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Die berühmten vier Affen | Adrian Müller
Die berühmten vier Affen | Adrian Müller

Eine Untersuchung über politsche Korruption aus afrikanischer Perspektive

Lieber David K. Mbugua, du forscht als Theologe über politische Korruption. Was verstehst du darunter?

Mit Korruption bezeichne ich jedes menschliche Handeln, das nicht zur Integrität einer menschlichen Person führt. Die Korruption ist eines der grössten Probleme, die wir bei uns in Kenia kennen. Meine Untersuchungen zeigen, dass die Korruption eine der grössten Herausforderungen ist für unsere Gesellschaft.

 

Lässt sich korruptes Verhalten an bestimmten Menschen oder sogar Menschengruppen festmachen?

Korruption ist bei uns in der Bevölkerung weit verbreitet. Man kann nicht sagen, dass nur eine spezielle Menschengruppe korrupt ist. Korruption betrifft die ganze Gesellschaft, besonders jedoch die Polizei und die Verwaltung.

 

Wie steht es mit der Korruption in der Kirche?

Leider handelt manchmal auch die Kirche korrupt. Dies vor allem dann, wenn sie mit Amtsstellen zusammenarbeitet. In solchen Situationen braucht es die kleinen Geschenke, damit man an sein Ziel kommt.

 

Ist die Korruption in Kenia im Wandel begriffen? Kann man sagen, sie vermindere sich?

Nein, das kann man leider nicht feststellen. Aber man wird sich in der Gesellschaft mehr und mehr bewusst, dass Korruption Entwicklung verhindert und ein echtes Problem ist. Denn früher wurde schon gar nicht über Korruption diskutiert. Sie gehörte einfach dazu. Heute kann man öffentlich darüber sprechen, ohne dadurch benachteiligt und geschnitten zu werden.

 

David K. Mbugua, hast du selber schon Korruption erlebt?

Ja, das habe ich. Darum wollte ich auch darüber forschen. Als ich ein- mal mit dem Auto unterwegs war, wurde ich von Polizisten angehalten. Sie nahmen mir den Führerausweis weg und sagten: «Den bekommst du erst wieder, wenn wir Geld sehen.» Es war hart, nein zu sagen und nichts zu geben. Sie brachten mich auf die Polizeistation und verhörten mich. Zum Glück hat sich ein älterer Polizist meiner erbarmt und ich konnte wieder gehen.

 

Wie viel Geld hätten sie von dir gewollt, damit du unbehelligt hättest weiterfahren können?

Normalerweise musst du in einer solchen Situation 1000 Schilling bezahlen. Das sind um die zehn Schweizer Franken. Oder anders gesagt: Für 1000 Schilling muss ein normaler Mensch in Kenia zehn Tage arbeiten.

 

Was müsste man in Kenia tun, dass die Korruption verschwinden würde?

Oh, das ist eine sehr grosse Aufgabe. Es gibt mehrere Lösungsansätze, um das Problem in den Griff zu bekommen. In meinen Studien unterscheide ich zwischen kurzfristigen und langfristigen Handlungsansätzen. Kurzfristig müssen die Polizisten besser ausgebildet und

überzeugt werden, dass sie sich selber an der Korruption nicht beteiligen und diese auch ahnden. Die Kirche müsste sehr klar, deutlicher als bisher, Stellung beziehen und Korruption entschieden verurteilen.

 

Und was kann man langfristig dagegen unternehmen?

Man muss die moralische Entwicklung der Menschen, des Volkes entwickeln. Die Menschen müssen verstehen lernen, dass Korruption eine Sünde, ein falsches Handeln ist und der Integrität des Menschen widerspricht.

 

Wenn ich nun neben Kenia auch Tansania in Betracht ziehe, dann wurde mir auch da oft von Korruption erzählt. Ist Korruption also ein Problem von ganz Ostafrika?

Korruption ist nicht nur ein Problem von Ostafrika, sondern ein Übel von ganz Afrika. Deshalb sind und bleiben viele Länder so arm und auf der Strecke.

 

Inwieweit beteiligen sich Europa oder Menschen aus der Schweiz an der Korruption?

Wenn Firmen oder Leute aus Europa in Afrika investieren oder Fabriken bauen, dann müssen auch sie Schmiergelder bezahlen. Und das tun sie leider auch. Sie treffen auf ein korruptes System und müssen sich darin entsprechend verhalten, wenn sie Erfolg haben wollen.

 

Das tönt jedoch ziemlich hoffnungslos und macht Änderungen des Systems kaum möglich?

Nicht ganz. Denn vor allem Amerika und der Internationale Währungsfonds verurteilen die Korruption sehr und machen ihren Einfluss geltend. Auch haben internationale Institutionen viel über Korruption geforscht und können so gezielt auf Änderungen hinarbeiten.

 

Gibt es eine spezifisch europäische Korruption, die sich in Afrika feststellen lässt?

Nein, Korruption ist Korruption. Da kann ich nicht unterscheiden. Korruption ist ein weltweites Problem. Europa beteiligt sich an der Korruption in Afrika. Und vor allem Italien ist dabei ein Negativbeispiel. Vielleicht kann man zu Europa sagen, dass dort nicht unbedingt politische Korruption im Vordergrund steht, sondern eher die moralische Korruption.

 

Moralische Korruption?

Ja, dieses Thema ist sehr wichtig! Denn jede materielle und politische Korruption baut auf der moralischen Korruption auf. Darum gehört die Korruption zu den moraltheologischen Fragestellungen. Moralisch korrupte Menschen leben nicht integer. Ihr Handeln baut nicht auf dem Naturrecht auf, oder es widerspricht der kirchlichen Lehre.

 

Wie sind die moralische und politische Korruption zu unterscheiden?

Moralische Korruption betrifft ein Individuum und sein individuelles Verhalten. Politische Korruption prägt ein korruptes System aus und muss deshalb auch als System wahrgenommen und verändert werden. Hier muss ein einzelner Nachteile bis hin zu Gefahr auf sich nehmen, wenn er aus dem korrupten Handeln aussteigen will. Manchmal wird die Korruption gar nicht mehr als solche wahrgenommen. Es ist ja höchstens ein Kavaliersdelikt, die Steuern zu hinterziehen, Schmiergelder zu nehmen.

 

Wie reagieren die Studierenden auf deinen Unterricht, auf deine Resultate?

Sie sind sehr interessiert an der Auseinandersetzung. Denn wir alle wissen, wenn sich Kenia wirklich entwickeln will, dann muss die Korruption überwunden oder mindestens sehr minimiert werden.

 

Und welches wäre darin die Aufgabe der Schweiz?

Einerseits sollten sich die Schweizer natürlich selber von der Korruption fernhalten. Andererseits und noch wichtiger wäre es, korruptes Verhalten nicht zu übersehen, sondern es hartnäckig zu thematisieren und so Verfechter von integerem und ehrlichem Verhalten zu werden.

 

Interview: Adrian Müller http://www.adrianm.ch

 

 


 

 

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat am 26. Oktober 2010 ihren Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) veröffentlicht. Der CPI misst den Grad der im öffentlichen Sektor – bei Beamten und Politikern – wahrgenommenen Korruption. Es handelt sich um einen zusammengesetzten Index, der sich auf verschiedene Experten- und Managerumfragen stützt.

Der Index geht von 0 (Korruption extrem verbreitet) bis 10 (frei von Korruption). Mit 8.7 ist die Schweiz hinter Australien auf Platz 8. Mit 9.3 gibt es in Dänemark, Neuseeland und Singapur am wenigsten Korruption. Mit 2.1 liegt Kenia auf Rang 154 von 178 Ländern. Tansania ist mit 2.7 auf Rang 116. Vgl. http://www.transparency.de.