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– Tannenbaum, Krippe oder Geschenke?
– Lama und Alpaca stehen an der Krippe
– An Weihnachten wird nicht gespart
– Neuanfang und Heimkehr zugleich
– Auch China wird globaler und weihnächtlicher
– Man teilt die Freude des Festes miteinander
– Ein Huhn für gute Freunde
– Geschenke für Nichtchristen
– Überall, aber nicht mehr zu Hause
– Ein Markt vor Weihnachten
– Ein Krippenspiel für die Rosenstadt
– Die Weihnachtsgeschichte aus dem Koran
Kaleidoskop
– Vordenker und Impulsgeber
– Abbé Pierre: 100. Geburtstag
– Der weltweite Kapuzinerorden tagt in Rom
– Karl Rüde
– «schiefe Fragen» – Interview mit Br. Niklaus Kuster

Die Kulisse der Rapperswiler Schlosstreppe und die Zirkustiere vom Circus Knie inspirierten den damaligen Autor Pius Rickenmann zum Text. Bruno Felix Saladin, Musikdirektor der Caecilia Musikgesellschaft, schrieb die Musik. Die Spielerinnen und Spieler, Sängerinnen und Sänger rekrutierten sich damals aus der dramatischen Gesellschaft sowie der katholischen Musikgesellschaft Caecilia.  Heute sind die Darsteller nicht nur aus Rapperswil-Jona, sondern aus der ganzen Region.

Eine eigene Weihnachtsgeschichte

Krippenspiele gibt es landauf und landab sehr viele. Das Rapperswiler Sternsingen zählt hier zu etwas Besonderem, denn der Text des Krippenspiels ist speziell für Rapperswil geschrieben worden. Im Grundsatz unterscheidet sich dasRapperswiler Sternsingen, immer  am 4. Adventssonntag um 18 Uhr, nicht von anderen Krippenspielen. Im Zentrum stehen immer die Geburt Jesu und die Verweigerung der Herberge sowie der Besuch der drei Könige und der Hirten.

Trotz oder gerade wegen der Kulisse mit dem Burgaufstieg war das Rapperswiler Sternsingerspiel schweizweit ein Novum. Nicht verwunderlich, dass es jedes Jahr weit über 1000 Zuschauer in die Altstadt lockt. Denn das Mysterium der Geburt Jesu, dargestellt von über 100 Laienschauspielern, ist einzigartig.

Betteln für Gutes

Am 5. Januar 1958 begannen engagierte und einflussreiche Leute in Rapperswil mit diesem Heischebrauch (heischen = betteln) – doch wurde er professionell aufgezogen.Schnell entwickelte er sich in eine  eigene Richtung. Der zweite Umzug fand nicht mehr im Januar, sondern am vierten Adventssonntag 1959 statt. Das hat Programm: Nicht die drei Könige, sondern das Krippenspiel steht im Mittelpunkt und soll auf Weihnachten einstimmen. Seither – sofern dieser Tag nicht auf den 24. Dezember fällt – findet das Sternsingen am vierten Adventssonntag statt. Ursprünglich zogen sich die Sternsinger in den Hallen des Circus Knie um. «Da ist immer alles voller Sägemehl gewesen », erinnert sich Regisseur Peppi Mächler. Er hatte beim dritten Umzug erstmals mitgemacht und ist seit 1989 für die Regie zuständig. Als die Bahnbarriere beim Bahnhof durch eine Unterführung ersetzt wurde, musste ein neuer Weg gesucht werden – die edlen Könige, hoch zu Ross, wären nicht mehrdurchgekommen.Seither ziehen sich die Sternsinger im Kapuzinerkloster um und laufen von da durch die Gassen der Altstadt zum Hauptplatz und Burgaufstieg.

Jesus spricht nicht Mundart

Das Rapperswiler Sternsingerspiel ist in Hochdeutsch geschrieben. Die Lieder des Hirtenchors sind 4-stimmige Gesänge, die von den wenigen Chormitgliedern viel abverlangen. Die Lieder der Engel sind 2-stimmig, was für die 20 kleinen Engel – es sind vornehmlich Fünftklässler – sowie die 14 grossen Engel – junge Damen im Alter von 18 bis 30 Jahren – anspruchsvoll ist.

Die Sprache des Spiels sollte einmal geändert werden: Mundart statt Hochdeutsch, doch dies wurde sofort wieder verworfen. Dialekt statt Schriftsprache, die Texte würden ihre ureigene, spezifisch für Rapperswil geschriebene Erzählung der Geburt Jesu verlieren.  Auch heute weisen alle Sternsinger eine inhaltliche und sprachliche Änderung weit von sich. An der guten Tradition soll nicht gerüttelt werden.

Verdiente Schauspieler

Othmar Büchel war an jedem Rapperswiler Sternsingen dabei. Eigentlich sei ja sein Vater als Trossknecht angefragt worden. Dieser habe aber auf seinen Sohn verwiesen. Darum ist Büchel mit 17 Jahren erstmals als grüner Trossknecht mitgezogen. Und so blieb es bis heute.

Einige Kleidungsstücke waren ursprünglich aus bemaltem Kunstledergefertigt. «Haben wir  geschwitzt!», erinnert sich Büchel. Später wurden diese Gewänder durch baumwollene Kleider ersetzt. Entworfen wurden die Kleider von Hedwig Eberle-Giger. Sie entwarf unter anderem auch die Kostüme zum Bundesfeierspiel und zum Welttheater in Einsiedeln.

Die Säulen des Sternsingens

Sternsinger nehmen zwei Aufgaben wahr. Sie bringen den Leuten biblische Geschichten näher und vertiefen damit das Verständnis der christlichen Heilsgeschichte. Im Mittelalter konnte auf diese Weise auch leseunkundigen Menschen die Weihnachtsgeschichte vermittelt werden.

Die Tradition wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch neu entstandene Sternsingen (z.B. Wettingen) und Krippendarstellungen (z.B. Panorama in Einsiedeln) aufgegriffen. «Das Ganze hat einen tiefen Sinn», ist Othmar Büchel überzeugt. Das Sternsingen stellt die biblische Geschichte dar, wie man sie in der Schule gelernt habe.

Zweitens wird mit dem Sternsingen Geld für Soziales gesammelt. «Seit 20 Jahren geht jeder Rappen weiter», sagt Vereinspräsidentin Hildegard Bucher. Vorher wurde vom gesammelten Geld auch einiges für die Kosten des Sternsingens aufgewendet.

Klosterestrich als Lagerraum

Die Sternsinger sammeln jedes Jahr für ein anderes Projekt – alternierend für ein inländisches und für ein ausländisches Werk. Die Empfänger des Geldes werden personenbezogen ausgesucht. So wurde auch schon zweimal für die sozialen Aufgaben des Kapuzinerklosters gesammelt.

Überhaupt hat das Rapperswiler Kapuzinerkloster eine ganz besondere Bedeutung für die Sternsinger. Im Estrich der Kapuziner dürfen die Sternsinger ihre Gewänder und Utensilien lagern. Die Sternsinger sind im Klösterli gern gesehen. Insbesondere die drei Frauen, die für die Kostüme zuständig sind, werden jeweils vonden Brüdern mit Kaffee und feinem Gebäck verwöhnt.

Der Umzug

Wenn die Sternsinger am Sonntagabend um 18 Uhr das Klösterli verlassen, herrscht eine speziell mystische Stimmung. Entlang der Gassenin der  Altstadt stehen Kinder und Erwachsene und lassen sich durch die Sternsinger auf die heiligen Tage einstimmen. Besonders eindrücklich wird diese Stimmung, wenn just um 18 Uhr Schneeflocken vom Himmel fallen.

Angeführt wird der Zug von den kleinen und grossen singenden Engeln. Danach folgen Maria und Josef samt Eselein. Es folgen die Hirten mit ihren Schafen. Hoch zu Ross ziehen zwei der drei Königeeinher, der Mohrenkönig  ist jeweils auf einem Kamel unterwegs. Durch die Altstadt bewegt sich der Tross zum Hauptplatz und schliesslich zum Burgaufstieg.

Die Weihnachtsgeschichte

Das traditionelle Krippenspiel wird in diesem Jahr zum 55. Mal durchgeführt. Auf dem Hauptplatz zum Burgaufstieg können die Zuschauer mitverfolgen, wie Maria und Josef mit ihrem Esel eine Herberge suchen. Die Wirtin lässt sich nicht erbarmen und weist die Familie ab. Sie findet schliesslich Unterschlupf in einem Stall.

Die drei Könige folgen dem Weihnachtsstern bis an die Burgtreppe und erweisen dem Neugeborenen mit ihren Gaben die Ehre. Der Gesandte von König Herodes hingegen kann das Jesuskind nicht finden und zieht unverrichteter Dinge wieder ab. Dafür führen die Trossknechte der Könige voller Freude einen Tanz auf. Mit dem «Stille Nacht, heilige Nacht» und dem Glockengeläute der Stadtpfarrkirche wird das Spiel beendet.

Christoph Bachmann, Hirt seit 22 Jahren


Wie es in Rapperswil dazu kam

Das Rapperswiler Sternsingen ist einer Idee von Lehrer Konrad Bächinger zu verdanken. Er nahm mit dem Theaterfachmann und Regisseur Oscar Eberle Kontakt auf. Eberle war begeistert und formulierte seine Ideen – insbesondere den Einbezug des Circus Knie und die geeignete Kulisse der Stadt. Bächinger und weitere Leute begannen darauf mit der Umsetzung des Sternsingens.

Der Dichter Pius Rickenmann (Pseudonym von Karl Blöchlinger) schrieb das «Rapperswiler Sternsingen», und Bruno F. Saladin vertonte die Texte. Eberles Sohn Ambros übernahm die Regie, und viele Rapperswiler zogen begeistert mit. Die Menschen waren begeistert.

Rapperswiler Sternsingen 2012: Sonntag, 23. Dezember, 18 Uhr.

Unsere Kinder waren skeptisch. Vier Monate Kuba? Dort sei sicher alles anders und fremd. Das Einzige, worauf sie sich freuten, und das hatten wir fest versprochen: dass wir in diesem Jahr zum Ausgleich zweimal Weihnachten feiern.

So nahmen wir Abschied, indem wir Heilig Abend in der Schweiz feierten, wie gewohnt mit Weihnachtsbaum und ein paar Geschenken und mit dem Krippenspiel in der Kirche. In diesem Jahr spielten die Kinder zum ersten Mal im Weihnachtsspiel mit: die Grosse einen Hirten, der Jüngere den Josef und ein Schaf. Der Josef war nicht seine Traumrolle, er nahm sie, weil wenig Buben mitspielten. Das Schäfchen hingegen spielte er mit Leidenschaft.

Weihnachten in der Fremde

Nach den Festtagen in der Schweiz flogen wir nach Kuba mit zwei erwartungsvollen Kindern. Schon im Auto löcherten sie ungeduldig den protestantischen Pfarrer, der uns am Flughafen abholte: Wie feiert man Weihnachten bei euch? Die Antwort: Nun – wir haben hier in Kuba einen Weihnachtsbaum in der Kirche, die Kinder machen ein Krippenspiel, und es gibt Geschenke. Die Kinder lehnten sich beruhigt zurück. Das klang vertraut; der Anfang im fremden Land begann mit einem Stückchen Heimat.

Am Nachmittag des 6. Januar machten wir uns mit dem Pfarrer auf holprigen Wegen an gackernden Hühnern und rostigen Traktoren vorbei zur Kirche auf für einen ersten Augenschein. Stolz erzählte der Pfarrer, dass sie erst kürzlich die kleine Kirche vom Staat zurückerhalten hätten und nun am Renovieren seien. Über Sylvester habe eine kanadische Jugendgruppe geholfen, sie frisch zu streichen, weshalb Weihnachten dieses Jahr besonders feierlich würde.

Der Tannenbaum wirkte fremd

Tatsächlich: alles erstrahlte in hellem Gelb. Sogar der Weihnachtsbaum war schon aufgestellt. Die Kinder entdeckten ihn sofort, obwohl etwas versteckt hinter der Türe. Plastik!? Nun ja, so die Erklärung des Pfarrers, es sei ein Ge schenk aus den USA. Hier wachsen ja keine Tannen, aber das gehöre irgendwie dazu. Ach so, deshalb stehe er so verloren in der Ecke. Das vertraute Bäumchen wirkte seltsam fremd.

Dann gingen wir nochmals nach Hause, denn es gebe noch viel vorzubereiten! Ja, das sah man. Es fehlten die Bänke. Und überall lagen noch Leitern und Werkzeug herum.

Spanisch und trotzdem Maria

Aufgeregt warteten die Kinder auf den Abend. Beim Abendessen kam das Nachbarsmädchen und erzählte stolz, dass sie dieses Jahr zum ersten Mal im Krippenspiel mitmachen dürfe; sie sei die Maria, ihre Traumrolle. Unser Sohn – mit der Erfahrung eines frisch gespielten Josefs – konnte die Begeisterung für Maria zwar nicht nachvollziehen, aber die Aufregung, die Vorfreude, das kannten beide gut.

Die Kirche war voll – ohne Bänke. Für diese hatten Zeit und Geld nicht gereicht. Man sass auf dem Boden, stand unter der Türe. Trotz weniger sehr  einfacher, improvisierter Requisiten, trotz fremder Sprache: Da waren unverkennbar Maria und Josef auf Herbergssuche, die Engel, die Hirten mit ihren Schafen und die Weisen aus dem Morgenland. Fern jeder Perfektion, halb improvisiert, aber mit Begeisterung sassen alle – Kinder wie Erwachsene – um die Krippe am Boden und sangen Weihnachtslieder.

Unsere Kinder waren berührt, dass auch sie ein kleines Geschenk bekamen. Die kleinen Plastikautos, die sie in der Schweiz vielleicht achtlos zur Seite gelegt hätten, wurden von beiden Kindern lange in Ehren gehalten. Vermutlich weil sie wie wir Eltern in diesem Krippenspiel erlebten: Weihnachten – das ist sich eingeladen und angenommen fühlen, dazu gehören dürfen, ein Stück Heimat finden.

Viele persönliche Erfahrungen

Später habe ich Frauen in Solothurn gefragt, was für sie zu Weihnachten gehöre. Maria und Josef, die Hirten mit den Schafen, die Weisen, die Engel, der Stern – die Weihnachtsgeschichte gehört für viele dazu. Wenn Erinnerungen an Krippenspiele da sind, dann wird von der freudigen Erwartung und vom Lampenfieber erzählt, von der speziellen Atmosphäre, von den Kostümen.

Zu den Kindheitserinnerungen gehören vor allem viele persönliche Erfahrungen: die Enttäuschung oder die Freude über die Rolle, die man sich gewünscht oder nicht bekommen hat, das Lob der Leiterin, lustige Missgeschicke, der Stolz, sich auf die Bühne gewagt zu haben, die Gemeinschaft mit den anderen Kindern und die freudige Überraschung über ein kleines Geschenk.

Neues und Vertrautes

Auf die Frage, warum sie das Krippenspiel auch als Erwachsene schätzen, wünschen die meisten, dass ihre Kinder so das Eigentliche der Weihnacht erfahren. Auf das Eigentliche genauer befragt, führen die Antworten im Kern zur erlebten Gemeinschaft: Zentral ist das Zusammensein beim Proben, Spielen und Singen.

Perfektion und Aufwand werden auch in der Schweiz als nebensächlich empfunden. Gerade angesichts der hektischen Vorweihnachtszeit darf es gerne schlicht und einfach sein, aber ausfallen möge es bitte nicht. Es werden zwar jedes Jahr neue und überraschende Akzente gewünscht, jedoch im Kern die klassische Weihnachtsgeschichte mit den vertrauten Grundelementen. Mit dem Krippenspiel soll man mitwachsen dürfen, über Jahre hinweg.

Wozu Weihnachten in der Schweiz?

Die Antworten von Eltern in der Schweiz sind theologisch treffend: Es gehe um Geburt – nicht nur die es Jesuskindes, sondern um Neuanfänge im eigenen Leben. Es gehe zugleich um Sinn und Ziel: irgendwo anzukommen im Leben, bei sich, in einem inneren Frieden. Weihnachten habe in diesem Sinn auch eine soziale Aussage; es gehe um den Wunsch nach Veränderung hin zu mehr Gerechtigkeit, Solidarität und Geborgenheit: «Dass es durch Liebe, Glaube, Zuversicht, Hoffnung immer einen Weg gibt, auch wenn dieser nicht immer einfach oder offensichtlich ist. Dass innerer Herzensreichtum entsteht, wenn Menschen einander helfen, unterstützen und zusammenstehen, füreinander da sind. Dass es Freude macht, Menschen zu beschenken mit Dingen, die berühren.»

Warum ein Krippenspiel und nicht einfach Lesung und Predigt? Die Hoffnung ist, dass spielend erfahrbar wird, wovon die Weihnachtsgeschichte erzählt: So wie Maria und Josef das Vertraute verlassen und in der Fremde Aufnahme finden, so wie die Hirten neu anfangen dürfen und Akzeptanz an der Krippe finden – so wünscht man selbst, im Spiel neue Perspektiven und zugleich Geborgenheit und Heimat zu finden.

… und in Kuba selbst?

Eine junge Frau in der Provinz La Habana, in so ganz anderen wirtschaftlichen und kulturellen Lebensumständen, schrieb mir praktisch genau dasselbe: «Weihnachten ohne Krippenspiel ist für mich undenkbar! Manchmal haben wir traditionelle Krippenspiele,manchmal moderne Auslegungen. Die Aussage aber ist jedes Jahr im Wesentlichen dieselbe: Die Geburt Jesu bedeutet eine neue Chance für uns.

Wenn ich mit Kindern ein Krippenspiel erarbeite, erlebe ich staunend, wie sie in der Weihnachtsgeschichte aufleben; spielend erleben sie, was sie erzählen – und dies berührt dann auch mich. Im Wesentlichen wünsche ich mir vom Krippenspiel nicht eine tolle Aufführung, sondern dass wir den Sinn von Weihnachten erfahren. Jedes Jahr schenkt mir das Krippenspiel eine neue Lebensperspektive: für mich persönlich stand letztes Jahr die Hoffnung auf Neuanfang, auf Vergebung und Versöhnung im Vordergrund. Wenn die Kinder sich im Spielen wohl und akzeptiert fühlen, dann fühle auch ich mich in der Kirche und im Leben zu Hause.»

Alexandra Flury-Schölch


AFS «Für mich geht es an Weihnachten um Aufbruch und Heimkehr, um Suchen und Ankommen: Sich angenommen zu fühlen – in sich selber, in Gemeinschaft, in göttlicher Geborgenheit – dies gehört nicht nur zentral, sondern auch global zur Weihnachtshoffnung.»

«Das ist meine Chance für einen wunderbaren grünen Weihnachtsbaum», geht mir durch den Kopf. Vor mir steht der Guardian des Kapuzinerklosters «Collegio San Lorenzo da Brindisi» in Rom. Eben hat er mich dringend gebeten – es habe niemand anderes Zeit, den diesjährigen Weihnachtsbaum im Speisesaal zu gestalten. Klar sage ich schnell zu.

Schon drei Mal habe ich es in Rom erlebt, dass beim geschmückten Weihnachtsbaum kein grüner Zweig mehr zu sehen ist – und diese grünen Nadeln machen doch den Weihnachtsbaum und Weihnachten aus! «Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter! Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein auch im Winter, wenn es schneit», singen wir jeweils in der Weihnachtszeit.

Ein nordisch geprägter Baum

Ich lasse die heilige Wissenschaft für einen Moment liegen und hole den möglichen Baumschmuck aus dem Keller hervor. Da gibt es farbig blinkende Baumkerzen, grosse Stoffrollen in allen Farben und Weihnachtsmänner aller Art. Ja selbst Geschenkattrappen vom letzten Jahr sind noch zu haben. Ernüchtert stelle ich die Schachteln wieder in den Keller. Nein, mit diesen Gegenständen möchte ich den wunderbaren, grünen Weihnachtsbaum im Speisesaal nicht überhäufen.

Gut, Kerzen sind in dieser Situation nicht möglich. Doch kerzenähnliche weisse Lichter, die nicht blinken, rote Kugeln und unter dem Baum eine Krippe an Stelle der Geschenkattrappen. Das stelle ich mir vor. Ich beginne herumzufragen und zu organisieren. Die elektrischen weissen Kerzen und eine italienische Krippe mit Jesuskind, das den Kopf bewegt, finde ich bald. Bei den Kugeln muss ich akzeptieren, dass es sie nur in bunter Variante gibt. Dafür finde ich noch Engelshaar sowie witzige Vögel zum Aufstecken. Sie sind der Punkt auf dem «i».

Weihnachten ist anders

Am Abend vom 23. Dezember mache ich mich ans Werk und stehe schlussendlich mit Tränen in den Augen vor einem im Ganzen doch noch recht grün gebliebenen Tannenbaum. Darunter steht die Krippe. Zu meiner Belustigung lasse ich das elektrische Jesuskind den Kopf heben und senken. Beim Hebenöffnen sich seine Augen, beimSenken schliessen sie sich wieder

und das Kind scheint zu schlafen. Das ist typisch italienisch und ich schwöre mir, sollte es einmal irrtümlich angestellt sein, es sofort wieder auszuschalten. Glücklich gehe ich ins Bett und freue mich auf die Weihnachtszeit.

Gut gelaunt komme ich am nächsten Tag in den Speisesaal und freue mich auf den grünen Tannenbaum. Gespannt bin ich auch auf die Reaktionen der Mitbrüder aus aller Welt, die auch in dieser internationalen Gemeinschaft leben. Unter dem Türrahmen bleibe ich erstarrt stehen. Nachfolgende Brüder laufen in mich hinein. «Das gibt es ja nicht!» Da hat jemand allen Ramsch aus dem Keller hochgetragen und ich sehe keinen einzigen grünen Zweig mehr. Man hätte ja gerade so gut ein Plastikgestell hinstellen können. Die Kerzen blinken in allen Farben und Klein-Jesus – auf einer Geschenkattrappe platziert – hat sicher schon einen steifen Nacken vom Kopfheben und -senken. Nein, da hat es keinen Sinn, «Oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter» zu singen.

Weihnachtsbaum?

Schaut man in die Frömmigkeitsgeschichte von Weihnachten, so ist der Christbaum erst seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar – wohl angeregt durch den Apfelbaum der Paradiesspiele. Oft wurde er im Folgenden auch mit Äpfeln, heute Kugeln, geschmückt. Der Christbaum breitete sich erst im 19. Jahrhundert, vor allem im städtisch-evangelischen Milieu, aus. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist er, ausgehend von den USA, als «Christbaum für alle» Wahrzeichen öffentlicher Plätze, Fenster, Vorgärten und auch Lastwagen.

Das Lied «Oh Tannenbaum» geht auf einen Text von Melchior Franck aus dem 16. Jahrhundert zurück, ohne dass es dabei um Weihnachten ginge:

O Tanne, du bist ein edler Zweig,
Du grünest Winter und die liebe Sommerzeit
Wenn alle Bäume dürre sein
So grünest du, edles Tannenbäumelein.

1819 wurde daraus von Joachim August Zarnack ein tragisches Liebeslied geschrieben. Zum Weihnachtslied wurde «Oh Tannenbaum» erst durch Ernst Anschütz, der die erste Strophe von Zarnack übernahm und 1824 zwei weitere Strophen hinzufügte. Die Melodie ist eine seit dem 16. Jahrhundert bekannte Volksweise. Sie wurde oft auch für andere Lieder, besonders für Lumpenlieder verwendet.

Der menschgewordene Gott

Führt man sich die Franziskusfilme der letzten hundert Jahre vor Augen, so zeigt sich vor allem in neueren Filmen die eindrückliche Inszenierung der Krippe durch Franz von Assisi in Greccio. In der franziskanischen Spiritualität geht es dabei um die Betonung des Mensch- und Armwerdens Gottes unter den Menschen. Als Kind hat Gott im beissenden Heu gelegen!

Thomas von Celano, ein früher Biograf von Franziskus, schildert die Weihnachtsfeier des Franziskus in Greccio folgendermassen: «Daher muss man jener Feier gedenken und sie ehrfurchtsvoll erwähnen, die er im dritten Jahr vor seinem Hinscheiden bei einem Dorf namens Greccio am Tage der Geburt unseres Herrn Jesus Christus abgehalten hat. In jener Gegend lebte ein Mann mit Namen Johannes, von gutem Ruf, aber noch besserem Lebenswandel. … Franziskus sprach zu ihm: ‹Wenn du wünschst, dass wir bei Greccio das bevorstehende Fest des Herrn feiern, so gehe eilends hin und richte sorgfältig her, was ich dir sage. Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen …›»

Verehrt werden zwei Krippen

Falsch wäre jedoch die Annahme, dass Franziskus die Verehrung des Kindes in der Krippe erfunden hätte. Das Lukasevangelium spricht vom Futtertrog, in den Jesus nach der Geburt gelegt wurde (Lk 2,7). Bei Origines wird um 248 n. Chr. erstmals die Verehrung der in der Geburtshöhle zu Bethlehem gezeigten Krippe bezeugt. Ursprünglich wohl ein mit Lehm ausgeformter Futtertrog, der im 4. Jahrhundert durch eine silberne Krippe ersetzt wurde. Heute verehrt man in der Geburtshöhle eine marmorverkleidete Felsstufe.

Erst eine hochmittelalterliche Tradition weiss von einer hölzernen, nach S. Maria Maggiore in Rom gebrachten Krippe. Diese Krippen-Reliquie ist seit 1170 nachweisbar und wird heute noch in der päpstlichen Basilika verehrt. Erst gut fünfzig Jahre später, d.h. um 1223, inszeniert Franziskus die Weihnachtsfeier, wie sie oben von Thomas von Celano geschildert wurde. Vermutlich hat Franziskus auf einer seiner Romreisen auch die Reliquie in S. Maria Maggiore besucht. Vielleicht hat er bei seiner Heilig-Land-Reise auch die Geburtshöhle besucht und gestaunt über die beiden sehr unterschiedlichen Krippen?

Was verbindet an Weihnachten?

Welches Symbol oder welcher Brauch eint die Menschen an Weihnachten? Sind es der Tannenbaum oder die Krippe? Oder muss man mit Rena Sack und Sabine Waldmann-Brun (vgl. das Buch Weihnachten in aller Welt) sagen: «Weihnachtsgeschenke kennt man auf der ganzen Erde, egal, ob die Menschen arm oder reich sind. Aber natürlich sind sie ganz verschieden – gemeinsam ist ihnen, dass sich die Beschenkten darauf freuen.»

Weihnachten möchte ich lieber nicht nur auf Geschenke reduzieren, wie auch Tannenbaum oder Krippe nicht die abschliessende Antwort sein können, doch wenn es an Weihnachten um Freude geht, um einen Gott und um Menschen, die andere beschenken und so glücklich machen, dann darf für mich die «Freude» das Einende von diesem Fest mit vielen Gesichtern in einer globalen Welt sein. Und solche Spuren der Freude hat ite wie die Berichte aus aller Welt zeigen – in dieser Ausgabe zusammengetragen.

Adrian Müller

http://www.adrianm.ch

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