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Zwei Titelbilder - gestern und heute
Zwei Titelbilder - gestern und heute

Mit der Ankunft der ersten Kapuzinermissionare und Baldegger Schwestern in Tansania am 18. Juni 1921 stieg auch der Bedarf an Informationen in der Heimat stark an. Die Schweizer Kapuziner antworteten darauf mit der Zeitschrift «Missionsbote», der 2022 im hundertsten Jahrgang erscheint.

Mit der Ankunft der ersten Kapuzinermissionare und Baldegger Schwestern in Tansania am 18. Juni 1921 stieg auch der Bedarf an Informationen in der Heimat stark an. Die Schweizer Kapuziner antworteten darauf mit der Zeitschrift «Missionsbote», der 2022 im hundertsten Jahrgang erscheint.

Es waren schwere Zeiten anfangs der 1920er-Jahre: Europa erholte sich nur langsam von den Schrecken des 1. Weltkrieges, die Spanische Grippe von 1918-1919 hatte Millionen von Opfern gefordert (übrigens auch unter Schweizer Kapuzinern) und in Afrika musste Deutschland als Verlierer des Weltkrieges seine einstigen Kolonien abtreten, unter anderem auch Deutschostafrika. Die Schweizer Kapuziner übernahmen von den deutschen Missionsbenediktinern dieses «Missionsgebiet». Die ersten Kapuzinerbrüder sowie Baldegger Schwestern erreichten im Juni 1921 Daressalam. Und sie starteten mit dem «Missionsboten» eine Kommunikationsinitiative für die zahlreichen Gönner/innen und Unterstützer/innen in der Heimat, denn die Missionsarbeit verschlang viel Geld und Ressourcen.

1921
Nur ganz wenige Fotos, in enger, schwer lesbarer Frakturschrift gesetzt, der Hefttitel zeigt einen Kapuzinerbruder, der eine Zeitschrift in den Händen hält. So präsentiert sich die erste Ausgabe des textlastigen Missionsboten 1921, die wohl im Frühling 1922 publiziert wurde. Erst 1924 wird mit Adelgott Zarn erstmals ein Redaktor genannt, dem bis zur Namensänderung der Zeitschrift 1965 insgesamt acht Mitbrüder folgen.

Interessant: Bereits Mai 1921 hatten die Kapuziner eine von Pater Guido Käppeli verfasste Schrift über das künftige Missionsgebiet verbreitet, die einerseits relativ sachlich Land und Leute beschrieb, andererseits doch einen ziemlich paternalistischen Ton hatte und die, wechselweise als «Ureinwohner», «Neger», «Heiden» oder «Schwarze» bezeichneten, Menschen dort ziemlich negativ charakterisierte. «Da die Natur beinahe ohne Mitarbeit des Menschen den Tisch deckt, wird der angebornen Trägheit der Neger weiten Spielraum gelassen.» (S. 9). Käppeli spricht von der Neigung der «Neger», als Vorgesetzte zu «ekelhaften Tyrannen» zu werden, er schreibt von nächtlichen Teufelstänzen, «die wahre Orgien der Unsittlichkeit bilden», von der Jahrtausende alten Erbschaft eines weit verbreiteten Lasterlebens, das «weder Unschuld der Jugend noch Heiligkeit der Ehe» kennt. In diesem Umfeld, das zudem noch vom Islam dominiert wird, werde es Jahrhunderte brauchen, «bis die Missionare dem Christentum zum endgültigen Siege verholfen haben.» (S. 11).

Zurück zum ersten Missionsboten. Sein Format 14,8x21cm ist klein. Die Texte sind weniger ideologisch gefärbt als die Schrift von Käppeli, sondern bestehen einerseits aus eher langweiligen «Veranstaltungsberichterstattung», spannendem Storytelling und von persönlichen Erfahrungsberichten. Der einleitende Artikel beschreibt die Vorgeschichte des Missionseinsatzes. Dann folgen zwei eher langweilige Berichte zur Bischofsweihe von Justinus Gumy von Port Victoria auf den Seychellen.

Spannend wird’s mit dem Reisetagebuch der ersten Kapuzinermissionare auf dem Schiff von Neapel nach Daressalam: «Seit Montag liegt der grössere Teil der Reisegesellschaft krank und halbkrank herum» (S. 10) – und mit einer bebilderten Vor-Ort-Reportage vom «Negerhospital in Simbasi», Tenor: Die «Negernatur» ist zu bewundern, denn «liegen bleibt der Neger erst, wenn es dem Ende zugeht, sie haben eine sehr grosse Widerstandskraft.» (S. 15). Ergänzt werden diese Berichte durch zwei lebendig verfasste Missionsbriefe von Bruder Guido: «In der Nacht schlief ich, … den Revolver im Gürtel tragend …» und von Pater Franz Xaver: «Aber diesen Christen … hängt noch viel heidnisches an …».

Auch das erste «Opfer» hatten die Afrika-Missionare zu beklagen: Schwester Adelina Hofstetter (1888), die am 12. Februar 1922 in Daressalam gelandet war, wurde schon kurz danach von Fieber ergriffen und starb schnell: «Ihre früh gereifte, reine Seele zog alsbald heimwärts… (vom) irdischen Hafen in den des ewigen Friedens.» (S. 23).

1931
Die Weltwirtschaft steuert auf eine grosse Krise zu, unter der auch die Schweiz stark zu leiden hat. Man merkt es auch dem Missionsboten an, nur gerade 8 Seiten dick, auf schlechtem Papier gedruckt und eng beschrieben. Interessant die Änderung des Heftlogos: Es zeigt einen Kapuzinerpater mit dem Missionsboten, neben ihm einen kräftigen jugendlichen Schwarzen mit dicken Büchern sowie eine Buschkirche – die ersten Früchte der Mission. Von den Früchten der Mission zeugen auch die sparsam eingesetzten Schwarzweissfotos: der Samariterdienst der Baldegger Schwestern an den von Sandflöhen geplagten «Negerkindern» sowie der Hüttenbau für Schüler. Der erste Artikel ist wiederum eine ideologische Standortbestimmung. Diesmal geht es nicht um die Heiden, sondern die Gegner der katholischen Mission, der Islam und die protestantischen Kirchen in Tansania. «Der Islam arbeitet mit Lügen … erfüllt seine Anhänger mit ekelhaftem Stolz und zugleich mit einer unbeschreiblichen Verachtung für das Christliche.» (S. 90). Etwas besser kommen die protestantischen Missionsgesellschaften weg, denn von ihnen ist in Ostafrika auch «Gutes» gewirkt worden. Es fehlt ihnen allerdings an kirchlichen und theologischen «Grundlagen».

Spannender und weniger theologisch der packende Erlebnisbericht «Bei den Wahehe» von Pater Kunibert Lussy. Er ist geradezu hingerissen vom Bergvolk der Wahehe. Diese schönen Menschen hätten Ehrgefühl, seien «reiner und keuscher als die Leute der Ebene» (S. 92) und die Frauen «züchtiger … als die frechen und geilen (!!) Suahili Weiber von Ifakara» (S. 93). Beim Dorfältesten erfährt Lussy von der Affenplage und macht kurzen Prozess mit den Plagegeistern: «Dafür habe ich in diesen Tagen 3 Stück solcher Schurken über den Haufen geschossen». (S. 94). Die Leser wird es geschauert haben, da kommt der folgende Bericht über eine Ordensprofess auf den Seychellen und die Aussendung neuer Missionäre geradezu langweilig daher.

1941
Während der 2. Weltkrieg auf seinen Höhepunkt zusteuert und die Italiener eben ihre Kolonien in Ostafrika an die britischen Truppen verloren haben, erscheint im Februar 1941 der erste Missionsbote von 1941. Gegenüber 1931 weist die Zeitschrift optisch ein total verändertes Aussehen auf: Erstmals ein seitenfüllendes Schwarzweissfoto auf der Titelseite mit einer Walliser Madonnafigur, neu der programmatische Untertitel «Missionsbote – Der Schweizer Kapuziner in Afrika». Übers ganze Heft verteilt zahlreiche Schwarzweissfotos, einige von ihnen mussten wegen der Kriegszensur sogar «behördlich bewilligt» werden. In der Mitte des Heftes sogar eine richtige Bildreportage «Walliserbilder», zum Teil mit aufwendig retuschierten Fotos.

Der Weltkrieg allerdings kommt in den Beiträgen nur indirekt und versteckt zu Sprache. Auch aktuelle Beiträge aus Tansania oder den Seychellen vermisst man. Das hat seinen Grund: Wegen des Krieges ist es den Missionaren fast unmöglich, Briefe in die Heimat zu senden. Und so bleibt es bei theologischem Betrachten wie Jesus, der Friedensbringer auch fürs «Heidenland», alte Artikelkonserven über eine Marienstatue, die aus dem Wallis den Weg in die Missionskirche nach Kiberege gefunden hat oder «vergilbte» Informationen über die Seychellenmission des bereits 1909 (!!) verstorbenen Paters Adrian Imhof.

Erhellend der Bildbericht, wie «opferfreudige Kinder auf die Fasnacht sich wieder in ‹Negerli› verwandeln» könnten, um Geld für die Mission zu sammeln. Die Missionsprokura stellte sich sogar als Kostümverleih zur Verfügung, «den Kindern … all die Sachen zukommen zu lassen, die zu einer afrikanischen Umwandlung benötigt werden.» – Also noch nichts von Inkulturation des Glaubens …

1951
… dieses Missionsverständnis ist auch nach dem 2. Weltkrieg weit verbreitet, wenn auch in der Wortwahl des Missionsboten von 1951 der «Heide» oder das Heidentum langsam verschwinden, der «Neger» aber immer noch wie selbstverständlich benutzt wird. Ganz intensiv dringt im Heft die Überzeugung des Redaktors durch, dass durch die Annahme des Glaubens aus einem «Neger» ein «Weisser» wird. Das zeigt etwa der erneute Aufruf, dass missionsbegeisterte Kinder in der Schweiz als verkleidete «Neger» Geld sammeln sollen: «Dadurch, dass unsere weissen Kinder schwarze Neger werden (Frage des Redaktors: Was ist ein weisser Neger?), können sie mithelfen, dass schwarze Negerkinder getauft und so in der Seele drin ganz weiss, strahlend weiss, werden können!»

Andererseits kommt der Missionsbote 1951 graphisch sehr modern daher. Zum Layout: Die schlecht lesbare Frakturschrift ist passé, das Titelbild mit grossem Porträtfoto eines Kindes, der futuristische Schriftzug Missionsbote unter das Titelbild gesetzt, das ganze Heft reich mit Schwarzweissfotos bebildert. Auch inhaltlich sind grosse Veränderungen feststellbar. Es gibt einen Hang zu sachlichen Informationen, etwa aktuelle Meldungen zu den Ausreisenden (darunter zufälligerweise der berühmte Pater Walbert Bühlmann), den Rückkehrern und Rückkehrerinnen, sowie dem Einsatzort der Missionäre (so hiessen die Missionare früher). Die Sprache ist – übers Ganze gesehen – wenig theologisch, ideologisch, sondern neutral, einfühlend. Neben einem Hinweis auf einen schwarzen Priester, der Kapuziner werden möchte, und einen Artikel über die schnell wachsende Zahl einheimischer Ordensschwestern steht ein beeindruckender mehrseitiger Erfahrungsbericht von Schwester Genoveva, die gegen grosse Opposition ihrer Familie Ordensschwester wurde. Sogar ein Distriktgericht hatte sie dazu verdonnert, von der Schwesternniederlassung in Kwiro wieder nach Hause zu gehen, wo die Familie sie verheiraten wollte. Doch sie setzte schliesslich ihren Herzenswunsch durch, Ordensschwester zu werden. Man spürt die Vorwehen des II. Vatikanums.

1961/1964/1965 – vor und nach dem Konzil
Diese drei Nummern von 1961-1965 haben es in sich. Sie decken nämlich fast genau den Zeitraum des II Vatikanischen Konzils ab (11. Oktober 1962 bis zum 8. Dezember 1965). Sie spiegeln fotografisch wie inhaltlich die Änderungen dieser für die Kirche entscheidenden Epoche, die Aufbruchssituation in Afrika, das sich langsam aus den kolonialen Fesseln löst und den Weg hin zu einer immer stärker inkulturierten, katholischen Kirche in den Missionsgebieten.

Das Titelbild 1/1961 ist Programm für sich: Es zeigt den von einer jubelnden schwarzen Menge (ein einziger Weisser ist auf dem Bild sichtbar) in der Staatskarosse durch Daressalam fahrenden Julius Nyerere, dem späteren Staatsgründer von Tansania. In einem Hintergrundbericht ordnet Pater Hilmar Pfenniger diese Umbruchsituation im, damals so genannten, Tanganyika ein und lobt Nyerere als «Mann von staatsmännischer Klugheit und gerader Ehrlichkeit.» (S. 6). Noch dringt in einem weiteren Beitrag von Pater Placidus Meier über die Seminare in Kwiro und Kasita mehr oder weniger deutlich das vorkonziliare Kirchen- und Missionsbild durch: «Der Priester ist der Führer zu Gott.» (S. 7). Doch sowohl die Bildsprache des Missionsboten wie auch der 14-seitige Artikel über das neue Missionsgebiet in Indonesien von Pater Secundus van Donzel zeugen von grosser Wertschätzung der Bewohner/innen in den Kapuzinermissionsgebieten. Es brauche eine «vollkommene Anpassung … ein wahres inneres Interesse, innere Hochachtung und Hochschätzung für alles, was im Lande ist.» Ohne diese Einstellung sei es unmöglich, «junge, stark nationalistische Staaten für Christus zu gewinnen.» (S. 24) – Vorbei sind die Geringschätzung der Missionare für «Neger» und «Heiden», diese Begriffe sind ab sofort tabu.

Der starke Wunsch nach einer inkulturierten, einheimischen Kirche, fussend auf den Botschaften des II Vatikanums, ist auch stark im Missionsboten 5/1965 spürbar. Denn, so Redaktor Pater Hilmar Pfenniger selbstkritisch, «das Christentum, das in die Länder der farbigen Menschen gebracht wurde, war – trotz besten Willens vieler Missionare – allzu sehr in europäische Gewänder gehüllt. Die Vermählung mit der einheimischen Kultur wurde nicht vollzogen.» (S. 130). Auch Pater Lukas Gämperle spürt in seinem Artikel in Afrika grosse Erwartungen an das Konzil und er bedauert, dass es «viele leblose und überholte Formen und Praktiken» (S. 132) in der jungen Kirche Ostafrikas gebe, die schwer zu ändern seien. Besonders grosse Hoffnungen setzt Gämperle auf ein besseres Verhältnis zu den «nichtchristlichen Religionen und … die unbedingte Anerkennung der Gewissensfreiheit.» (S. 133). Das sind ganz neue Töne in einer Missionszeitschrift.

Schliesslich erfolgt 1965 die Namensänderung vom Missionsboten zu ITE (ite missa est – Gehet hin in Frieden; so lauten die Schlussworte der katholischen Messfeier). Damit wird aus der einst eher biederen Zeitschrift ein modernes Magazin im Kleinformat. Jetzt ist auch die Handschrift des «bekannten Missionsfachmanns» – so die Vorschau – Walbert Bühlmann zu spüren: Erstmals werden Farbfotos verwendet, es gibt ein richtiges Editorial und eine Art Inhaltsverzeichnis, die Artikel sind in verschiedenen Stilformen (Interview, Kommentar, Reportage, Kurznachrichten usw.) verfasst, sie werden mit einem Vorspann eingeleitet, die Bilder erhalten Legenden, die Graphik und die Bildgestaltung ist modern …

Während das Editorial die Namensgebung ITE erklärt, zeigt der lange Bericht von Pater Donat Müller über den neuen Bischof von Mahenge, Elias Mchonde, auf, dass dieser kein «Revolutionär» sei (es schwingt die Angst vor afrikanischen Umstürzen mit), sondern: «Er sucht das Begonnene weiterzuführen und das Angefangene zu vollenden.» (S. 7). Allerdings lege er mehr Wert auf «menschliche, gute Beziehungen» (S. 8) als auf – europäisch geprägte – Strukturen, was ihm im Kontakt mit Regierungsvertretern und Parteibossen zugutekomme. Wie das Christentum sich endlich in Afrika inkulturiert und dort Fuss fasst, zeigen auch die beiden Beiträge über die neue Diözese Mahenge und eine Kirchenratssitzung – solche Räte gab es noch nicht lange in Tansania – in der Pfarrei Biro vom 5. Oktober 1964. Es sei eine Freude zu sehen «wie die Kirchenräte die Sache … ihrer Pfarrei ernst nehmen.» (S. 13). Ein eher akademisches Interview mit dem Liturgieprofessor (und späteren Bischof von Basel) Anton Hänggi sowie neun Seiten reich bebilderte Kurznachrichten runden das Heft ab, dessen Sprache den offenen Geist und die Aufbruchstimmung des Konzils atmen.

1981
Wir überspringen ein Jahrzehnt und analysieren die Nummer von 1981. Nur so viel: Seit 1965 zeigt sich im Layout von ITE die eigene, originelle Handschrift des bekannten Graphikers Karl Rüde (gestorben 2012), der bis 2004, also noch in seinem 90. Lebensjahr, ITE prägte: Seitenfüllende, markante Fotos, originelle Titel, klar durchgestaltete und strukturierte Artikel, das sind Rüdes Markenzeichen.

Genau in diesem Stil kommt auch das Heft 1/1981 mit dem Untertitel «Illustrierte Missionszeitschrift» daher, das der weltweiten Flüchtlingssituation gewidmet ist. Das Heft behandelt das emotional aufgeladene Thema der Flüchtlingsnot sachlich, aber doch aus der Sicht christlicher Nächstenliebe. Flüchtlinge seien die «Abfallware heutiger Weltpolitik», so die Legende zum eindrücklichen Titelbild, das jugendliche Flüchtlinge aus Kambodscha hinter Stacheldraht zeigt. Im Thementeil des Heftes gibt es keine Artikel zur religiösen Erbauung mehr, auch keine Erlebnisberichte von Kapuzinermissionaren. Der langjährige Redaktor Beat Furrer (1972-1991) nähert sich der Thematik des Flüchtlingselends mit einem Hintergrundbericht über die Situation weltweit und der Arbeit der Schweizer Hilfswerke, einem Länderbericht über die Lage in Indochina und einem Augenzeugenbericht über den Besuch eines Flüchtlingslagers in Thailand. Die Flüchtlinge seien, so Pater Pius Gämperle, «Abfall des politischen Kampfes der Grossmächte um Einflusssphären.» Abgerundet wird der Thementeil mit einem kritischen Bericht zur Schweizer Flüchtlingspolitik und einem Interview des kambodschanischen Flüchtlings Bunchay Sereikud, der 1980 in die Schweiz kam. Der ausgebildete Primarschullehrer lobt die Arbeit in der Schweiz als «hart und geordnet», leidet aber unter der Kälte und Heimweh und möchte eigentlich nach Kambodscha zurückkehren (Doch – wie ein kurzes Googeln zeigt – blieb Bunchay Sereikud mit seiner Familie in der Schweiz, studierte an der Hochschule Luzern weiter und arbeitete bis zu seiner Pensionierung 2011 bei einer Privatbank in der Romandie als Prokurist.).

Informationen über die Schweizer Kapuziner werden jetzt in den Kurznachrichten am Ende des Heftes publiziert, darunter neu auch Nachrufe verstorbener Mitbrüder, Werbung über die Angebote im Bildungszentrum Dulliken sowie Kurzberichte über neue Einsatz-Leistende in Tansania.

Interessant vielleicht auch noch die Abokosten des ITE: Lange Jahrzehnte wurde für den Missionsboten kein fixer Abopreis verlangt, man hoffte auf «Almosen» für die Missionare und ihre Tätigkeit; in den 60er-Jahren kostete ein ITE jährlich 1.50.–, damals bereits mit der Bitte, aufzurunden, 1981 bereits 6.– Franken, 1991 8.– Franken und 2001 bereits 15.– (und heute 33.– Franken, also rund 20-mal mehr als um 1960).

1991 – 700 Jahre Schweiz
ITE mausert sich immer mehr zu einem modernen Magazin mit Themen, die weit über Mission, Theologie und Dritte Welt hinausgehen. Zunehmend werden Fragen mit Bezug zur Schweiz, zur Umwelt, Ökologie und Wirtschaft, Ethik und Lebenshilfe aufgenommen, wenn auch die Mission und Entwicklungshilfe, richtigerweise wird jetzt mehr von Entwicklungszusammenarbeit geredet, immer wieder aufscheinen. Besonders augenfällig: Mission als Einbahnstrasse vom «zivilisierten Westen» zu den armen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika ist endgültig passé.

Das zeigt nicht zuletzt ITE 1/1991 aus Anlass des Jubiläums «700 Jahre Schweiz». Die Artikel zeugen von einem gleichberechtigten Geben und Nehmen von Kirche und Gesellschaft in der Schweiz und den früheren Missionsgebieten wie etwa Tansania. «Mögen wir uns im Jubiläumsjahr neu öffnen und fremden Menschen neu und intensiv begegnen. Und wir werden die beglückende Erfahrung machen, dass wir voneinander lernen und uns gegenseitig bereichern können», (S. 3) schreibt Beat Furrer im Editorial. Und der frühere fem-Redaktor Jean Pierre Babey (1966-1982) plädiert dafür, dass das 700-Jahr-Jubiläum eine «Chance zur Erneuerung» (S. 8) für die Kirche in der Schweiz werde. Eine weltweit orientierte Schweiz werde «den Menschen anderer Kultur und Religion in seiner Würde respektieren.» (S.7).

Besonders spannend der kurze und prägnante Artikel des Missionswissenschaftlers Walbert Bühlmann zur Missionskrise der 70er-Jahre, die teils in der «radikalen Infragestellung der Missionierung überhaupt» (S. 10) gipfelte. Die Mission 1991 solle ein Dreifaches sein, plädiert Bühlmann: Ein «Sachwalter der jungen Kirchen»; «besorgt für das Missionsland Schweiz», denn «das Unbehagen in der Kirche, das Leiden in der Kirche breitet sich wie eine Seuche aus»; und die «missionarisch engagierten Christen sollen den katholischen = weltweiten Blick wahren und die Interessen der gesamten Welt vertreten» (S. 11). Und schliesslich solle man nicht nur «Missionsgaben spenden», sondern «die zutiefst christlichen Werte wie Gerechtigkeit, Güte, Geschwisterlichkeit usw. hochhalten und … glaubwürdig vorleben.» (S.11)

Schliesslich kommt bereits auch der nächste ITE-Redaktor Walter Ludin (1992-2017) zu Wort. Er fordert von den Orden und Hilfswerken nicht nur «Geld sammeln, um die Hungrigen zu speisen», sondern die ungerechten Wirtschaftsbeziehungen und politischen Systeme anzuprangern. (S. 30).

Im Sinne einer verstärkten Kommunikation mit der Leserschaft werden im ITE neu auch Leserbriefe publiziert. Viele befürworten die neue theologische und missionarische Linie der Redaktion, andere aber kritisieren die progressive Haltung von ITE und drohen mit Kündigung des Abonnements. Diese Stimmen sind nicht zuletzt ein Zeichen dafür, dass viele traditionelle Gläubige mit dem neuen Kirchen- und Missionsbild nicht klarkommen.

2001 – kleines Format – gross in Form
Das erste Heft nach der Jahrtausendwende ist inhaltlich und vom Layout mit dem Missionsboten 1/1921 kaum mehr zu vergleichen, aber eines bleibt sich auch nach 80 Jahren gleich: Das Format 14.8 x 22.5 (ca. DIN-A5). Die Zürcher Schule für Gestaltung lobt ITE (S. 43): «Es sei ein gelungenes Beispiel, wie auf kleinem Heftformat eine gute Graphik möglich ist. Dank der guten Bildauswahl wirke das Heft grösser.»

Inhaltlich geht auch diese Nummer unter Walter Ludin konsequent ihren Weg weiter. Der christliche Glaube besteht nicht nur religiöser Innerlichkeit und Gotteserfahrung, sondern wesentlich in tätiger Nächstenliebe, in Solidarität mit Menschen am Rande und den Ärmsten der Gesellschaft sowie im Einsatz für Gerechtigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft. Davon zeugen die Beiträge des Themenheftes zum Fastenopfermotto «Neue Noten braucht das Geld». Es geht um ethisch korrekte Geldanlage, um eine kritische Betrachtung von Geldspenden, um die Frage, ob wirklich das Geld alleine die Welt regiert, um sklavenähnliche Verhältnisse auf südafrikanischen Weingütern sowie darum, was die Kapuziner eigentlich mit den an sie gespendeten Geld machen. Und schliesslich wird auch erneut die Frage gestellt, was Mission für die Orden heute bedeutet. Der Kapuziner Othmar Noggler gibt darauf in zwei Beiträgen eine klare Antwort: Es gehe bei der Arbeit der Kapuziner nicht nur um «karitatives Handeln an den Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrückt wurden. Sie bedeutet auch, den Stimmlosen in der Kirche eine Stimme geben» (S. 31). Und es gehe um den «Aufbau einer Gesellschaftsordnung, in der die Würde aller Menschen und Gerechtigkeit gegenüber allen zum erkennbaren Grundgerüst gehört» (S. 33).

Schliesslich wird der Servicecharakter des Magazins weiter erhöht, indem nicht nur Leserbriefe und Werbung für Bildungsangebote publiziert, sondern dass auch ausgewählte Bücher und Zeitschriften rezensiert werden.

2011 – Wer sich verändert, lebt
2001 noch wurde das kleine Format von ITE gelobt, zehn Jahre später wurde das «Layout aus dem letzten Jahrtausend» beerdigt, denn auch für ITE gilt, so der Hefttitel: «Wer sich verändert, lebt». Mit der Einführung des A4-Formats verpflichtete sich ITE zudem, für den Druck nur «Papier aus kontrolliert umwelt- und sozialverträglich genutzten Wäldern» zu verwenden. Walter Ludin bezeichnet die Änderungen als «verhältnismässig gering» (S. 11), doch sie stechen ins Auge. Der Graphiker Stefan Zumsteg hat viel breitere und bessere Gestaltungsmöglichkeiten, die Farbfotos – etwa im zweiseitigen Bildbericht auf S. 16 über die «uralten christlichen Wurzeln» in Afrika oder dem farbigen Mittelbild auf S. 24/25 kommen viel besser zur Geltung, die Schrift der Lauftexte ist grösser und moderner.

Inhaltlich zeigen die verschiedenen Texte auf, wie sich «Veränderung» (S. 4) durch die ganze Geschichte der franziskanischen Gemeinschaften zieht. Adrian Müller, heute Chefredaktor, zeigt auf, wie die Kapuziner als Weltorden vor allem in den letzten Jahrzehnten sich intensiv um die Erneuerung des franziskanischen Selbstverständnisses bemüht haben. Sie haben zu fünf Säulen des kapuzinischen Lebens geführt, die nach wie vor gelten: «Kapuzinisches Leben und Tun wird vom Gebet geprägt. – Die Gemeinschaft darf als Geschenk erfahren werden und soll bewusst gepflegt werden. – Kapuziner stellen sich auf die Seite der Menschen am Rand und leben mit ihnen. – Kapuziner arbeiten für das Reich Gottes. – Kapuziner machen sich für Gerechtigkeit, Frieden und Ehrfurcht vor der Schöpfung stark.» (S. 7)

Und wo bleibt da der Missionsgedanke? Dazu hat Pater Alois Voide, der jahrzehntelang im Tschad gewirkt hat, in seinem Erfahrungsbericht eine klare Meinung: «Früher hatten wir Missionare alles in unseren Händen. Jetzt sind wir Diener einer dienenden Kirche. Wir haben gesät und gepflanzt; jetzt arbeiten andere weiter. Dabei geht es immer um ein und denselben Herrn, der verkündet und gefeiert wird.» (S. 14).