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Jeder Tätigkeit ist Arbeit | Fernand Rausser, Bolligen
Jeder Tätigkeit ist Arbeit | Fernand Rausser, Bolligen

Die Arbeit ist für den Menschen da

Als ich an meiner Doktorarbeit arbeitete, wurde ich von einem Bekannten gefragt, was ich gerade tue. «Ich lese», gab ich zur Antwort, worauf er mich fragte: «Und was arbeitest du?»

Diese kurze Episode mag aufzeigen, wie unterschiedlich wir noch heute an das Thema «Arbeit» herangehen. Zwei Rückfragen stellen sich bei dieser kurzen Geschichte: Ist Lesen keine Arbeit, weil ich damit  noch) kein Geld verdiene? Und: Kann Lesen überhaupt Arbeit sein?

 Unterschiedliche Bewertungen

Ein Blick in die Geschichte unserer Weltgegend zeigt, dass menschliches Tätigsein ganz unterschiedlich bewertet wurde. So hielt bereits Aristoteles im 4. Jahrhundert vor Christus alles menschliche Tätigsein für wichtig im Hinblick auf ein glückliches Leben. Doch machte er einen grossen Unterschied zwischen den Tätigkeiten der Freien und jenen der Unterschichten und Sklaven.

Nur hier spricht Aristoteles von «Arbeit» im Sinne des Hervorbringens von Gütern und Dienstleistungen. Sie sind Zeichen von Notwendigkeiten und letztlich keine Lebensform, in der sich wirklich Freiheit zeigt. Diese zeigt sich nämlich erst bei den Tätigkeiten der freien Bürger – und zwar in drei Formen: im Genuss als niedrigster Stufe, dann im Engagement für das Gemeinwesen (Politik) und als Ideal im Philosophieren, in der Betrachtung des Geistes.

Auch wenn die Römer, nicht zuletzt geprägt von ihrer stark auf die Landwirtschaft ausgerichteten Lebensweise, den Landbau und die Landwirtschaft zu den freien Künsten zählten und damit die aristotelisch- griechische Sicht etwas aufweichten, blieb das christliche Denken über die Arbeit von dieser Zweiteilung stark beeinflusst.

Für Thomas von Aquin (13. Jh.) rangiert die so genannte «vita contemplativa », die Gott zugewandte, spirituelle Lebensweise, die Frömmigkeit und das Beten, klar über der «vita activa», die der Welt zu – gewandtes Tätigsein bezeichnet. Auch das benediktinische «Ora et labora» (Bete und arbeite) wird vielerorts nicht gleichwertig gesehen. Dies zeigt sich etwa daran, dass Mönche und Brüder selbst innerhalb der Klostermauern wie eine Zweiklassengesellschaft funktionieren.

 Biblische Sicht der Gleichwertigkeit …

Weil die Bibel solche Unterschiede nicht macht und sich darum biblisch keine menschliche Tätigkeit gegen eine andere ausspielen lässt, kritisierte Luther den Mönchsstand. Er erinnert aber auch daran, beim Verständnis von Arbeit die biblische Sicht nicht ausser Acht zulassen. In jeder(!) Arbeit nimmt der  Mensch – so die biblische Auffassung – teil an der Mit-Schöpfung dieser Welt.

So zeigt sich in der Arbeit letztlich auch etwas von der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Arbeit ist darum immer auch eine Form von «Gottesdienst». Doch auch der soziale Charakter gehört zur Arbeit: Über die Arbeit findet der Mensch Beziehungen zu Menschen, Tier und Welt.

 … auch Mühsal – und Ruhe!

Doch die biblischen Geschichten sind auch geprägt von der Realität des Alltags. Arbeit ist Mühe, häufig auch undankbar und «ein Chrampf». Vielleicht liegt gerade auch hier der Kern, weshalb Arbeit nicht das ganze Leben ausmachen darf. Denn entscheidender – vielleicht gerade für uns heutige Menschen – als die Arbeit und das Tätigsein für sich ist nach biblischer Sicht der Ausgleich entscheidend, die Ruhe, der Sabbat. Keine Arbeit ohne Ruhe, aber auch keine Ruhe ohne Arbeit – so kann die  iblische Sicht auf den Punkt gebracht werden.

Heute zeigt sich die Arbeitswelt von einer Seite, die in vielem an die Zeiten der beginnenden Industrialisierung erinnert. Ein Bekannter, der bei einer Bank arbeitet, erzählte mir, wie belastend für ihn diewöchentlichen Leistungsziele sind.  «Nur noch Zahlen zählen, nicht die Menschen!», meinte er. Und am Postschalter konnte ich hören, dass es den Schalterangestellten verboten ist, persönliche Gespräche mit Kundinnen zu führen – darunter leide der Umsatz!

 Industrialisierung und soziale Frage

Mit der Industrialisierung wird Arbeit zum «Motor» des Fortschritts. Es wird notwendig, Arbeit zu teilen. Leistung bekommt in Verbindung auch mit der Individualisierung des Lebens eine andere Bedeutung. Sie schafft zwar Wohlstand, führt aber auch zu neuen Ausgrenzungen. So beginnt ein Entfremdungsprozess zwischen Mensch und Arbeit bzw. ihrem Produkt als Folge der verstärkten Arbeitsteilung. Verbunden mit den weltanschaulichen Entwicklungen des Liberalismus (Kapitalismus) und Marxismus (Sozialismus) führt dies im 19. Jahrhundert zur «sozialen Frage».

Erst Ende des 19. Jh. reagiert die römisch-katholische Kirche 1891 unter Papst Leo XIII. offiziell mit der Enzyklika «Rerum novarum». Für sie vermag weder der Kapitalismus, der allein den Marktkräften die gesellschaftliche Regulierung überlassen möchte, noch der Sozialismus, der die gesellschaftlichen Probleme durch die Überwindung des Privateigentums und Klassenkampf bewältigen will, die Probleme zu lösen.

 Arbeit und Kapital bedingen sich

Arbeit und Kapital sind aufeinander angewiesen; ebenso sind es jene, die Arbeit schaffen, wie jene, die arbeiten. Wer nur eigene Interessen verfolgt, schadet dem Zusammenleben.Entscheidend ist, dass im Zentrum aller gesellschaftlichen Anstrengungen der Mensch selber steht. Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt.

Arbeitszeiten, Ruhezeiten sowie die Arbeit von Frauen und Kindern müssen darum so geregelt wer den, dass sie dem arbeitenden Menschen und den Familien dienlich sind. Diese Menschen-Orientierung muss sich direkt in der Lohnhöhe niederschlagen. Der Lohn muss eine Familie ernähren können. Bereits hier klingt an, was Papst Johannes Paul II. dann in seiner Enzyklika Laborem exercens über die Arbeit 1981 mit aller Deutlichkeit hervorstreicht: «Menschliche Arbeit hat mit dem Sinn des Lebens zu tun.»

 Selbstverwirklichung

Arbeit hat eine «objektive» Seite. Hier steht der Mensch in Beziehung zu Technik und Natur, bringt etwas hervor, verbessert und nutzt die Technik zur Erleichterung des Tuns.

In der Arbeit ist der Mensch aber immer auch Subjekt. Er findet in der Arbeit sich selber als Mensch und erfährt durch die Arbeit etwas Wichtiges für den Sinn des eigenen Lebens. Arbeit ist mehr als Ware. Arbeitende müssen in ihrer Tätigkeit mehr als simple Bewältigung des Lebensalltags und Beschaffung des Lebensunterhalts erfahren. Damit wird angetönt, dass jeder Beruf immer auch die Frage der Berufung aufwirft und im Innersten wohl auch beantwortet haben will, wenn etwa Menschen trotz bester Bezahlung Unzufriedenheit äussern.

 Jede Tätigkeit ist Arbeit

Diese Qualitäten betreffen nicht einzig die Lohn- oder Erwerbsarbeit, sondern jegliche menschliche Tätigkeit wird als Arbeit verstanden. Menschen sind darum in jeder Tätigkeit als Subjekte, als Sinnsuchende und -findende angesprochen und sollen auch als solche

anerkannt werden.

Dies ist nicht unbedeutend. Denn wir haben noch heute grosse Mühe, Haus- und Familienarbeit, freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeiten in unserer Gesellschaft

angemessen wertzuschätzen. Und kriegt doch weitgehend nur wer eine entlöhnte Arbeit hat, öffentliche Anerkennung. Sichtbar wird dies etwa im Umgang mit Erwerbslosigkeit. Nicht zufällig fordert darum Papst Benedikt XVI. in seiner jüngsten Sozialenzyklika «Caritas in veritate» 2009 die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit, weil sich erst darin zeigt, dass der Mensch wirklich im Zentrum gesellschaftlicher Anstrengungen steht.

 Gemeinsam für Arbeitsrechte

In der Arbeit stecken aber nicht nur individuelle Sinnfindung, sondern auch das Teilen und die Beziehung zu andern Menschen sowie zur Natur. Jede Arbeit leistet einen Beitrag zum Wohl aller und kann daher nicht isoliert betrachtet werden.

Damit der Mensch im Zentrum der Arbeit bleibt, braucht es Anstrengungen. Denn Kapital und Gewinnorientierung können dies nicht von sich aus leisten. Gerade angesichts der Entwicklungen zu Beginn es 21. Jahrhunderts erinnert die Enzyklika «Caritas in Veritate » an die Kraft der Arbeitervereinigungen und des solidarischen Einstehens für gerechte und  menschenwürdige Arbeitsverhältnisse.

Dass diese Anstrengungen, die schon vor 120 Jahren formuliert wurden, gehört werden, zeigen etwa die Regulatorien der ILO, der internationalen Arbeitsorganisation der UNO. Die aktuellen politischen Diskussionen machen aber deutlich, dass soziale Sicherheiten immer wieder neu erkämpft werden müssen.

 Neue Dimensionen

Hat die katholische Soziallehre bis heute zur Hauptsache Arbeit im Kontext einer engen Verbindung zu Kapital und Industriegesellschaft verstanden, so wird gerade jetzt wieder deutlich, dass Finanzmarktentwicklungen losgelöst von den realen Wirtschafts- und Arbeitsverhältnissen die Arbeitswelt beherrschen. Dass wir bei der Lektüre von «Rerum novarum» (vom Jahr 1891!) teilweise den Eindruck haben, eine Beschreibung der Verhältnisse von heute zu lesen, weist darauf hin, dass immer wieder nachgedacht werden muss, was es konkret bedeutet, wenn es heisst: Die Arbeit ist für den Menschen da – nicht umgekehrt!

 Thomas Wallimann-Sasaki,

Dr. theol., Sozialethiker, Leiter des Sozialinstituts KAB Schweiz, Zürich


 Stammtischspruch?

WLu. Anfang der 1980er-Jahre führten die Deutschschweizer Kapuziner eine interne Bildungswoche über Arbeit, Wirtschaft und Politik durch. Unter den Referenten war ein Textilunternehmer, seines Zeichens Mitglied der Vereinigung Christlicher Unternehmer/ VCU. Er meinte, die Kirche müsse sich hüten, oberflächliche Parolen zu verbreiten. So habe das Fastenopfer in seiner Agenda den «Stammtischspruch» «Arbeit hat Vorrang vor Kapital» zitiert. Man musste dem Herrn beibringen, dass es sich um eine Aussage von Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika «Laborem exercens» handle.


Sozialinstitut KAB

Das Sozialinstitut der KAB (Kath. ArbeitnehmerInnen-Bewegung der Schweiz) unterstützt Frauen und Männer aus Kirche, Wirtschaft und Politik bei ihrer Suche nach ethisch verantworteten Entscheiden im Kontext von Arbeit und Arbeitswelt. Orientiert am biblisch-christlichen Menschenbild fordert es zur Reflexion heraus und hilft bei der Urteilsbildung.

http://www.sozialinstitut-kab.ch