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Gewalt gegen afrikanische Frauen

Bei unserem Nachbarn in Nairobi, Mister Mwangi, geben sich die Hausmädchen die Türe in die Hand. Vor wenigen Tagen erst hat Mary das Haus verlassen, wutentbrannt wie ihre Kolleginnen.

Mwangis Trick

Denn Mister Mwangi ist ein schlechter Arbeitgeber. Er bezahlt den jungen Frauen umgerechnet 40 Franken im Monat, die Hälfte des gesetzlichen Minimallohns, und das bei einer Arbeitszeit von morgens um sechs Uhr bis abends um neun Uhr. Frei haben die Mädchen sonntags ab zehn Uhr, wenn Mwangi mit Frau und drei Kindern den neuen Kleinbus besteigt und zur Kirche fährt.

Mister Mwangis Vorgehen ist immer dasselbe: Am Ende des zweiten Monats, wenn der Lohn fällig ist, sagt er zum Hausmädchen, dass er auf Grund eines finanziellen Engpasses leider nur die Hälfte des Lohns bezahlen könne, also 20 Franken. Den Rest bekomme es mit dem nächsten Monatslohn. Keines der Mädchen glaubt ihm. Auch Mary packte ihre Sachen und ging. Zwei, drei Tage später war schon ein anderes am Hantieren in der Küche und ums Haus herum.

Schamlose Ausbeutung

Es tröstet Mary wenig, dass sie zu den Millionen gehört, die in Afrika tagtäglich ausgebeutet werden, viele von ihnen noch schamloser: etwa die Teepflückerinnen in Kenia, die Steinhauer im Osten Guineas, die Kinder in den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste. Oder die Frauen in Dakars Hinterhöfen, die für einen Schundlohn Blusen nähen und diese in zwei, drei Jahren auf den Märkten in Dakars Vorstädten kaufen können, wenn die Blusen auf dem Weg über eine mildtätige Kleidersammlung wieder nach Afrika zurückkehren – als «Hilfe» für die Armen.

Ausbeutung ist eine der vielen Formen von Gewalt. Sie macht sich eine Notsituation zu Nutze, die Armut. Und sie profitiert von einem in Afrika und allen anderen Ländern der Dritten Welt vorherrschenden Mechanismus: Überfluss an Arbeitskräften bei gleichzeitig dramatischem Mangel an Arbeitsplätzen.

Unrecht?

In diesem Umfeld zeigen Gesetze über Mindestlöhne wenig Wirkung. Nicht umsonst hat die kenianische Menschenrechtsorganisation vor gut zwei Jahren eine Anlaufstelle für Ausgebeutete eingerichtet. Sie stellt kostenlos Rechtsanwälte zur Verfügung, die im Falle schreiendsten Unrechts die Interessen der Geschädigten wahrnehmen. Ausbeutung wird erleichtert durch ein fehlendes Bewusstsein für Gerechtigkeit. Mister Mwangi, ein tragendes Mitglied einer Erlöserkirche, würde den Vorwurf, er übe Gewalt aus, genau so weit von sich weisen wie es die Wortführer einer liberalisierten, ungerechten Welthandelsordnung tun, wenn sie Regelungen zum Nachteil der afrikanischen Bauern erlassen.

Vergebliche Hoffnungen

Jeden Tag, in den ersten Stunden der Morgendämmerung, beginnt im Slum von Kibera am Stadtrand von Nairobi der grosse Aufbruch. Tausende von Männern verlassen Kibera, dieses Gewirr von aneinander gebauten Blechhütten und Holzverschlägen, zwischen denen die stinkende Brühe der Abwässer trübe Lachen bildet. Die Männer marschieren mehr als eine Stunde in das Industriegebiet von Nairobi und bieten sich vor den Toren der Betriebe als Taglöhner an. Ein grosser Teil von ihnen wartet vergebens. Auf dem Rückweg sind sie langsamer, morgen werden sie wieder- kommen – getrieben von der Hoffnung auf Arbeit.

Häusliche Gewalt

Nicht alle Männer gehen heim. Viele kehren in Chang’aa-Buden ein, unscheinbaren Hütten, in denen der billige selbstgebrannte Maisschnaps Chang’aa ausgeschenkt wird. Ein Glas auf den nüchternen Magen hebt die Stimmung und lässt für kurze Zeit die Misere vergessen. Die Heimkehr ist umso deprimierender. Die einzigen Personen, an denen die Männer ihren Frust über die Perspektivlosigkeit ihres Lebens abreagieren können, sind die Frauen.

Häusliche Gewalt gibt es überall, nicht nur in Afrika. Aber hier in Kibera und in so manch anderen Slums der Dritten Welt ist sie offener sichtbar. Sie wirkt unmittelbarer und niederschmetternder im allgemeinen Elend. Armut, Ausbeutung und Gewalt sind Geschwister.

Verheerende Traditionen

In Afrika sind in erster Linie die Frauen Opfer von Gewalt (s. Kasten). Das gilt nicht nur für Bürgerkriege und andere gewalttätige Konflikte, in denen das Vergewaltigen so selbstverständlich ist wie das Hungern oder Vertriebenwerden. Es liegt gleichermassen an den Traditionen. Sie räumen den Frauen in fast allen Volksgruppen eine benachteiligte Stellung ein. «Traditionen», so urteilt die tschadische Menschenrechtlerin Delphine Kemneloum Djiraïbe, «müssen von den Männern gemacht worden sein. Denn sie wirken sich zu Lasten der Frauen aus.»

Wenn im Osten Ghanas sich unerklärbare Todesfälle oder Schicksalsschläge in einer Familie häufen, muss ein kleines Mädchen Sühne leisten. Es wird als Sklavin und spätere Bettgenossin zu einem Fetischpriester gebracht. Wenn im Volk der Luo im Westen Kenias ein Mann stirbt, muss die Witwe die erste Nacht unter dem aufgebahrten Sarg ihres verstorbenen Mannes verbringen. Stirbt hingegen die Frau, beginnt der Mann mit Kollegen zu zechen, um seinen Schmerz im Bier zu ertränken.

Mädchenbeschneidung

Zu den übelsten, von den Traditionen aufgezwungenen Formen von Gewalt gehören die Mädchenbeschneidung, dieses drastische Merkmal der völligen Verfügbarkeit des Mannes über die Frau, sowie die Mädchenheirat. Nicht nur, dass Mädchen zwischen 11 und 16 nicht mehr zur Schule gehen können: Zehntausende von ihnen leiden in Afrika an der so genannten Fistula: Weil das Becken nicht voll entwickelt ist, treten bei der Geburt Schwierigkeiten auf. Die Harnblase reisst, die jungen Kind-Frauen werden als «unrein» vom Ehemann verstossen. Traditionen, mögen sie noch so sinnlos sein und sich menschenverachtend auf die Frauen auswirken, haben ein zähes Leben, zumal in weiten Teilen der afrikanischen Gesellschaften. Auch Frauen ist gar nicht bewusst, wie sehr etwa Mädchenbeschneidung und Kindheirat gegen die Menschen- rechte verstossen. Zwar verfügen zahlreiche afrikanische Länder über entsprechende Gesetze. Aber sie werden nicht oder nur widerwillig vollzogen.

Geschundene Gesichter

Anzeigen gegen häusliche Gewalt werden für viele Frauen zu einem Spiessrutenlauf durch die Polizeistationen. Ein Klaps auf den Hintern habe noch niemandem geschadet, sagte der frühere kenianische Staatspräsident Daniel Arap Moi in einer Parlamentsdebatte über Gewalt an Frauen. Die Krankenschwestern im Slum von Kibera wissen, was es mit diesem «Klaps» auf sich hat, wenn sie die geschundenen Gesichter von Frauen verbinden.

Peter Baumgartner

 

Joséphine stirbt

Am 29. April 2001 wurde Joséphine Mbomeyo in der Nähe von Bunia im Osten der Demokratischen Republik Kongo von Angehörigen einer Rebellengruppe vergewaltigt, wie die anderen Frauen des kleinen Weilers auch. Drei Monate nach der Geburt starb das Kind, zwei Jahre später folgte ihm Joséphine nach. Sie war bei der Vergewaltigung mit dem HIV-Virus angesteckt worden.

2005/01

Fastenopfer: Gewalt überwinden

ite 2005/1

«Gewalt hat nicht das letzte Wort»
Dem Frieden eine Chance geben
Mehr als ein Klaps auf den Hintern