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Papua Neuguinea

Ich fliege von Papua Neuguinea nach Australien. Vor der Landung patrouillieren die Stewardessen mit Spraydosen zwischen den Gängen des Flugzeugs und versprühen Desinfektionsmittel. „Helfen Sie mit Australien sauber zu halten“ – so lautet der Slogan. Folglich darf kein Ungeziefer ins Land. Auch keine Läuse…

Läuse-Stopp

Die ultramoderne Durchleuchtungsanlage hat meinen Koffer im Visier. Sofort gehen schrille Signaltöne los. Die Sicherheitsbeamten treten in Aktion. Meine gut getarnten Geschenkkörbe im Bauch des Reisegepäcks sind entdeckt. Mit Röntgenaugen und Plastikhandschuhen nimmt sich eine flinke Beamtin dieses Corpus delicti an. Nach geübtem Klopfen, Drehen, Stossen und Drücken der Strohkörbchen bewegen sich tatsächlich kleine braune Tupfen auf dem glänzenden Chrommetalltisch. Ein triumphierend-strafender Blick für mich. Die Körbe verschwinden in einem riesigen Plastiksack zur Desinfektion und wir hören erneut die Botschaft: Australien will sauber bleiben.

Etwas unverhältnismässig kommen mir diese Kontrollen dann doch vor. Da scheint sich eine Nation, ja ein ganzer Kontinent vor den kleinen Läusen in meinen Mitbringseln zu ängstigen. Und gleichzeitig fliegen täglich HIV-Infizierte ins Land ein, die fern jeglicher Kontrolle den Virus weitertragen. Und ebenso passiert der Virus die Grenze auch in der umgekehrten Richtung und vermehrt sich ungebremst und unkontrolliert im Land der Papuas.

40 % der Jugendlichen infiziert

Die Küstenstädte Australiens sind denn auch bekannte Umschlagsorte für den HIV-Virus. Hier treffen wohlhabende aidskranke Papuas ein, um sich diskret medizinisch betreuen zu lassen. Und jene, die statt des grossen Lebens in Australien den Aidsvirus einhandeln, kehren krank in ihre Sippe in Papua Neuguinea zurück.

Eine Studie aus dem Jahre 1999 zeigt ein erschreckendes Resultat. 1987 wurde der erste Fall in Papua Neuguinea gemeldet. Seither stieg die Anzahl der Erkrankten exponentiell an. Inzwischen weist dieser Inselstaat die grösste Rate der gemeldeten HIV-Fälle der gesamten Pazifikregion an. Hochrechnungen dieser Untersuchung zeigen, dass es schon in wenigen Jahren Dörfer geben wird, in denen mehr als 40 % der Jugendlichen HIV-positiv sind. Die sozio-kulturellen Folgen einer solchen Entwicklung sind absehbar, in ihren langfristigen Folgen aber unvorstellbar.

Was tut die Kirche?

Die katholische Kirche in Papua Neuguinea hat die Aidsproblematik früh erkannt und engagiert sich seither unermüdlich. Schnell wurden Informationsmaterialien hergestellt, Aids-Ausbildner trainiert, Präventionsunterricht an den Schulen organisiert. Kein einfaches Unterfangen in einem Land mit 800 Sprachen, einer Analphabetenrate von mehr als 55 % (in einigen Gegenden können sogar nur 10 Prozent der Frauen lesen und schreiben) und mit bergigen Gegenden, die nur in beschwerlichen Fussmärschen zugänglich sind. Der amerikanische Kapuzinerbischof Steve Reichert, zur Zeit auch Vorsitzender der Bischofskonferenz, hat die Aidsproblematik auf die Traktandenliste der Bischofskonferenz gesetzt. Drei Tage lang hatten sich die Bischöfe mit der Komplexität der Aidsproblematik auseinander zu setzen. Sie luden dazu den Bioethikprofessor Father Michael Mc Cabe aus Neuseeland und vier Krankenschwestern ein.

[bild19206w180r]Pionierinnen

Die vier Frauen sind eigentliche Aids-Pionierinnen im Land. Sie haben das Aids-Netzwerk im Land initiiert und aufgebaut. Eine davon ist die Baldegger Schwester Gaudentia Meier (s. folgender Artikel). Seit 1969 ist sie im Südlichen Hochland tätig. Ihre Meinung zu gesundheitspolitischen Fragen ist nicht nur innerhalb der katholischen Kirche von Papua Neuguinea gefragt. Längst gilt sie auch unter den Verantwortlichen des Gesundheitswesen des Landes als anerkannte Aids-Spezialistin.

Zur Vertiefung der Fachreferate von Father Michal Mc Cabe diskutierten die Bischöfe mit den Schwestern auch ganz grundlegende Fragen wie: Was sind Stärken der melanesischen Kultur? Wie können sie eingesetzt werden, um eine moralisch-gesunde Kultur zu entwickeln? Nicht ausgeklammert wurden im kritischen Rückblick die früheren Reaktionsweisen auf Aids: Verneinung, Beschämung, Bestrafung der Betroffenen, Diskriminierung.

Bewusstseinsbildung der Bischöfe

Diese Diskussionsgruppen waren für die vier Frauen der beste Ort für die Bewusstseinsbildung der Bischöfe. Hier konnten sie die Bischöfe mit dem harten Alltag der Aidsbetroffenen konfrontieren. Auch schwierige Fragen wurden nicht ausgeklammert. Beispielsweise: Wie soll Verhütung geschehen? Für Schwester Gaudentia stellt sich dabei auch die Frage nach dem Abwägen der Auswirkungen von zwei Übeln. Sie erinnert in diesem Zusammenhang an die Aids-Kurzformel ABC des staatlichen Gesundheitswesens. A steht dort für Abstinenz; B bedeutet Verhaltensänderung; C meint die Benützung des Kondoms.
Diese gemeinsame Weiterbildung der Bischöfe hat nach Meinung von Schwester Gaudentia bewirkt, dass die Fixierung in der Aidsproblematik bezüglich der Kondombenützung aufgebrochen werden konnte und andere Themen in den Vordergrund traten. So beschlossen die Bischöfe, die Jugendpastoral zu intensivieren. Die dringend nötigen Verhaltensänderungen müssten bei der Jugend ansetzen.

Gefährdete junge Frauen

Die Situationsanalyse des südlichen Hochlandes weckt mehr als Unbehagen. Die Bevölkerung wird mit rund 400`000 Papuas angegeben. Davon kann nur etwa die Hälfte lesen und schreiben. In dieser Region ist die heterosexuelle Aids-Übertragung vorherrschend, die Rate ist sehr hoch. Schwester Gaudentia hält fest, dass jeder entdeckte Fall auf mindestens zehn noch unentdeckte schliessen lässt. Ihre praktische Buscherfahrung zeigt ihr, dass die jungen Frauen im Alter von 14 – 20 Jahren eine wesentlich höhere Infektionsrate aufweisen als die Burschen der entsprechenden Altersklasse.

Eine hohe Anzahl von infizierten Männern lässt sich jedoch in der Altersklasse der Vierzigjährigen ausmachen. Das weist daraufhin, dass es vor allem die Männer dieser Altersgruppe ist, welche die jungen Frauen und Mädchen anstecken. Häufig sind es gerade diese Männer, die von der Küste heimkehren oder einige Zeit in Australien verbrachten und das Virus über verschlungene Wege ins Hochland tragen.

Marie-Ruth Ziegler, Baldegg
Die Autorin ist Generaloberin der Baldegger Schwestern und Mitglied des ite-Redaktions-Teams.