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Thomas Halter © Beat Baumgartner
Thomas Halter © Beat Baumgartner

Wir haben darüber mit dem Präsidenten des Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverbandes (SKMV), Thomas Halter, gesprochen.


In der katholischen Liturgie sind Musik und Gesang nicht einfach schönes «Beigemüse», sondern ein wesentliches Gestaltungselement. Wir haben darüber mit dem Präsidenten des Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverbandes (SKMV), Thomas Halter, gesprochen.
Er arbeitet als Kirchenmusiker in Rapperswil-Jona. Zur Sprache kamen auch die Arbeiten am neuen Kirchengesangbuch sowie die Auswirkungen der Covid-Pandemie.

Beat Baumgartner

Thomas Halter, Sie sind mit Leib und Seele Kirchenmusiker, wie kam es eigentlich dazu? Gibt es da eine «erbliche» Vorbelastung?
Mein musikalischer Werdegang war nicht ganz gradlinig. Es wurde bei uns zu Hause in Jona allgemein viel musiziert. Mein grosser Bruder spielte Klavier. Und mein Vater singt bereits seit 65 Jahren im Kirchenchor. Das heisst, Musik hatte bei uns zu Hause immer einen grossen Stellenwert. Ich begann zuerst mit Klavier, später wechselte ich wie mein Bruder zur Orgel. Ich selbst verlor auch etwas das Interesse am Klavier und begann ebenfalls mit Orgelunterricht.  Während meiner Gymnasialzeit stellte sich dann heraus, dass ich lieber Orgel spielte als für die Prüfungen zu lernen. Damals erhielt ich bereits meine erste Organistenhauptstelle auf dem Ricken. So war mein späterer Berufsweg vorgespurt. Ich ging für das Musikstudium an die Akademie für Schul- und Kirchenmusik in Luzern (heutige Musikhochschule). Während des Studiums kam dann auch der erste Kirchenchor dazu.

Was macht denn der spezielle Reiz der Orgel aus?
Die Orgel ist ein sehr vielfarbiges Instrument. Jede Orgel, die man in einer Kirche antrifft, tönt anders, sie hat eine eigene Klangintensität, einen eigenen Charakter und ein besonderes Klangvolumen. Und im Gegensatz zum Klavier spielt man bei der Orgel auch mit den Pedalen Tonfolgen.

Sie sind ja nicht nur Organist, sondern auch Chorleiter. Daneben komponieren Sie. Welche dieser künstlerischen Tätigkeiten üben Sie am liebsten aus?
Tatsächlich musste ich beim Kirchenmusikstudium zwei Hauptfächer belegen: das eine war ein Instrument, sprich die Orgel, und das andere Chorleitung. Mit Chorleitung hatte ich am Anfang weniger zu tun. Ich wuchs dann einfach bei meinem Studium in diese Arbeit hinein, denn wir brauchten ja auch einen Chor zum Üben. Meine erste grosse Stelle in Wil mit der Gesamtverantwortung für die Kirchenmusik einer Pfarrei beinhaltete neben der Aufgabe als Organist auch die Leitung eines Kirchenchores. So stand zwar die Orgel für mich am Anfang im Vordergrund, doch mit der Zeit wurde auch die Leitung von Chören, die Arbeit mit einer Gruppe von Sängerinnen und Sängern, zu einer zweiten grossen Freude meiner Tätigkeit.

Mit katholischer Kirchenmusik assoziieren viele Leute die klassisch hochstehende, anspruchsvolle Musik, weniger die populäre. Muss das wirklich so sein?
Ich habe da meine eigene Meinung. Tatsächlich sind Chor- und Orgelmusik oft in der Kirche klassische Werke. Damit kann man sich zeigen und profilieren. Sie treffen auf eine treue Hörerschaft, aber sie sind halt auch oft schwer zugänglich. Aber gerade in einer lebendigen Pfarrei dürfen solche Werke nicht im Vordergrund stehen. Wir sollten hier mit den Menschen an der Basis arbeiten und ihren Fähigkeiten gerecht werden. Die Leistungsfähigkeit jedes Chores ist anders. Bei weniger leistungsfähigen Chören stelle ich fest, dass gewisse Kolleginnen und Kollegen, die ihre hochgesteckten Ziele nicht erfüllen können, das Handtuch werfen. Das aber finde ich keine gute Lösung. Ich bin überzeugt, dass wir die Werke an die Fähigkeiten des jeweiligen Chores anpassen müssen und das Beste aus dem jeweiligen Chor entsprechend seinem Niveau herausholen müssen. Lieber mit einfacheren Werken brillieren als mit einem hochstehenden klassischen Werk die Erwartungshaltung von sich selber und den Zuhörenden nicht erfüllen.
Kurz gesagt, finde ich: Es sollte beides, das Anspruchsvolle wie Populäre, Platz haben. 2015 hat schweizweit der CANTARS-Anlass stattgefunden, vier Jahre davor bereits auf diözesaner Ebene im Bistum Basel. Dort konnten wir sehr gut aufzeigen, wie vielfältig Kirchenmusik eigentlich ist. Von sehr hochstehenden klassischen Werken bis zu einfachen Kompositionen und Liedern, die gut klingen und an denen die Menschen Freude haben, war da alles vorhanden. Auch Experimentelles und einige Uraufführungen waren dabei. Das war damals ein grosser Gewinn für die Kirchenmusik.

Es gab Epochen, da waren Musik und Gesang – so zu Zeiten Zwinglis 1525 in der Reformierten Kirche Zürichs – ganz verboten. Zwingli befahl gar den Ausbau der Orgeln aus Kirchen. Was soll denn eigentlich Musizieren und Singen im Gottesdienst?
Ganz wichtig: Im katholischen Gottesdienst hat die Musik nicht nur eine Begleitfunktion, sie ist wesentlicher Teil der Liturgie. Musik steht hier im Dienst der Liturgie. Das heisst, Musik muss sich dem Gesamten unterordnen, aber nicht im Sinn, dass sie nur am Rande geduldet ist, sondern dass sie nicht im Vordergrund stehen darf. Sie darf nicht Konkurrenz zu anderen Elementen im Gottesdienst sein. Im besten Fall ergibt sie mit dem Wortteil der Liturgie eine Einheit, verschmilzt quasi mit ihm. Immer gilt: Die Gemeinde soll beteiligt werden und mitsingen, auch wenn ein Chor da ist. Das Beste hier wäre, wenn man es schafft, dass die Gemeinde und der Chor während des Gottesdienstes in eine Art Dialog kommen. Dadurch gibt es ein fröhliches Miteinander und die Liturgie wird mit Leben gefüllt.

Hat die Musik im Gottesdienst bei den Katholiken eine andere Funktion als bei den Reformierten?
Ich habe mit reformierter Kirchenmusik wenig Erfahrung, aber ich denke, dass heute die Musik auch bei Reformierten als Ergänzung zum Wort eine wichtige Aufgabe hat. Doch im Gegensatz zu katholischen darf die Musik bei reformierten Gottesdiensten sehr lange sein. Bei normalen katholischen Gottesdiensten wird erwartet, dass die musikalischen Einlagen nicht zu lange dauern, geschweige denn im Zentrum stehen, sonst wird der Gottesdienst zu einem Konzert. Allerdings gibt es auch katholische Gottesdienste, wo die Musik klar im Vordergrund steht. Ich vergleiche die katholische Liturgie mit einem Theaterstück: Langsamer Aufbau, Höhepunkt und Schluss. Damit der rote Faden gewahrt bleibt, darf das Pendel weder zu stark in Richtung Wort noch Musik ausschlagen. Der katholische Gottesdienst ist ja wie ein wunderbares Gesamtkunstwerk, über Jahrtausende entstanden, alles hat dort seinen angestammten Platz. Früher, während meines Studiums, empfand ich diesen streng geordneten Ablauf noch als sehr einschränkend, weil er mir wenig gestalterischen Freiraum gab. Aber andererseits gibt diese Struktur eine grosse Sicherheit und Vertrautheit, weil der katholische Gottesdienst auf der ganzen Welt überall gleich abläuft. Das ist ein grosser Gewinn.

Vor nicht allzu langer Zeit gab es in der katholischen Kirche auch eine Bewegung, sehr moderne und populäre Musik – wie Rock, Pop usw. – einzubinden. Heute versuchen insbesondere Freikirchen, bei ihren Veranstaltungen stark mit moderner Musik zu arbeiten. Mich dünkt aber, in der katholischen Messe hat sich das nicht durchgesetzt.
Ich persönlich finde, man sollte sich den Bedürfnissen der Pfarreien anpassen. Die grosse Chance der neu entstandenen Seelsorgeeinheiten oder Pastoralräume ist ja, dass man auch musikalisch die Ausrichtung der Gottesdienste den Besucherinnen und Besuchern anpassen kann. Zum Beispiel in meiner Seelsorgeeinheit in Rapperswil-Jona. Hier setzt die Kirche in der Altstadt – mit eher älterem Publikum – voll auf klassische Musik, in Jona ist das Publikum breiter und auch die Musik vielfältiger, in der dritten Pfarrei wohnen hauptsächlich Familien rund um die Kirche. Dort hat das musikalische Angebot eher einen moderneren Schwerpunkt.

Viele Menschen finden ja den Zugang zu Musik mit religiösen Themen eher in Konzertsälen mit klassischen Konzerten als in der Kirche. Es gibt doch einen Unterschied zwischen geistlicher Musik und religiöser Musik in der Liturgie?
Ja, das stimmt. Geistliche Musik ist nicht unbedingt liturgische Musik. Geistliche Musik, das kann beispielsweise ein mehrstündiges Oratorium von Bach oder Händel sein. Ein solches Werk ist in einem Gottesdienst gar nicht einsetzbar, aber ev. kann man einzelne Elemente daraus nehmen für eine Messe. Wieso nicht eine Strophe eines Gemeindeliedes mit einem Satz aus einer entsprechenden Bachkantate kombinieren? Und schon tritt der Chor mit der Gemeinde in den Dialog.

Thomas Halter, Sie sind auch Präsident des SKMV. Was ist die Aufgabe dieses doch eher unbekannten kirchlichen Verbandes?
Der SKMV ist der Dachverband der Kirchenmusikverbände der einzelnen Bistümer. In der Deutschschweiz sind das fünf Verbände. Unser Verband wurde 1988 als eigenständiger Landesverband gegründet. Der Vorgängerverband war seit 1868 Teil des Allgemeinen Cäcilienvereins, der im Zuge des Cäcilianismus (katholische kirchenmusikalische Restaurationsbewegung des 19. Jahrhunderts, die Red.) von Franz Xaver Witt gegründet worden war, und dem die drei Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz angehörten. Wir arbeiten also seit jeher international zusammen.
Bis vor etwa 10 Jahren war der SKMV viel aktiver als heute und hat auch grosse liturgische Tagungen durchgeführt. In der Zwischenzeit ist die Verantwortung der diözesanen Verbände gewachsen. Der SKMV übernimmt heute vor allem Koordinationsaufgaben für die einzelnen Diözesanverbände, denn seine Geldmittel sind beschränkt. Daneben arbeitet er mit dem liturgischen Institut in Freiburg i. Ue. zusammen. So etwa hat die Fachstelle Kirchenmusik des Instituts viele der Aufgaben des SKMV übernommen. Da die Fachstelle aber nicht sehr hoch dotiert ist, bleiben mehr als genug Aufgaben doch dem Verband überlassen. So zum Beispiel die Ausarbeitung des Berufsbildes Kirchenmusik.

Eine wichtige Aufgabe des SKMV ist offenbar auch die Berufswerbung?
Das stimmt. Wir machen auch dafür Werbung, dass der Beruf des Kirchenmusikers, der Kirchenmusikerin eine sehr interessante, sinnvolle und vielfältige Tätigkeit ist und dass man hier sehr viele berufliche Möglichkeiten hat. Wir arbeiten daran, dass dieser Beruf wieder verstärkt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung kommt. Denn auch wenn es manchmal so scheint, also ob die Kirche ein Auslaufmodell ist, mag ich nicht so recht daran glauben. Sie muss und wird sich wandeln. Das gemeinsame Feiern einer Glaubensgemeinschaft wird auch in Zukunft nicht ohne Musik auskommen und hier ist dann eine breite musikalische und hohe liturgische Kompetenz gefordert.

Wo kann ich denn in der Schweiz Kirchenmusik studieren?
Ich beginne mit der Stufe Hochschule. Für Kirchenmusik sind zwei Universitäten wichtig: Die Hochschule Luzern, noch immer stärker auf katholische Kirchenmusik ausgerichtet, und die Universität Zürich: Sie ist offiziell ökumenisch ausgerichtet, hat aber doch einen eher «reformierten Touch». Das sind die einzigen Orte, wo Kirchenmusik auf Hochschulstufe gelehrt wird. St. Gallen hat etwas Spezielles, es bietet das sehr praxisbezogene B-Diplom für nebenamtliche Organisten und Chorleiter an. Zudem bieten St. Gallen wie auch andere regionale Schulen noch ein sogenanntes C-Diplom als Grundausbildung an.

Wie gross ist überhaupt die Nachfrage nach Organisten/innen und Chorleiter/innen?
Die Nachfrage in der Deutschschweiz ist meiner Meinung nach sehr gross und wachsend, da insbesondere viele Organistinnen und Organisten, aber zum Teil auch Chorleitende, im Rentenalter stehen. Wenn heute etwa Chorleiter gesucht werden, so finden sich dafür selten Leute mit eigentlicher kirchenmusikalischer Ausbildung, viele kommen aus dem weltlichen Bereich. Zur wachsenden Nachfrage nach Kirchenmusikern trägt auch die Bildung der Seelsorgeeinheiten oder Pastoralräume bei, denn in ihnen können attraktive Tätigkeiten mit einem ansprechend grossen Pensum angeboten werden. Es gibt gute Beispiele dafür, wo die Musik im Pastoralraum gewinnt, weil gut ausgebildete Kirchenmusikerinnen ein attraktives Tätigkeitsfeld finden.

Wie lange dauert denn eine Ausbildung zum Kirchenmusiker?
Eine C-Ausbildung dauert in der Regel 2 Jahre, Bachelor etwa drei Jahre, ein Hochschulstudium in Zürich und Luzern vier bis fünf Jahre.

Kann man eigentlich ein guter Kirchenmusiker sein, ohne selber gläubig zu sein?
Es hat sicher einen Vorteil als Kirchenmusiker oder -musikerin, wenn man selber gläubig ist. Mindestens sollte man einen positiven Bezug zur Institution Kirche haben, auch wenn man sich selber vielleicht nicht als Christ bezeichnet. Der Bezug zum Glauben hilft einem als Musiker und Musikerin, warum welches Lied, welches Stück, in welchem Moment des Gottesdienstes eingesetzt werden soll. Man erkennt, warum dieses Lied mit diesem Text einem anspricht und welche Glaubensüberzeugung hinter dem Text steht. Und man kann eher sagen: Stimmt dieser Text noch mit der heutigen Glaubensüberzeugung überein oder lässt man diese Strophe nicht eher weg?

In Sursee wurde vor zwei Jahren erfolgreich das Projekt «Kinder an der Orgel» lanciert. Was halten Sie davon?
Ich finde dieses Projekt sehr spannend und hoffe, es wird noch etwas mehr Wellen ziehen. Ich finde es toll, dass so Kinder spielerisch an die Orgel herangeführt werden. Ich selber habe auch immer Freude, wenn Schulklassen anfragen, ob man die Orgel anschauen kommen könne.

Ist Orgel spielen schwieriger oder einfacher als Klavier?
Ich meine einfacher. Beim Klavier spielen muss jeder Finger ein eigenes Gefühl für die Stärke des Anschlages entwickeln. Dem Orgelspiel eigen ist, dass man mit beiden Händen und mit beiden Füssen spielen muss. Dazu braucht es mehr koordinative Fähigkeiten als beim Klavier spielen. Das Orgelspiel verläuft eher linear, beim Klavier arbeitet man häufiger mit vollgriffigen Akkorden. Die Tonstärke bei der Orgel hat eine sehr grosse Bandbreite, von extrem leise bis sehr laut. Dazu muss man selber nicht viel beitragen, das machen die Register, man muss einfach die Tasten drücken … (lacht)

Es gibt Bestrebungen, das 1998 letztmals revidierte Kirchengesangbuch (KG) zu überprüfen. In welche Richtung sollen diese Bestrebungen, die unter der Leitung des Liturgischen Instituts laufen, gehen? Soll der Liederschatz moderner werden? Will man sich stärker ans deutsch-österreichische «Gotteslob» anlehnen? Will man die Anzahl Lieder reduzieren usw.?
Das Kirchengesangbuch von 1966 war das erste Gesangbuch für die gesamte Deutschschweiz. 1998, also 32 Jahre später, wurde dann das revidierte KG eingeführt. Jetzt – 24 Jahre nach der Einführung des KGs – stehen wir vor der Frage, ob wir erneut das KG einer Revision unterziehen wollen. Das geschieht jetzt im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Deutschschweizer Ordinarienkonferenz, die vor drei Jahren mit den Arbeiten begonnen hat. Man muss sehen, dass die Vorlaufszeit für ein neues Kirchengesangbuch ungefähr zehn Jahre dauert, das würde bedeuten, dass die Ausgabe von 1998 dereinst über dreissig Jahre ihren Dienst getan hat. Heute arbeiten viele Gemeinden bereits mit dem ökumenischen Liederbuch «rise up» oder «rise up plus», das auch moderne Gesänge aus Gospel und Pop enthält und auch jüngere Menschen anspricht. Es gibt diesbezügliche Überlegungen, auch einen Teil dieses Repertoires ins neue KG zu integrieren. Es geht bei diesen Überlegungen um viele Fragen: Was will man mit so einem Buch überhaupt? Welche Lieder sollen aufgenommen werden, angesichts der Tatsache, dass die Trends auch bei religiösen Gesängen immer schnelllebiger werden, und viele Lieder schon nach weniger Jahren wieder aus der Mode kommen? Auch die Frage, ob ein gedrucktes Buch wirklich Sinn macht, oder man nicht eher eine digitale Liedersammlung aufbauen soll, steht im Raum.

Ich erwähnte vorhin das «Gotteslob», das gemeinsame Gebet- und Gesangbuch aller deutschsprachigen katholischen Bistümer ausser der Schweiz. Ev. liessen sich ja auch davon Lieder aufnehmen?
Ja, auch diese Frage wird diskutiert. Die Einführung des KG 1998 war ja ein grosser Wurf in dem Sinne, dass wir in der Schweiz ökumenisch zusammenarbeiteten. Im jetzigen KG sind gegen 300 Lieder für Reformierte wie Katholiken die gleichen, das ist ein grosser Schatz. Wenn man sich allerdings ans «Gotteslob» anschliesst, würde man als Konsequenz auf einen grossen Teil dieser gemeinsamen Lieder verzichten, denn das «Gotteslob» stimmt weniger mit dem Reformierten Gesangbuch überein. Auch die Reformierten der Schweiz machen sich jetzt Überlegungen, ob sie ein neues Kirchengesangbuch wollen.

Zum Schluss noch das unweigerliche Thema Covid. Die Pandemie hat die katholischen Kirchenchöre seit über zwei Jahren ziemlich getroffen: Es gab viele Einschränkungen und zeitweise sogar Sistierung der Proben und der Auftritte. Wie haben Sie, auch als SKMV-Präsident, diese Zeit erlebt?
Interessant ist, dass gerade in dieser Zeit die Bedeutung des SKMV wieder sehr gewachsen ist. Er musste Empfehlungen abgeben, die Schutzmassnahmen ausarbeiten und sich gemeinsam mit den anderen Chorverbänden der Schweiz koordinieren. Als im Frühling 2020 der Lockdown für die ganze Schweiz kam, gab es auch für die Kirchenchöre einen Stillstand, das war klar.
Und auch nach der erzwungenen Lockdownpause durften die Chöre – wie übrigens auch die Gottesdienstbesucher – anfänglich nicht mehr singen, die Behörden erachteten Singen als gefährliche Infektionsquelle. Dann wurden Studien bekannt, die besagten, dass Singen nicht gefährlicher ist für die Ausbreitung des Virus als Reden. Wir haben uns in der Folge, zusammen mit anderen Chorverbänden, erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Gefährlichkeit des Singens reell eingeschätzt wird. Im Sommer 2021 gingen die Ansteckungszahlen zurück, die Chöre begannen wieder mit Proben und Singen. Der SKMV hat Schutzkonzepte vorgeschlagen und eingeführt, das ging lange Zeit gut. Ich hörte gerade mal von einem weltlichen Chor, wo es zu Ansteckungen gekommen ist. Wir kamen schliesslich so weit, dass Singen in Chören mit den eingeführten Schutzkonzepten, Kontaktbeschränkungen und Massnahmen anderen Vereinsveranstaltungen gleichgesetzt wird. Im 2021 war also die Situation klarer und es wurde nicht mehr undifferenziert gegen das Singen geschossen. Der SKMV hat letztes Jahr auch eine Petition gegen die Benachteiligung von Chören eingereicht. Wir haben darin unter anderem die wichtige soziale Aufgabe von Chören für ältere Menschen betont. Die Situation hat sich im Verlaufe des letzten Jahres dann wieder geändert, als die Impfungen aufkamen, anschliessend die Deltavariante grassierte und schliesslich sich gegen Ende 2021 die mildere Omikronvariante ausbreitete. Ich hoffe jetzt natürlich, dass wir im 2022 auch beim Chorsingen langsam wieder zu einem Normalzustand kommen.

Wird das Chorwesen nach Corona ein anderes sein?
Die ganzen Einschränkungen durch die Pandemie haben den Chören nicht gutgetan. Gewisse Chormitglieder haben die Gelegenheit zum Pausieren genutzt, ob sie nach Corona wieder zurückkommen, ist unsicher. Dann haben auch die Diskussionen pro oder kontra Impfungen zu Konflikten in vielen Chören geführt. Es kam hin und wieder zu heftigen und oft gehässigen Diskussionen. Was hinzukommt: Es war für die Chöre in den Jahren 2020 und 2021 nicht möglich, neue Mitglieder zu gewinnen. Ich kann darum noch nicht sagen, inwiefern die Coronapandemie die Situation der Chöre in der Schweiz verändert hat.