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Aus dem Schlussdokument von Assisi

Fundament und Vorbild unserer evangelischen Armut ist Jesus, das Wort Gottes, der „all seine Vorrechte aufgab (Entäusserung) und einem Sklaven gleich wurde … im Gehorsam gegen Gott sogar den Tod auf sich nahm, den Verbrechertod am Kreuz“ (Philipperbrief 2,7). In seiner Nachfolge haben wir in freier Entscheidung die Armut gewählt: eine Armut, die frei macht und mit Freude erfüllt, eine Armut auf das Reich Gottes hin. Sie hat ihren Zweck nicht in sich selber. Sie ist wie die Armut, die Jesus gelebt hat: „Er war reich und wurde für euch arm. Denn er wollte euch durch seine Armut reich machen.“ (2. Korintherbrief 8, 9) Armut macht uns frei für Gott und frei für unsere Brüder und Schwestern.

Es war gerade die gelebte evangelische Geschwisterlichkeit in Armut und Mindersein, die Menschen aus allen sozialen Schichten um Franziskus versammelte und sie achtsam und sensibel machte.

In der Treue zu den Grundintentionen des heiligen Franziskus müssen wir bisher noch unbegangene Wege suchen und finden, um dem Sinn des franziskanischen Lebens eine neue Gestalt zu geben: Strenge des Lebensstils und engagierter Einsatz in der Arbeit; Solidarität und gegenseitige Abhängigkeit; eine Lebensweise, die in der Erfahrung des Volkes, vor allem der Armen verwurzelt ist; rechter Gebrauch und korrekte Verwaltung unserer Güter; Einsatz zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung.

Wir müssen uns fragen: Welche Antwort geben wir zum Beispiel auf die Auswirkungen einer globalisierten Welt? Zunächst einmal geht es darum, dass wir die Mechanismen dieser neuen wirtschaftlichen „Ordnung“ kennen lernen, sie verstehen und sie kritisch beurteilen können. Dabei achten wir besonders auf die moralische Problematik, die diesem Wirtschaftssystem zugrunde liegt. Als Antwort auf dieses Wirtschaftssystem müssen wir unsere evangelische Lebensform tatkräftig leben und sie auch nach aussen bezeugen. Die Werte, die unsere Lebensform ausmachen, sind: Einfachheit, Unentgeltlichkeit, Bereitschaft zum Dienen, Respekt vor der menschlichen Person und vor der Kreatur. Alle diese Werte wollen wir – wobei wir zu unserer Schwäche stehen – dem herrschenden wirtschaftlichen System als Alternative vorleben. Dabei wollen wir beachten, dass wir nicht allein sind: Mit uns gehen auf demselben Weg viele Männer und Frauen guten Willens. Auf unterschiedliche Weise arbeiten sie wie wir für das Gute, für den Frieden und die Gerechtigkeit.

Wir sind überzeugt, dass die Solidarität mit den Menschen am Rande eine der wirksamsten Antworten auf die Ungerechtigkeiten unserer Zeit ausmacht.

Für Franziskus ist es grundlegend, dass der Mensch sich mit vollem Vertrauen auf Gott einlässt. Darum beharrt er darauf, dass seine Brüder auf den Strassen der Welt einherziehen, ohne etwas mit sich zu nehmen, wie Schafe mitten unter Wölfen. Und er legt Gewicht darauf, dass sie den Menschen das Evangelium durch das gewöhnliche, alltägliche Zeugnis ihres Lebens als Mindere Brüder verkünden. Diese Art zu sein und zu leben, ohne Macht und ohne schützende Sicherheiten, ist für Franziskus nicht nur eine Voraussetzung der Evangelisierung; sie ist für ihn bereits Evangelisierung. Unsere Geschichte als Kapuziner ermutigt uns, die unmittelbare Präsenz unter den Menschen jeder Gesellschaftsschicht von neuem zu suchen und sie lebendig zu gestalten, besonders auch bei den armen und einfachen Leuten. Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn wir uns bemühen, Methoden der Evangelisierung zu entwickeln, die sich nicht unter Einsatz aufwendiger Mittel auf Macht und Sicherheit verlassen. So werden wir bereit, bei den Armen in die Schule zu gehen und unser Vertrauen allein auf Gott zu setzen.

Unsere Arbeit ist ein Beitrag zur Vollendung der Schöpfung. Sie nützt der Gesellschaft, einigt die Gemeinschaft und verwirklicht die Person. In einer Welt, die die Arbeit auf ein simples ökonomisches Gut reduziert hat, stellt die evangelische Armut als Nachfolge Christi verstanden, die Würde der Arbeit, wieder her. Für uns franziskanische Menschen ist die Arbeit eine Form von Solidarität unter uns Brüdern und mit dem Volk, zugleich aber auch die hauptsächliche Quelle für unseren Lebensunterhalt.

Wir wollen in unserer Gemeinschaft bei allem Tun den Sinn für die Geschenkhaftigkeit und die Unentgeltlichkeit wach halten. Darum achten wir auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen bezahlten Tätigkeiten, die für den Selbsterhalt der Gemeinschaft notwendig sind, und Tätigkeiten, die wir umsonst leisten. Wir lassen uns dabei stets von der Überzeugung leiten, dass der einzelne Bruder nicht nach der Tätigkeit beurteilt wird, die er ausübt, und auch nicht nach dem Geld, das er verdient. Die Entscheidung für eine individuelle Tätigkeit beruhe immer auf dem Urteil und der Mitsprache der Gemeinschaft. So vermeiden wir, dass die Arbeit für den betreffenden Bruder Privatbesitz wird. So bleibt er versetzbar und steht weiterhin für die Bedürfnisse der örtlichen Gemeinschaft und der Provinz zur Verfügung.

Solidarität meint nicht in erster Linie, dass einer einem anderen etwas gibt. Sie ist gegenseitige Abhängigkeit und Geschwisterlichkeit. Die Kultur der Solidarität schafft neue Weisen des Verständnisses und des Vollzugs von Beziehungen zu den andern. Als Franziskus das Leben mit den Aussätzigen teilte, da wandelte sich auch seine Art, mit ihnen umzugehen. Wenn wir solidarisch sein wollen, dann müssen wir für jeden Bruder Sorge tragen, vor allem für jene, die von der Verteilung der Güter der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Wir müssen den Schrei der Armen hören und dafür arbeiten, dass die globale Solidarität sich zu einer neuen sozialen Ordnung entwickelt.

Wir sind eine Gemeinschaft, die in vielen Kulturen daheim ist. Deshalb streben wir Gleichheit an, nicht Gleichmacherei. Die Gleichheit verlangt, dass jede Provinz in der Lage sein soll, nach dem Mass ihrer eigenen kulturellen und sozialen Umwelt die Bedürfnisse der Brüder und die der notwendigen Dienste abzudecken. Wir haben nicht die Absicht, einen Lebensstil für Kapuziner zu schaffen, der überall auf der Welt der gleiche ist. Gleichwohl darf es nicht vorkommen, dass Brüder an irgendeinem Ort der Welt im Elend leben. Ein jeder soll in angemessenen Lebensbedingungen leben dürfen.

Mit der Dankbarkeit eines Sohnes besingt Franziskus die Versöhntheit alles Geschaffenen und das Mitleiden mit allen Kreaturen. In diesem Geist sollen sich die Brüder einsetzen für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Sie sollen selber sparsam mit den Ressourcen der „Mutter Erde“ umgehen und sich in geschwisterlicher Weise verantwortlich fühlen für die Geringsten, für die, welche keine Stimme haben, für die zukünftigen Generationen.
Diese Option zeigt sich nicht nur in einer kritischen und aktiven Teilnahme an Bewegungen für Solidarität und Ökologie, sondern noch mehr in einer einfach-nüchternen Lebensweise, die mit wenig zufrieden ist und sich nicht blind von der Konsumgesellschaft beherrschen lässt.

Durch eine solidarische Haltung fördern wir zugleich eine Kultur der Teilnahme und der Teilgabe, eine Kultur des Sorgetragens füreinander und des gemeinsamen Auf-dem-Weg-Seins. Aus dieser Motivation heraus sollen die Brüder in ihrem Einsatz für die Solidarität gemeinsame Sache machen mit allen Menschen guten Willens, im Besonderen mit den Schwestern des 2. Ordens und mit den Brüdern und Schwestern der franziskanischen Laiengemeinschaft. Die Brüder sollen mithelfen beim Aufbau von Bewegungen wie der franziskanischen und der kirchlichen Ökumene, dem Dialog zwischen den Religionen und den Rassen, den Begegnungen zwischen Nord und Süd.

Offizielle Übersetzung:
Thomas Morus Huber, Luzern