

Gehorsam als Horchen

Das Gelübde des Gehorsams darf nicht – wie es früher wohl auch geschah – dazu missbraucht werden, unmündige Untertanen heranzuziehen. Es bedeutet auch nicht, passiv zu warten, bis der Obere etwas befiehlt.

In der Spiritualität des Ordens- lebens wird heute immer wieder darauf hingewiesen, dass der Gehorsam mit «Horchen» zu tun hat: aufmerksam hinhören, was der Bruder, die Schwester braucht; kreativ auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft antworten.

Es ist offensichtlich: Eine solche Art des Gehorchens ist von jedem verantwortungsbewussten Gläubigen, ja von jedem Menschen gefordert.

Ehelosigkeit: niemanden besitzen

Noch kurz zum dritten Gelübde, der keuschen  Ehelosigkeit. Der Prior von Taizé, Roger Schutz, hat die «Ehelosen um des Himmelreiches willen» Menschen genannt, «die ihre Hoffnung so sehr auf Gott richten, dass sie niemanden für sich selbst besitzen wollen, ihre Arme allen offenhalten, sie bei niemandem verschliessen und niemanden für sich in Beschlag nehmen». Auch hier wird der Ordenschrist nicht von der Welt getrennt, sondern wie der Papst es formu- lierte, zu «Empathie und Nähe» zu andern Menschen befähigt.

In einem Artikel über den Zölibat verwies kürzlich der Churer Theologe Hanspeter Schmitt in der Herder-Korrespondenz auf eine «prophetische Intention» des freiwillig ehelosen Lebens: «Man zielt darauf, dass der freie Verzicht auf sexuelle Intimität in einer sexualisierten Umwelt verzerrte Massstäbe ins Lot bringen und die humane Bedeutung menschlicher Geschlechtlichkeit als Weg bezie- hungsweise Ausdruck der Liebe hervorheben hilft.»

Blick in die Zukunft

Trotz der Bedeutung, die das Ordensleben nach wie vor hat: Die Zukunft mancher Gemeinschaft ist wegen Nachwuchsmangel in Frage gestellt. Auch darauf gehen der Papst und seine Mitarbeiter in den Schreiben zum Ordensjahr ein. Sie warnen davor, mit Nostalgie in die glorreichere Vergangenheit zu blicken und mit Angst in die Zukunft zu schauen:

Papst Franziskus lädt die Orden ein, sich «vom Heiligen Geist tragen zu lassen und zu erlauben, dass er uns erleuchtet, uns führt, uns Orientierung gibt und uns treibt, wohin er will. Er weiss gut, was zu jeder Zeit und in jedem Moment notwendig ist».

Walter Ludin


Schreiben aus dem Vatikan

  • Rallegratevi/Freut euch – Schreiben vom 2. Februar 2014
  • Scrutate/Erforscht – Schreiben vom 8. September 2014

Die beiden Dokumente sind in der Sondernummer der Zeitschrift Ordenskorrespondenz zum Jahr der Orden auf Deutsch erschienen (S. 3–31; 33–80).


Nichts würde funktionieren

Also ohne Kirche, ohne Orden würde hier gar nichts funktionieren. So sag ich das einfach mal knüppelhart. Selbst in Deutschland schaffen es die Städte ja nicht ohne die Kirche.

Kurznachrichten

jumi – Peace

Dienstag, 31. Mai 2022

Wir glauben an Frieden! Das ist unsere Hoffnung und dafür setzen wir uns ein!

jumi – zäme unterwägs

Freitag, 6. Mai 2022

In diesem jumi erzählen Pfadi, Jubla und die Minis, was Kinder bei ihnen machen können.

Aus dem Kloster Dornach

Montag, 2. Mai 2022

Im ehemaligen Kapuzinerkloster ist immer was los …

Käfer und Wurm

Dienstag, 12. April 2022

Dieses jumi erzählt von Käfern, Würmen und anderen Kleinsttieren.

jumi – Kraft

Donnerstag, 20. Januar 2022

Dieses jumi schaut zusammen mit der Fastenaktion nach Laos, einem faszinierenden Land in Asien.