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Wo bekommen interreligiöse Paare Hilfe?

Ehe und Familie stehen in einer multikulturellen und global werdenden Welt vor stets neuen Herausforderungen. Dabei sind die alten Herausforderungen oft noch nicht einmal richtig gelöst. Schon wieder zeigen sich neue Fragestellungen. Die christlichen Kirchen haben noch nicht einmal ihre ökumenischen Bereiche geklärt und schon müssen sie sich mit interreligiösen Fragen auseinandersetzen.

Ökumenische Fragestellungen

In einem Gespräch wurde letzte Woche von einem Ehepaar erzählt; sie ist reformierte Pfarrerin (lutheranischer Abstammung) und er als katholischer Theologe im kirchlichen Dienst der römisch-katholischen Kirche. Jemand rief in die Diskussionsrunde: «Geht denn das?»

Vor zwei Wochen kam eine verärgerte Frau. In ihrer Familie sollte ein Kind gefirmt werden. Nach alter Familientradition ist beim Mädchen stets der Ehepartner der Gotte als Firmgötti vorgesehen. Der Götti ist jedoch reformiert. Nun ist seit kurzem ein junger Pfarrer in der Pfarrei und der verlangt für die Firmung römisch-katholische Paten – obwohl in dieser Pfarrei bisher auch reformierte Mitchristen dieses Amt übernehmen konnten. Und wie wäre es nun mit einem hinduistischen Firmgötti?

Spricht man mit Ehepaaren, die Goldene Hochzeit und noch längere gemeinsame Perioden erleben durften, dann erzählen diese manchmal, dass es früher noch keine ökumenischen Hochzeiten gab. Der Teil des Paares musste die Konfession wechseln, damit eine Heirat möglich wurde. Auch gab es Vorgaben über die Konfession der Kinder. Mit den ökumenischen Hochzeiten sind einige Schwierigkeiten gelöst. Doch wie steht es nun mit der gemeinsamen Kommunion? Man darf zwar miteinander eheliche Intimität leben, aber nicht zusammen an den gleichen Tisch des Herrn sitzen. Geht das?

Interreligiöse Fragestellungen

Religiosität zeigt sich heute immer mehr in einem eigenen Glauben in oder abseits von religiösen Überlieferungen. Dabei heisst es nicht immer, dass zwei unterschiedliche Religionen aufeinander treffen. Immer mehr Menschen verstehen sich als areligiös, das heisst, Religion spielt für sie in ihrem Leben keine Rolle mehr. Sie ist bedeutungslos geworden. Damit sind sie nicht einmal mehr atheistisch und müssen auch nicht gegen Glauben des Anderen ankämpfen.

Auch zu beachten ist im interreligiösen Dialog, dass andere Religionen wie auch das Christentum aus unterschiedlichsten Konfessionen bestehen, die manchmal unter sich selber zerstrittener sind als mit anderen Religionen. Ein Christ muss mit einem Taoisten nicht über taoistische Lehrsätze und Lehrmeinungen streiten.

Zwei Lösungsansätze

Im Buch von Frieder Harz «Interreligiöse Erziehung und Bildung in Kitas»(Vandenhoeck 2014)  werden unteren anderem die Fremdheitskompetenz und die Toleranz für das interreligiöse Zusammenleben beschrieben. Sie sollen hier kurz aufgegriffen werden – die Beschreibungen der beiden Konzepte finden sich in den beigefügten Kasten als wörtliche Zitate.

Religionen wie auch persönlicher Glauben kennen oft eine Wahrheit oder zumindest eine Überzeugung. Eine interreligiöse Begegnung mit Fremdheitskompetenz ermöglicht ein Wahrnehmen des Anderen, des Fremden, ohne es unkritisch in sein eigenes Glaubensleben zu integrieren, aber auch ohne es einfach zu ignorieren. Der Mensch entwickelt eine kritische und wohlwollende Distanz. Wie heisst es doch so schön im ersten Brief an die Thessalonischer: «Prüft aber alles, das Gute behaltet!» (1 Thess 5,21)

Früher ging es darum, anderen die eigene Religion zu bringen – andere würde sagen aufzuzwingen. Wie heisst es doch so schön im Matthäusevangelium: «Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern. Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.» (Mt 28,16). Modern ist es nun, dem Anderen erst gar nicht zu begegnen, was einer passiven Toleranz entspricht. Ein grosses Ziel der aktiven Toleranz könnte darin liegen, den Anderen in seinem Anderssein zu verstehen suchen, ohne selber so zu werden, zu denken und zu handeln.

Adrian Müller

http://www.adrianm.ch


Info: Fremdheitskompetenz

Fremdheitskompetenz beginnt damit, sich bestehende Deutungs- und Handlungsmuster im Umgang mit Fremdem klar zu machen. Oft sind es zwei sehr gegensätzliche: zum einen das Ablehnen und Ausgrenzen des Fremden, zum anderen das integrierende Aufnehmen, dessen Verwandlung in Vertrautes. In beidem geht es um das Verschwinden des Fremden. Es verliert seine Bedeutung.

Vereinnahmung geschieht durch Verstehen und nachfolgendes Handeln, welches das Unterschiedliche aufhebt, alles Widersprüchliche unsichtbar zu machen versucht. Religiöse Eigenheiten werden ausgeklammert, es wird nur das sie Übergreifende gesucht: Das islamische Schweinefleischverbot wird zur Grundregel für das ganze Haus. Das nicht mit anderen Religionen kompatible Weihnachtsfest wird zum Winterfest. Das verstehende, integrierende Entgegenkommen nimmt dem je anderen sein Eigenes.

Ausgrenzung geschieht durch Ausschluss. Wir finden sie in Argumenten wie: «Wer sich bei uns anmeldet, weiss, worauf er sich einlässt (und hat kein Recht, sich mit seinem Eigenen bemerkbar zu machen)». Oder auch: «Zuerst sollen die Kinder den christlichen Glauben kennenlernen, erst dann sind sie zu Begegnungen mit anderen Religionen bereit.» Das bedeutet dann zunächst nichts anderes als die Ausgrenzung des Anderen.

Fremdheitskompetenz bedeutet, beidem sein Recht zuzugestehen und es zugleich zu kontrollieren und zu begrenzen: In jedem Verstehen steckt auch etwas Vereinnahmendes, in jeder Irritation durch Fremdartiges auch etwas Ausgrenzendes. Aber das eine kann das andere in Grenzen halten: Das Irritierende bleibt im annehmenden Verstehen wach, und die Bereitschaft zum Verstehen stellt sich den Impulsen zur Ausgrenzung entgegen.

In: Harz «Interreligiöse Erziehung und Bildung in Kitas», S. 25.


Info: Passive und aktive Toleranz

Toleranz ist im ursprünglichen Wortsinn «Duldsamkeit» im Sinne der Bereitschaft, Spannungen und Widersprüche zu anderen Meinungen und Überzeugungen zu ertragen. Dazu gehört die Gleichberechtigung, die anderen zugesteht, was man für sich selbst in Anspruch nimmt. Solches Ertragen kann allerdings sowohl als ein aktives als auch ein passives verstanden und praktiziert werden.

Passive Toleranz lässt Widersprüche stehen, findet sich mit ihnen ab, sieht auch keinen Sinn darin, sich auf Auseinandersetzungen mit anderen Meinungen und Personen einzulassen. «Jeder soll nach seiner Façon selig werden», dieser Satz Friedrichs des Grossen ist die angemessene Haltung einer weltanschaulich neutralen Obrigkeit, die sich in religiöse Auseinandersetzungen nicht einmischt. Aber ins gesellschaftliche Miteinander weitergedacht, führt dies zum Abdrängen religiöser Einstellungen ins Private. Bei Privatangelegenheiten anderer hält man sich besser heraus. Verschiedene Arten zu glauben sind dann kein öffentlich relevantes Gesprächsthema, bei dem Klärungen erwartet werden.

Aktive Toleranz geht weiter. Das Recht auf persönlich verantwortete Glaubensüberzeugung wird akzeptiert, aber zugleich wird auch die Auseinandersetzung mit anderen gesucht und gepflegt. In ihr geht es im Zeichen des Aufeinander-Hörens und Voneinander-Lernens darum, die Möglichkeiten des Verständnisses füreinander so weit wie möglich auszuloten, auch dessen Grenzen ehrlich zu benennen. Man will gemeinsam unterwegs zu sein – ohne das Ziel verfolgen zu müssen, andere vom Eigenen überzeugen und zu ihm bekehren zu wollen. ‹Missionierung› als Auftrag, den eigenen Glaubens zu vertreten, heisst dann, das Eigene überzeugend darzustellen– und zugleich dem Gegenüber den Umgang damit freizustellen. Das schliesst umgekehrt auch ein, dasselbe für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Aktive Toleranz ist ein Ringen um Unterschiede und Gemeinsamkeiten, das den anderen in seinen Ansichten und Überzeugungen ernst nimmt.

In: Harz «Interreligiöse Erziehung und Bildung in Kitas», S. 85.