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Die afrikanischen Männer kommen im vorliegenden ite-Heft nicht sonderlich gut davon. Das ist leicht erklärbar: Die eingehende Beschäftigung mit der rechtlich, sozial und gesellschaftlich diskriminierenden Situation der Frau in Afrika lässt die Männer zwangsläufig in einem schiefen Licht erscheinen. Aber sind es «die» Männer? Oder sind es nicht in erster Linie die einst von Männern geschaffenen und bis heute geltenden gesellschaftlichen Normen und Traditionen, welche die afrikanischen Männer bevorzugen und die Frauen in fast allen Bereichen benachteili

Isaac und Lucy

Isaac, unser Nachtwächter, fügt diesen beiden Sichtweisen eine dritte hinzu. «Ausschlaggebend ist doch, dass der einzelne Mann seine Frau gut behandelt», sagt er, «ist dies nicht der Fall, nützen alle Gesetze nichts.»

Nun ist Isaac ein ausgesprochen herzlicher und guter Familienvater. Ungeachtet dessen, was die Nachbarn denken mögen, tollt er mit den Kindern herum. Er liebt seine Frau Lucy sehr. Beim Kauf der Kühe lässt er sie auswählen, auch wenn der Viehhändler die Nase rümpft und einen merkwürdigen Blick auf Isaac wirft. «Lucy versteht mehr als ich.»

Keine dieser drei Sichtweisen vermag für sich allein zu bestehen. «Afrikas Männer sind faul, haben eine grosse Klappe und plustern ihr Ego auf Kosten ihrer Frauen auf», urteilt der nigerianische Schriftsteller Sabella Ogbobode Abidde. Er rät den Frauen: «Wirf den Mann aus dem Haus und er zerfällt in Stücke. Verweigere ihm Sex und er beginnt zu jammern. Verweigere ihm das Essen und er wird wimmern wie ein Säugling.»

So einfach ist die Sachlage wohl nicht, zumal in der Regel es die Frauen sind, die aus dem Haus geworfen werden.

Millionen fürsorgliche Väter

Es gibt in Afrika Millionen von Männern wie Isaac, die ihre Frauen lieben und respektieren, hart arbeiten und fürsorgliche Väter sind. Aber Gesetze über den Schutz und die Unversehrbarkeit des Individuums und Regeln für das Funktionieren der Gesellschaft müssen nicht nur vor Übergriffen und in Notfällen schützen. Sie sind auf lange Sicht hinaus Leitplanken und Basis für Verhaltensnormen, die dem einzelnen Menschen Rechtsgleichheit und -sicherheit garantieren, unabhängig von Geschlecht, Religion und Volksgruppe.

Hassans Tochter

Noch fehlen solche Perspektiven für die afrikanische Frau. Sie ist eingebunden in die ungleiche soziale und wirtschaftliche Beziehung zwischen Mann und Frau; eingezwängt in Traditionen, Sitten und Bräuche, die sich einseitig zu Lasten der Frauen auswirken.
Auch wenn in den städtischen Regionen des Kontinents die Traditionen bröckeln: Sie sind nach wie vor tief verwurzelt in den einzelnen Volksgruppen. Und was tief verwurzelt ist, wird selten auf Tauglichkeit und Stichhaltigkeit hinterfragt, auch nicht von guten Vätern wie etwa Hassan.

Auf unserer Fahrt durch den Tschad verging kein Tag, an dem er nicht wenigstes einmal von seiner klugen und schönen Tochter Amina schwärmte, die eben erst – 12 Jahre alt – verheiratet worden war. «Aber sie zieht erst zu ihrem Mann, wenn sie die Schule mit der Matura abgeschlossen hat, also etwa 19 Jahre alt sein wird», fügte Hassan bei. Warum hast du nicht mit der Heirat zugewartet und deine Tochter auswählen lassen? «Das geht nicht», antwortete Hassan erstaunt. «Ich habe ihn ausgesucht. Das ist bei uns Sitte.»

Männer tragen kein Wasser

Selbst ein Mann, der seine Frau liebt, findet nichts daran, wenn sie täglich zwei Stunden zum Fluss läuft und mit 25 Litern Wasser auf dem Rücken zwei Stunden zurückmarschieren muss. Wahrscheinlich wäre es um die Trinkwasserversorgung Afrikas besser gestellt, wenn die Männer sich um das Wasser kümmern müssten. Aber dagegen haben sie vorgesorgt, wie die Luhiya im Westen Kenias: Gemäss der Tradition ist es für einen Mann nicht zumutbar, einen Wasserkanister zu tragen. Erlaubt ist lediglich der Transport auf einem Velo oder einem Karren.

Fehlendes Bewusstsein

Das Lähmende am Blick auf die Stellung der afrikanischen Frau und auf allfällige Korrekturen ist die Selbstverständlichkeit, mit der diese Traditionen und Bräuche akzeptiert werden, auch heute noch, im 21. Jahrhundert. Mit aller Vorsicht lässt sich sagen: Bei den Männern fehlt das Bewusstsein für die diskriminierende Wirkung der Traditionen auf die Frauen. Und wenn das Bewusstsein zumindest ansatzweise da ist, werden die Traditionen als Teil der soziokulturellen Strukturen verteidigt. Sie stärken die Stellung des Mannes.

Noch lähmender ist die Bereitschaft der Frauen, mit der sie diese Traditionen respektieren und sich ihnen unterjochen. Sie drängen und zwingen ihre Töchter genau so zur Beschneidung, wie sie ihre Söhne bevorzugen und nur die Töchter zu Hausarbeit beiziehen oder wie sie die Schläge ihrer Männer und die Vertreibung aus dem Haus klaglos hinnehmen, weil die Traditionen dem Mann das Recht dazu einräumen.

«Es ist halt so»

Allerdings haben die Frauen, gerade auf dem Land, kaum eine Möglichkeit, sich zu wehren, zumal die Institutionen, an die sie sich wenden müssten, wiederum von Männern dominiert sind. «Das ist halt bei uns Luhiya so», sagte Rose aus dem Volk der Luhiya im Westen Kenias und Hausmädchen bei den Nachbarn hier in Nairobi, als ihr Mann sie wegen angeblicher Untreue verstiess. Sie musste ihre drei Kinder, auch den erst neun Monate alten Säugling, dem Mann überlassen – «bei den Luhiya ist das so», sagte sie resigniert. Es reichte etwas Geld, eine gute Rechtsanwältin und moralische Rückenstärkung – und Rose erhielt ihre Kinder zurück.

Erziehung und Gesetze

«Es ist eine Frage der Wahrnehmung», sagt der kenianische Soziologe Joseph Ngala. «Wer eingebunden ist in die Grossfamilie und ins Dorf, findet das normal und richtig.» Auf die Erziehung zu setzen, wie es Ngala fordert, ist ein Weg. Allerdings zeigt der Blick in die Schulbücher quer durch den Kontinent, dass sie die Rollenfixierung kritiklos weitergeben. Darum braucht es die Gesetze, und bräuchte es den Willen von Regierungen und Parlamenten, den Gesetzen Nachachtung zu verschaffen. Die afrikanischen Frauenorganisationen müssten für ihre Lobbyarbeit mehr unterstützt werden.

Nicht alle Traditionen sind ein Übel. Ohne die tief verankerte und schöne innerfamiliäre Solidarität wäre es um Afrika schlecht bestellt. Aber die meisten anderen Traditionen, vor allem jene zur Unterjochung der Frauen, machen längst keinen Sinn mehr und behindern die Entwicklung Afrikas.

Namenszwänge

Isaac, unser Nachtwächter, diskutiert gerne über solche Fragen. Für ihn ist gegenseitiger Respekt wichtig, nicht Tradition. Vor ein paar Wochen gebar ihm seine Lucy einen zweiten Knaben. Er hat nun zwei Buben und zwei Mädchen.

«Ein Mädchen wird nach meiner Mutter benannt, eines nach der Schwiegermutter, ein Sohn nach meinem Vater und der jüngste nach meinem Schwiegervater.» Damit kann er die wichtige Aufgabe des «namings», des Namengebens erfüllen, ohne weitere Anspielungen gewärtigen zu müssen. Die Benennung der Kinder nach den Grosseltern spannt den Bogen über die Generationen hinweg und hat im kenianischen Volk der Kikuyu eine zentrale Bedeutung. «Ich bin Kleinbauer, ich weiss, die vier Kinder sind eine Bürde. Aber nun sind alle zufrieden, ich auch und meine Frau Lucy erst recht.»

Peter Baumgartner

 

Zu viel Wasser getragen

WLu. Männer tragen in Afrika kein Wasser herbei. Trotzdem kam ich in den Verdacht, es getan zu haben. Es war weit draussen im Busch von Tansania. Ich werde von einigen uralten Frauen begrüsst – die zu meiner Verwirrung in schallendes Gelächter ausbrechen. Mein Begleiter klärt mich auf: Eine Frau sagte, ich hätte zu viel Wasser getragen. Ich begreife immer noch nicht, bis ich erfahre, dies sei eine Anspielung auf meine Glatze. In Afrika werden schwere Lasten oft auf dem Kopf getragen.

 

ite2007-3

Frauen in Afrika

ite 2007/3

Was wäre Afrika ohne Frauen
«Man nennt mich Mama Zero»
Männer im schiefen Licht