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Sufi-Festival in Fes © Nadine Crausaz
Sufi-Festival in Fes © Nadine Crausaz


Shemsi Husser
Wunder der Schöpfung: die Einfachheit und die Komplexität, das Ewige und das Vergängliche, die tiefsten Freuden und Leiden können in jedem Moment, an jedem Ort und in jeder Situation auf aussergewöhnliche Weise zusammenfallen …
Dieser atmende Mensch, dieser lebendige Mensch, das bist du! Derjenige, der bewusst oder unbewusst den Atem dieses Gebets trägt, das dich mit allen Menschen und allen Geschöpfen verbindet, das bist du!
Wunder der Schöpfung: die Einfachheit und die Komplexität, das Ewige und das Vergängliche, die tiefsten Freuden und Leiden können in jedem Moment, an jedem Ort und in jeder Situation auf aussergewöhnliche Weise zusammenfallen …
Dieser atmende Mensch, dieser lebendige Mensch, das bist du! Derjenige, der bewusst oder unbewusst den Atem dieses Gebets trägt, das dich mit allen Menschen und allen Geschöpfen verbindet, das bist du!
Aus einem einzigen Licht können so viele Farben hervorgehen! Du erstaunlicher und einzigartiger Mensch, der den Himmel, die Erde mit allem, was darauf ist, trägt, wie mächtig muss dein Gebet sein, wenn es das gesamte Bewusstsein all dieser Stufen der Existenz ist?
Tief in unserem Inneren sind das ewige Wesen der gesamten Schöpfung eingeschrieben, die subtilsten und geheimnisvollsten Realitäten aller Zeiten und Epochen, die Perlen des göttlichen Schatzes, die in unserem Herzen wohnen. Wir sind der Kanal dieses ständigen Austausches zwischen Himmel und Erde. Unser Herz ist mehr als ein Tor, mehr als eine Brücke, es ist der Raum, in dem das Universum entsteht, der Raum seiner ständigen Geburt.
Die Praxis des Herzensgebets
Das ultimative Organ unserer Erkenntnis und Liebe ist das Herz, doch es muss in all seinen Tiefen entdeckt werden. Durch dieses spirituelle Organ, die Anrufung der Namen Gottes und die entsprechende Praxis der Tugenden wird der betende Mensch dazu gebracht, sich mit den göttlichen Eigenschaften zu bekleiden und so den universellen Menschen zu verwirklichen. Wer danach strebt, diese erhabene Stufe zu erreichen, muss verstehen, was dies an Anstrengung und Kampf gegen das usurpatorische Ego bedeutet.
Beten, ohne das Herz vorbereitet zu haben, ist wie Säen auf nicht urbar gemachtem Land.
Denn zu beten, ohne das Herz vorbereitet zu haben, ist wie das Säen auf einem nicht gerodeten Land. Man muss lernen, sich vorzubereiten, um die göttliche Gegenwart zu empfangen. Ich sage nicht, das Herz anpassen, denn ich befürchte, dass man es so verstehen könnte, dass es sich mit einer bestimmten Form identifizieren muss. Im Arabischen heisst das Herz nämlich «qalb», ein Wort, dessen Wurzel den Begriff des Wandels, der ständigen Veränderung, heraufbeschwört.
Der Sufi-Meister Ibn Arabi betont in diesem Sinne die Analogie dieses Herzens, das in jedem Augenblick in Verbindung mit unserem Atem schlägt, mit der ständigen Erneuerung der Schöpfung und der Theophanien (Manifestation der Gottheit in sinnlicher Form, die Red.) der göttlichen Gegenwart, die die Tiefen des Seins mit einer Vielzahl von Lichtern, Geheimnissen und immer neuen Formen «belagert».
Dieses Herz, das Organ der Vision, ist für die Kontemplation bestimmt; durch eine spirituelle Erfahrung, die über die «Glaubensbekenntnisse» hinausgeht, die durch einschränkende Gedanken oder Überzeugungen projiziert werden. Beten bedeutet also, diesem Herzen die Fähigkeit beizubringen – wohin es sich auch wendet –  das Angesicht Gottes zu erkennen, was ja auch der Koran lehrt.
Mögen wir nicht durch ein bestimmtes oder exklusives Glaubensbekenntnis eingeschränkt werden, das uns die Gegenwart des Geliebten in einer Manifestation vorenthalten würde, in der wir ihn nicht zu erkennen vermögen. Lerne, o mein Herz, deinen Herrn in der ständigen und täglichen Fülle seiner Manifestationen zu erkennen, ganz gleich, wie dein Zustand ist.
Die Absicht
Hier ist zunächst die richtige Absicht zu erkennen, dass Er es ist, der mich bei seinem Namen «El HADI» zur Erkenntnis von IHM durch IHN führt, aber nicht nach meinen Sorgen, Wünschen oder geistigen Projektionen.
Die Reue
Möge die Reue mir helfen, dieses Herz von allem zu reinigen, was es von seiner kontemplativen Aufgabe ablenkt und behindert. Religionen mögen unterschiedliche Bedeutungen von Sünde haben, aber für denjenigen, der eine spirituelle Erfahrung praktiziert, lässt sie sich auf das reduzieren, was ihn von der «Grossen Gegenwart» fernhält oder sie verschleiert.
Aufrichtigkeit
Aufrichtigkeit ist die Veranlagung, die die Vereinigung aller Kräfte des Seins bewirkt im Dienste der Erkenntnis dieser Liebe und dieser Kontemplation. Das Zeichen dieser erfolgreichen Aufrichtigkeit ist, dass unsere Werke anschliessend durch unseren Dienst Zeugnis davon ablegen. In diesem Sinne wird der berühmte Ausspruch des Propheten Saydina Mohamad oft wiederholt:
«Der wahre Glaube ist etwas, das im Herzen entsteht und dessen Aufrichtigkeit durch die Werke (çaddaqahu-l-a’mal) bestätigt wird.»
Beten – sich mit göttlichen Attributen bekleiden
Beten bedeutet also, sich mit den göttlichen Attributen zu bekleiden, die Ausdruck seiner erhabenen Namen sind, die wir anrufen. Wie können wir aufrichtig den Grosszügigen, Al KARIM, anrufen, wenn wir uns nicht mit Grosszügigkeit und Barmherzigkeit bekleiden? Wie können wir den Barmherzigen, AR-RAHMAN, anrufen, wenn wir nicht barmherzig und mitfühlend sind? Lassen wir uns in allen Situationen des täglichen Lebens von den vielfältigen Farben seiner Namen des Lichts durchdringen?
Die Wachsamkeit
Wachsamkeit ist der tiefere Sinn dessen, was gemeinhin als Frömmigkeit bezeichnet wird. Es ist die Fähigkeit, diese ständige Gegenwart zu bewahren, nicht auf eine starre Weise, sondern gerade in ständiger Erneuerung. Es ist die Treue, die Beständigkeit und die Stabilität in dieser andauernden und schöpferischen Aktualisierung des Wissens.
Die Methode
Sufi ist keine Methode oder ein Weg: Sufi ist Ausdruck der Entfaltung des Menschen in all seinen Dimensionen, in der perfekten Harmonisierung seiner Seinszustände. Es ist dennoch wahr, dass die Sufi-Meister den Schülern bestimmte Methoden beigebracht haben, um ihnen den Weg zu erleichtern. Nur in diesem Zusammenhang, nach einer angemessenen Vorbereitung zur besseren Orientierung, wurde die Konzentration auf bestimmte subtile Zentren des Körpers gelehrt, von denen es in der Naqchabandi-Bruderschaft (einer der zahlreichen Sufi-Orden, die Red.) fünf gibt.
Diese fünf subtilen Zentren, «lataif», befinden sich rund um die Brust und stehen in Verbindung mit den spirituellen Stationen der grossen Gesandten der Menschheit. Manche Schüler konzentrieren sich methodisch auf sie, andere werden direkt von ihrem Meister in sie eingeführt. Die spirituellen Orte, die eine Unterweisung in dieses Gebet geben, tun dies auf sehr unterschiedlichen Ebenen.
Historisch gesehen haben sich viele verschiedene Strömungen auf den Sufismus berufen. Sie haben sich eine Struktur gegeben, indem sie sich je nachdem mehr oder weniger schulmässig als Bruderschaften organisierten. Diese nicht unbedeutenden Gruppierungen sollten jedoch als besondere, situationsbedingte Ausprägungen des Sufismus betrachtet werden, die aber nicht mit dem Sufi-Weg an sich identifiziert werden können. Diese spirituellen Orte oder Bruderschaften sind vielmehr «Flughäfen» unterschiedlicher Wichtigkeit, wo man sich nicht niederlassen, sondern zu einem bestimmten Weg starten, aufbrechen will.
Helfen, zu seinem Herrn zurückzukehren
Eine der Hauptaufgaben dieser Lehrstätten – wenn sie lebendig bleiben wollen –  besteht gerade darin, den Schüler lehren zu beten, zu fliegen, um schliesslich die eigene Umlaufbahn zu finden, und ihm auch zu helfen, «zu seinem Herrn zurückzukehren», wie es im Koran heisst (89, 27:28): «Oh du Seele, die du Ruhe gefunden hast, kehre zufrieden und wohlgefällig zu deinem Herrn zurück.»
Dies ist eine Aufforderung an die umherirrende Seele, zu ihrem Prinzip zurückzukehren. Der Sufi-Meister Ibn Arabi lehrt anhand dieses Verses, dass der Mensch Gott nur durch die Anerkennung seines eigenen Herrn begegnet. Dieser stellt jene einzigartige und je besondere Seite dar, durch die Gott sich jedem Menschen am Ort seines Geheimnisses zu erkennen gibt.
Auf diese Weise den besonderen Namen Gottes zu erkennen, der uns vorherbestimmt ist, ist der Schlüssel zu Zufriedenheit und Frieden. Es ist die Seele, die, indem sie sich selbst kennt, ihren Herrn erkennt. Ein lebendiger spiritueller Ort ist jener, wo wir engagierte Gefährten haben. Der erste Gefährte ist der spirituelle Lehrer oder der beauftragte Instruktor. Seine Funktion ist die eines Spiegels, der dem Schüler die Tiefe seiner Seele enthüllt und ihn mit seiner Wirklichkeit konfrontiert. Der spirituelle Lehrer ist der erste Zeuge dieser Gegenwart, die die lebendige und vollständige Verwirklichung des Gebets ist.
Das Gebet ist die Verwirklichung unserer wahren menschlichen Verfassung: Das ist das Geheimnis der «çalat ‚ala-n-nabi», des Gebets über den Propheten. Das Meer bewegt seine Brandung, der Wind bläst über die Erde, der Regen fällt vom Himmel und der Mensch atmet. Die Bewegung des Gebets zu kennen, ist eng mit dem Wissen um die Verfassung des Menschen in all ihren Dimensionen verbunden. Das Sufi-Gebet ist in der Tat ein Akt der Erkenntnis auf dem Weg. Das Erwachen des Bewusstseins ist wie der Ausdruck der ursprünglichen Schwingung, des «fiat lux» – «es werde Licht!» -, durch die die Welt erschaffen wurde.
In der Sufi-Tradition wurde die Welt aus diesem prophetischen Licht erschaffen, das die eigentliche Substanz der Schöpfung ist. Dieses Licht hat im Laufe der Geschichte menschliche Formen angenommen: Adam, Elias, Abraham, Moses, Jesus, Mohammed. Alle sind Modalitäten dieses Lichts, das Gestalt angenommen hat. Die spirituellen Meister unserer Zeit ihrerseits sind die Erben dieser grossen Gesandten und somit auch die Träger dieses Lichts, dieser Gegenwart. Diese Gegenwart verweist uns auf unsere eigene Situation als Erben, hier und jetzt, entsprechend unseren Fähigkeiten. Sie führt uns zu diesem Erwachen, das uns unseren Platz offenbart und das die Essenz unseres Gebets ist. Sie ist das Gewebe unseres Bewusstseins, das die Kette und den Schuss auf dem «Webstuhl der Existenz» verbindet. Sie verbindet den Baum und das Blatt, die ganzheitliche Struktur und das kleinste Detail.
Das Gebet über den Propheten ist in diesem Sinne die Belebung unserer tiefsten Wirklichkeit, ihre Aktualisierung, ihre Entstehung, durch das Gebet über denjenigen, der das manifestierte Symbol dieser Wirklichkeit ist. Es ist die Erweckung dieses Bewusstseins des universellen Menschen, der in uns wohnt.
Wer ist dieser Mensch, von dem wir sprechen?
Der Mensch wurde nach dem Ebenbild Gottes erschaffen, wie die Bibel und der Koran bestätigen; doch dieser Mensch umfasst sowohl die virtuelle Möglichkeit des universellen Menschen als auch das Individuum, das diesen göttlichen Schatz vergessen haben könnte, diesen idealen Archetypen, den es durch die Aktualisierung der Möglichkeiten seines SEINS zu verwirklichen gilt.
Der grosse Sufi-Meister In Arabi sagte in diesem Zusammenhang: «Wenn dem Menschen zu Ohren kommt, dass er gemäss dem Bild GOTTES erschaffen wurde, und dass er nicht zwischen dem universellen Menschen und dem individuellen Menschen unterscheidet, so stellt er sich vor, dass der Mensch als solcher gemäss göttlicher Form ist, obwohl dies nicht der Fall ist: Als Mensch besitzt er nur die virtuelle Fähigkeit, diese Form zu verwirklichen, so dass, wenn sie ihm verliehen wird, nichts dagegen spricht, dass er ihr Träger ist. In diesem Fall, aber nur in diesem Fall, wird er gemäss der göttlichen Form zu den Kalifen (Leutnants Gottes) gezählt werden.“
Vom Blatt zur Wurzel: von unserem alltäglichen Zustand zu unserer tiefsten Wirklichkeit.
Der betende Mensch glaubt manchmal, einen Ruheplatz für seinen Geist zu finden, wenn er sich in den Tiefen seines Seins niederlässt, doch für den Muslim entspringt ständig ein Schrei: «Allahu Akbar», «Gott ist noch grösser».
Gott ist jenseits dieses Halts, dieses Schrittes, wie erhaben er auch sein mag. Es gibt kein Ende für die Unendlichkeit. Schon diese Existenz trägt die Forderung in sich nach einer ständigen Erneuerung jedes Augenblicks. Wir sind Lebende, eingebunden in eine Beziehung mit den kleinsten Details des Lebens. Diese Unermesslichkeit in uns befreit uns nicht davon, hungrig und durstig zu sein, zu schlafen, zu frieren oder zu heizen, zu leiden und zu sterben.
Der Sinn dieses Gebets besteht darin, ständiger Atem zu sein, der diese Unermesslichkeit mit diesem flüchtigen Augenblick verbindet, dieses Bewusstsein der Unendlichkeit mit dieser Emotion, mit diesem flüchtigen Bewusstsein eines Schmerzes, einer Trauer, eines Gedankens, eines Leidens.
Dieses Gebet ist der Lebenssaft, der im menschlichen Baum die Wurzel mit dem Blatt verbindet. Es ist schöpferisch, wie der Saft das Blatt oder die Frucht erschafft; es ist die Umwandlung unserer Dunkelheit in Licht, unseres Leids in Freude, unserer Unwissenheit in Wissen durch die Macht dieser Fürsprache der Barmherzigkeit, die es enthält, die Macht des Lebens, die aus dieser geruchlosen Erde eine köstliche und nahrhafte Frucht macht – ähnlich wie in der Natur das Licht durch Photosynthese die Vegetation und die Früchte hervorbringt.

Shemsi Husser, geboren 1957, ist die Jüngste von sieben Geschwistern, in deren Familie der Glaube eine zentrale Rolle spielte. Von klein auf erlebte sie die Kraft und Wahrheit, die er im täglichen Leben mit sich bringt. Shemsi war von 1986 bis 2010 als Gesundheitsberaterin und Heilpraktikerin tätig. Als Gründerin und Leiterin einer Schule für Gesundheitspraktiker hat sie hauptsächlich eine Lebens-, Denk- und Handlungsweise gelehrt, die auf spirituelles Erwachen ausgerichtet ist. Wohlbefinden durch göttliche Kraft, absolutes Vertrauen und ein unerschütterlicher Glaube waren die Grundlagen ihres Unterrichts.
Ihre Begegnung mit dem Sufismus im Jahr 1986 war eine Offenbarung, die ihr Leben tiefgreifend veränderte. Sie führte sie zu einer intensiveren und bewussteren Praxis der Werte des Atems Gottes und des Lebens. Die Lehren von Mawlânâ Djalâl-ud-Din Rûmî und seinem Lehrer Shams aus Tabriz sind bis heute die Hauptquelle ihrer Inspiration.
Sie ist Ehefrau, Mutter und Grossmutter von vier Enkeln, die in der Region Biel leben, und widmet ihnen einen grossen Teil ihrer Zeit, vermittelt ihnen die Religion der Liebe, die ihr eigenes Leben veränderte.

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