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George Francis Xavier – Engagiert im Gespräch. © Adrian Müller
George Francis Xavier – Engagiert im Gespräch. © Adrian Müller

Der Kapuziner George Francis Xavier spricht über Mission, in der Schweiz und in Indien, und warum wir uns mehr zutrauen sollten.

(Langversion aus ite 4/19 | siehe Seite 33)

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Papst Franziskus im Oktober 2017 einen ausserordentlichen Missionsmonat angekündigt hat?

Das war ein grosser Trost, dass der Papst die Arbeit von Missionaren und Missionarinnen so hoch einschätzt. Er hat in seinem Brief Worte aus dem Apostolischen Schreiben «Maximum illud» vom 30. November 1919 aufgegriffen: «Die Kirche Gottes ist universal und damit keinem Volke fremd.» In einer Zeit, in der ich bei meinen Kollegen und einigen Mitbrüdern die Tendenz sehe, Kirche ‘nur’ auf lokaler Ebene zu verstehen und Abstand zu halten von der weltweiten Kirche, war diese Aussage eine Ermutigung, sich in der Schweiz nicht unsicher zu fühlen.

Sie stammen aus Kerala, aus dem Südosten Indiens, und waren als Missionar im Norden Indiens tätig. Wie muss man sich die Tätigkeit als «einheimischer Missionar» vorstellen?

Es war eine grosse Herausforderung. Als Christ und jemand aus Südindien war ich wie ein Ausländer und wurde von den Menschen in Nordindien noch fremder wahrgenommen als in der Schweiz. Aber ich war sehr begeistert und überzeugt vom missionarischen Geist der Kirche, und wollte den Menschen Jesus und seine vorgelebten Ideale bringen. Ich habe mit Herzblut gearbeitet, weil ich fest glaubte, dass ich dort in einer nicht-christlichen Gegend Liebe, Menschenwürde, Respekt gegenüber Frauen, eine bevorzugte Option für die Armen, Förderung des Friedens, usw., durch Jesus bringen könnte. Im Gegensatz zu meiner Überzeugung und Begeisterung aus meinem Glauben heraus haben diese Beiträge in dieser Gesellschaft mit ihren Konflikten und ihrem Widerstand kein grosses Echo gefunden. Es war aber für mich eine schöne und bedeutungsvolle Zeit.

Würden Sie sich als «Missionar» bezeichnen?

Im Vergleich zu meiner Zeit in der nordindischen Mission, erlebe ich hier kaum ’kirchliche Fremdbegegnungen’ in Theorie und Praxis. Ich würde mich jetzt nicht mehr als ‘Missionar’ im klassischen Sinn bezeichnen. Ein Missionar wird speziell von Gott für einen bestimmten Dienst berufen. Ich wirke passiv in dieser Gesellschaft, und meine Tätigkeit ist zu 90% unter gläubigen Christinnen und Christen. Ob ich jemandem, wie damals in Nordindien, Jesus und seine Vision von Leben und Glauben bringen kann, ist für mich jetzt fragwürdig. In meinen ‘Fremdbegegnungen’ wird solchen Themen oft sehr schnell ausgewichen.

Was ist Ihre Mission?

Franziskus von Assisi gab ein persönliches Leitbild ab, als er sagte: «Predige in allen Dingen das Evangelium und verwende nötigenfalls Worte.» Ich möchte, dass mein Leben ein Glaube durch die Tat ist. In diesem Teil der Welt verfügt man bereits über genügend Wissen und Erfahrung über die Kirche. Ich versuche besonders von der Liebe, vom Leben und der Offenheit Zeugnis zu geben. Das heisst, Jesus vertreten und tun, wie er gewirkt hat: alles und alle lieben und für die Liebe einstehen, tun was das Leben in anderen respektiert und fördert, und Offenheit gegenüber allen Menschen, egal ob Frau oder Mann, ob Christin oder Nichtchrist, ob Fremder oder Bekannter. Ob nun innerhalb oder ausserhalb der Kirche, in der Gesellschaft oder in Gemeinschaften: Ich möchte «Jesus und seine Werte» zurückbringen.

Ist die Schweiz ein «Missionsland»?

Wenn wir Mission als Fremdbegegnung bezeichnen, kann die Schweiz als Missionsland betrachtet werden. Oft stosse ich auf Fragen des Grundglaubens. Viele meiner Kollegen sehen die negative Seite der Kirche, aber das Wissen über Gott oder über den Glauben, die Theologie und über Gotteserfahrungen fehlt ihnen. Eine Bekannte sagte mir einmal: «Die Kirche ist scheisse, aber Buddha ist cool». Ich begegne Menschen, die sehr daran interessiert sind, mit mir zu sprechen, weil ich aus Indien komme. Sie sehen Indien als exotisches Land und sie schwärmen von Bollywood, indischem Essen, Yoga und von der Meditation. Ich möchte sagen, dass es Menschen gibt, denen das Christentum, meine Lebensweise und meine Arbeit fremd sind. Ja, die Schweiz entwickelt sich zu einem Missionsland.

Wie fühlt es sich an, «Missionar» in der Schweiz zu sein?

In Nordindien wurde oft kritisiert, dass ich nicht dort geboren wurde, und der Boden nicht mir gehört. Auch Einheimische sind in Gruppen zu uns Kapuzinern gekommen und haben gesagt, dass wir nicht dort geboren wurden und daher kein Recht auf dieses Land haben. Auch physische Attacken sind vorgekommen. Trotzdem war es für mich eine normale Konsequenz Christ zu sein und Jesus weiterhin zu bezeugen. In weiterer Folge hiess es, wir sollen ihr Land verlassen. Vergleiche ich solche Situationen, bin ich in der Schweiz sehr erwünscht. Es ist ein Land, wo Jesus oder die Kirche nicht fremd sind. Die Menschenwürde und der Respekt vor den Mitmenschen sind sehr gross. Es fällt mir leicht, hier Jesus zu vertreten, ohne Angst vor einer Vertreibung aus diesem Land und vor physischen Attacken. Mit Gelassenheit und Seelenruhe darf ich als Christ hier leben und mich unter den Menschen bewegen.

Wann hat die «Mission» Erfolg?

Ich habe von Rednern gehört und in Zeitungen über Erfolge bei Militäreinsätzen, geschäftlichen Missionen und anderem mehr gelesen. Über Erfolge bei Missionen zu sprechen ist kein christlicher Wert. Hatte Jesus Erfolg bei seiner Mission auf Erden? Der Eifer und die Begeisterung, das Engagement und die Opfer, die Tausende von Missionaren auf dieser Erde gezeigt haben, sind nachweislich ein Erfolg, wenn man es messen will. Es gibt keinen Erfolg oder Misserfolg in der Mission. Mission ist ein fortwährender Prozess, den Jesus durch die Jahrhunderte im Leben der Menschen lebendig macht und in Gesellschaften der Liebe und Gerechtigkeit errichtet.

Was braucht es, um Missionar zu sein? Kann das jede und jeder machen? Oder ist das eine Aufgabe für Spezialisten?

Alle Christinnen und Christen sollen für Christus Zeugnis ablegen, aber nicht alle sind zu einem ganztägigen, besonders beauftragten Missionsdienst berufen. Alle Christinnen und Christen sollen oder können missionarisch eingestellt sein, aber nicht alle können Missionare im eigentlichen biblischen Sinne des Wortes sein. Wir können nicht alle packen und gehen!

Im letzten Jahr ist das «Mission Manifest» erschienen, das von einem «Comeback der Kirche» spricht. Geht es der Mission um ein «Comeback der Kirche»? Oder worum geht es bei der Mission?

Ich würde das für mich persönlich anders formulieren: «Comeback von Jesus». Wenn das gelingt, ist es natürlich auch ein «Comeback der Kirche». Ich werde meine Energie mehr auf ein Comeback von Jesus setzen. Warum ich das so sage? Ich sehe, dass viele Berufene ihre Zeit für den sehr organisatorischen Bereich der Kirche vergeuden, und dadurch wird der Eindruck erweckt, dass Kirche nur eine Institution sei. Wir sind nicht berufen, einen Betrieb zu leiten, oder?

Haben Sie einen Wunsch für die Kirche in der Schweiz im Ausserordentlichen Monat der Weltmission, Oktober 2019?

Investieren wir Zeit und Energie in die von Gott gegebenen und von Jesus vorgelebten Werte für eine bessere Gesellschaft, anstatt viel Zeit in Planung und Brainstorming zu investieren, um die Kirche zu retten. Machen wir unsere Arbeit und der Rest liegt in den Händen Gottes.

Gibt es noch etwas, das Sie gerne sagen möchten?

HERZLICHEN DANK!!!

Siegfried Ostermann, missio


Gerne noch ein paar Informationen zu Ihrer Person.

  • Eintritt bei den Kapuzinern in Kerala, in Südindien. Nachher in Nordindien als Missionar tätig.
  • Wurde für ein Zweit-Studium in der Schweiz geschickt. Ende 2017 Master-Abschluss an der Universität Luzern in Kulturwissenschaft, mit Ethnologie als Schwerpunkt.
  • Seit 2016 Mitglied der Schweizer Kapuziner-Provinz.
  • Jetzt lebe ich im Luzerner Kapuziner Kloster Wesemlin.