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Acht Uhr morgens: Ein Feldweg in einem Dorf, das noch grau in grau getönt ist. Eine Gestalt nähert sich im Morgennebel. Worte in gebrochenem Englisch werden gewechselt. Jakson, 20 Jahre alt, hätte Lust, sich noch länger zu unterhalten. So wird ein Treffen vereinbart: «Um 14 Uhr beim Eingang des Seminars, wo wir wohnen.»

14.15 Uhr: Es ist noch niemand da. Ein Mädchen, Jackline, spricht auf Suaheli mit dem Massai-Wächter. Dank ihr gelingt es mit ihrem Handy, Jakson und seinen Freund Paul zu finden. Die drei schlagen uns vor, einen Spaziergang durch ihr «Dorf» zu machen.

Da ist weit und breit kein Haus zu sehen. Alles wird vom Grün beherrscht. Auf dem Weg treffen wir auf einige Menschengruppen. Kinder und Erwachsene tragen Geäst auf dem Kopf, welches zum Kochen von Mahlzeiten dient. Etwas weiter schneidet eine Frau mit der Sichel Gras und ruft uns etwas zu. Jackline fragt erstaunt: «Warum fotografierst du sie? Sie ist eine Verrückte!»

Jackline

Jackline ist 20 Jahre alt, wie ihre beiden Freunde. Sie studiert Geografie in Arusha, einer Stadt 200 km von hier. Spontan fragt sie uns: «Gibt es in der Schweiz ebenso viele Aids-Kranke wie hier?» Wir geben eine kurze Antwort und stellen ihr dann Fragen.

Aids beschäftigt dich!

Jackline: «Ja, das ist ein grosses Problem in ganz Tansania. Ich habe mehrere gleichaltrige Freunde verloren, die an Aids gestorben sind in Moshi, Arusha, Dar es Salaam und auch hier in Maua. Warum ist Aids so stark verbreitet in Tansania?»

Wenn du Ministerpräsidentin von Tansania wärest, was würdest du auf der Stelle ändern?

Ich würde jede Diskrimination zwischen Mann und Frau ausrotten. Allen würde ich die Möglichkeit zum Studieren geben. Ich würde Gesetze zum Schutz der Umwelt erlassen und die Korruption beseitigen. Dann würde ich mich bemühen, Malaria und Aids zu vermindern.

Welches ist dein Lebenswunsch?

Lehrerin werden.

Würdest du hier unterrichten?

Selbstverständlich. Wissen Sie, Tansania ist ein schönes Land, das in Frieden lebt. Es gibt hier keine Konflikte wie in Somalia, Ruanda oder Burundi. Wir haben so viele wundervolle Gegenden und herrliche Ortschaften.

Stehen die Chancen gut, hier in Maua Arbeit zu finden?

Nein, hier ist es unmöglich. Folglich muss man wegziehen. Nach Moshi oder in eine andere Gegend, von einem Ort zu einem anderen gehen, um eine Aufgabe und um Verbindungen zu den Leuten zu finden.

Welchen Herausforderungen begegnet ein Jugendlicher hier?

Da gibt es viele! Die meisten von uns leben in einer armen Familie. Und in armen Familien fehlen die Mittel, um das Lebensnotwendigste zu sichern: genug Nahrungsmittel

und viel anderes. So sind gewisse Jugendlichegezwungen, sich auf die Prostitution einzulassen, auf Diebstahl und ähnliche Sachen. Das sind für mich Dämonen.

Musst du gegen Dämonen kämpfen?

In meiner kleinen christlichen Gemeinschaft (PPC) habe ich gelernt, die Dämonen zu vertreiben. Aber ich habe auch gelernt, wie man in einer Gemeinschaft und in einer Familie lebt, die Eltern respektiert. Und ich habe beten gelernt.

Machst du schon lange in der PPC mit?

Jackline: Ja, seit meiner Geburt bis heute. Das ist für mich und für meine Familie sehr wichtig.

Jakson

Jakson: Wenn ich mein Leben betrachte, kann ich sagen, dass die PPC mein Leben gerettet hat. Sie kann einfachen Menschen helfen, die persönliche Probleme haben und in ärmlichen Verhältnissen leben. Hier lernt man ein gutes Verhalten im Leben. Auch kann man sehen, wie die Leute – und es sind viele – nach dem Evangelium leben und wie man ein solches Leben erreichen kann. Die PPC hilft auch, mit anderen über Gott zu sprechen, zu verstehen, was der Wille Gottes ist. Ohne Gott kann ich nichts tun.

Paul

Und du, Paul, gehörst du auch zu einer PPC-Gruppe?

Paul: Ja, und ich messe dem eine grosse Bedeutung zu. Die PPC zeigt mir, wie ich andere respektieren und lieben kann, weil doch alle Menschen gleich sind.

Was möchtest du in deinem Leben tun?

Ich möchte Schauspieler werden, im Film.Und dafür besuchst du Kurse?

Ja, ich möchte wegziehen und die Schauspielerei studieren. Aber in meiner Familie sind wir arm. So müsste ich zuerst eine Arbeit finden, um mein Studium bezahlen zu können.

«Er hat getrunken»

Wir sind zum äussersten Ende des Dorfes hinaufgegangen und sind beim Fluss angekommen. Jakson bittet mich, ihn mit seinem Freund Paul zu fotografieren. Es entsteht eine kurze Stille. Jackson lächelt, Paul nicht. Sein Blick erinnert mich an seine Worte: «… weil alle Menschen gleich sind.»

Eingebettet in diese überwältigende Landschaft, irgendwo in diesem wundervollen Tansania kann ich mit drei 20-jährigen Jugendlichen über ihre mageren Zukunftsaussichten sprechen und ich frage mich: «Von welcher Gleichheit sprichst du, Paul?»

Das Tageslicht nimmt ab. Jackline will zu ihrer Familie zurück. «Eine Frau ist hier nicht in Sicherheit, wenn die Nacht hereinbricht», sagt sie. Auf dem Rückweg kommt uns eine Gruppe Männer entgegen. Ein leicht Beschwipster benimmt sich uns Fremden gegenüber

auffallend. Er packt den Arm von Siegfried und stösst einige heftige Worte auf Suaheli aus. Beruhigt durch seine Begleiter lässt er den Arm los und entfernt sich. Wir fragen nach dem Grund seines Verhaltens. Lakonisch sagt ein Jugendlicher: «Er hat getrunken.»

Jacques Michel

Übersetzung: Gebhard Kurmann


 Aids

Tansania ist eines der am meisten von der Pandemie betroffenen Länder der Welt, erschwert durch die Tatsache, dass die Krankheit tabu ist und zumAusschluss aus der  Gemeinschaft führt.


 Kleine Gemeinschaften

Die kleinen christlichen Gemeinschaften (PPC) sind zahlreich. Es gibt mehr als 20000 in ganz Tansania. 1974 haben die tansanischen Bischöfe sie als Struktur der Lokalkirche gewünscht. Sie bilden wie kleine Zellen die Basis einer Pfarrei.

Es sind kleine Gruppen von 10 bis 20 Familien, die sich wöchentlich treffen. Vor allem sind es Orte, wo das Wort Gottes gehört und miteinander gebetet wird. Sie ermöglichen aber auch einengeschwisterlichen Austausch und  stärken den Gemeinschaftssinn. In Tansania existiert die Kirche in erster Linie in dieser Form.


 Weisse haben Geld

Die Sonne geht unter. Unser Fahrzeug hinterlässt Spuren im Sand dieses kleinen Landweges in der Gegend von Rothia. Die Felder sind fruchtbar. Eine Herde Kühe streift durch das strüppige Weideland. Schnell noch ein Foto, dann fahren wir weiter. Ein junger Hirte betrachtet unser Tun von weitem, rennt auf uns zu und schreit: «Money/Geld?» Hinter diesem Allerweltswort verbirgt sich sicher seine Botschaft: «Wenn du, reicher Abendländer, meine Kühe fotografierst, nimmst du mir etwas

weg!»


 Reichtum ohne Glauben

Die junge Ordensfrau Alice ergreift das Wort: «Ich möchte gerne verstehen, warum der Glaube in Europa schwindet und weshalb sich die Europäer nicht für das religiöse Leben interessieren?»

Wir haben einige Vermutungen genannt, namentlich die Überfülle der Güter aller Art – wenn man alles hat, was könnte man dann noch von Gott erbitten? Schwester Alice  entgegnet: «Zur Zeit, als der Glaube in Europa stark war, gab es da keinen Reichtum?»

Was aber machen die Kapuzinerinnen in Tansania? Die Gründung des Klosters in Maua durch die Schwestern aus dem Luzernischen Gerlisberg ist gut bekannt (dazu Literaturhinweis auf das Buch von Nicola Schmucki und Walter Ludin).

Die Besuchsreisen aus der Schweiz bei den Maua-Schwestern zeigen die lebendigen Verbindungen zwischen der Schweiz und Tansania.Die Besuche führen auch an die anderen Orte, an denen sich die Schwestern niedergelassen haben.Aber zu kurz war der Besuch und zu vielfältig sind die Tätigkeiten der Schwestern, um hier einen vollständigen Überblick zu geben.

Erste Eindrücke

Alles wächst, blüht und gedeiht: Mit dieser kurzen Formel könnte man die ersten Eindrücke von Maua und den Kapuzinerinnen zusammenfassen. Dahinter stecken aber viel gemeinschaftliche Arbeit und das regelmässige Gebet.Schwester Yolanda, die  Subpriorin, antwortet deshalb auf die Frage, woher sie die Kraft für ihre Arbeit nimmt, ohne zu zögern: «Wir bekommen unsere Kraft von Gott. Man muss ihn darum bitten.» Die Betonung liegt dabei auf dem «Wir». Denn der Aspekt der Gemeinschaft ist viel zentraler als bei uns in der Schweiz.

Damit die Schwestern diese Kraft von Gott erbitten können, regeln sie ihren Tagesablauf nach den Gebetszeiten, der morgendlichen Messe und den Zeiten der Rekreation. Eine halbe Stunde der stillen Anbetung gehört zu ihrem täglichen «Krafttraining». «Jeden Monat haben wir einen Tag Recollectio », erklärt Schwester Isabella, «einen Tag, den wir für Gott allein reservieren. Wir beten und reflektieren unser Tun. Jeden Monat. Und jedes Jahr haben wir acht Tage für eine Retraite. Jede Schwester macht das und da holen wir uns die Kraft, weil wir wissen, dass wir ohne Gott nichts tun können.»

Sanya Juu

In Sanya Juu, einer weiteren Niederlassung der Maua-Schwestern, gibt es ein weitherum bekanntes katechetisches Zentrum. In einemZweijahreskurs werden Männer und Frauen ausgebildet, als Katechetinnen und Katecheten in ganz Tansania tätig zu sein.

Was zunächst auffällt, ist die Altersbreite, die es im «Catechetical Centre Emmaus» gibt. So sitzt neben der jungen kenianischen Schwester Alice der pensionierte Briefträger Peter. Alice ist von ihrer Kongregation geschickt worden, um sich später auf die Jugendkatechese zu konzentrieren. Peter kann es sich erst jetzt finanziell leisten, als Katechet der Kirche etwas zurückzugeben. Denn der katechetische Dienst, der so bitter nötig ist für die Vertiefung des Glaubens, kann in den meisten Regionen nicht bezahlt werden. Oder die Löhne sind zu gering, um eine Familie zu erhalten.

Weiter fallen das aufmerksame Zuhören auf und das kritische Rückfragen sowie die globale Weitsicht. «Warum interessieren sich so wenige Menschen in Europa für das Ordensleben?», fragt Schwester Alice. «Warum gibt es in Europa fast nur noch alte Menschen in den Kirchen? Wo sind die Jugendlichen?», möchte Peter wissen.

Aspirantin, Kandidatin, Postulantin, Novizin

Sechs Jahre dauert der Ausbildungsweg, um die zeitliche Profess bei den Maua-Schwestern ablegen zu können. Beide Seiten müssen eine Entscheidung treffen. Deshalb beginnen die jungen Frauen als Aspirantinnen. In diesem Jahr lernen sie das Gebets- und Arbeitsleben im Kloster kennen und können entscheiden, ob sie den Weg weitergehen wollen.

Dann folgt ein weiteres Jahr als Kandidatin, zwei Jahre als Postulantin und zwei Jahre als Novizin. Falls eine junge Frau in den Orden eintreten will, erhält sie auch eine ordentliche Ausbildung; sei es die Sekundarstufe oder eine praktische Ausbildung zur Krankenschwester oder Katechetin.

Schwester Yolanda zum Beispiel hat im Kleinen Seminar von Maua, das die Kapuziner in der Nachbarschaft betreiben, die Schule besucht.Neben der Schule gibt es auch die praktische Arbeit. Schwester Yolanda ist verantwortlich für die sechs Kühe des Klosters, die sie selber von Hand melkt. Wenn es zehn Liter Milch pro Kuh gibt, ist das schon viel. Um eine Kuh zu melken, benötigt sie etwa sechsMinuten.

Katechese und Gästehaus

Zum Kloster in Maua gehören 52 Schwestern, wobei nicht alle im Kloster wohnen und dort tätig sind. In Marangu, nicht weit von Maua, betreuen einige Schwestern einen Kindergarten. Überhaupt sind sie in der Katechese eifrig tätig. Der Dienst der Schwestern besteht darin, dass sie in der Primar- und Sekundarschule Religionsunterricht erteilen. Es sind je sieben Schwestern, die zweimal pro Woche die Katechese erteilen. Sie tun dies kostenlos, obwohl der Konvent auf ein Einkommen angewiesen ist.

Ein regelmässiges Einkommen erhalten sie durch das Gästehaus, das sie betreiben. So war im Oktober 2011 eine Gruppe mit 29 Personen aus Luzern im Haus. Und die Schwestern bieten das Haus für Exerzitien und andere Treffen an. Dafür haben sie 44 Zimmer; die meisten sind Einzelzimmer, aber es ist auch Platz für Ehepaare.

Frauen: keine Gleichberechtigung

Wie sieht es nun mit der Gleichberechtigung der Frauen aus? Gerade in der Kirche? Schwester Yolanda stellt dabei den Priestern kein gutes Zeugnis aus: «Der Priester bleibt der Boss. Wenn er etwas entscheidet, dann muss es getan werden, egal, ob es korrekt ist oder nicht. Das ist nicht gut.»

Änderungsmöglichkeiten sieht die Schwester kaum. Denn fast in ganz Afrika werden die Frauen nicht gleichberechtigt behandelt. «Dieser kulturelle Hintergrund wirkt auch in der Kirche», gibt sie zu verstehen. Trotzdem liegt dieZukunft Tansanias in den Händen der Frauen, «weil es die Frauen sind, die arbeiten, die etwas produzieren, besonders für die Familien».

Ein Wort des Lebens

Ich frage Schwester Yolanda nach dem persönlichen Wort des Lebens, das sie für ihre Profess gewählt hat. Sofort kommt die Antwort – natürlichauf Suaheli. Es ist der fünfte Vers aus dem Psalm 16: «Du, Herr, gibst mir das Erbe und reichst mir den Becher; du hältst mein Los in deinen Händen.»

Es ist das Vertrauen in einen Gott, der trägt und sich um die Menschen sorgt. Das geben die Maua-Schwestern einem auf Schritt und Tritt kund, in ihrem Tun und noch mehr in ihrem fröh-Die Schwestern helfen mit, dass sich der Glaube lichen Lachen. Und das ist auch die Antwort auf die Frage, was denn nun die Kapuzinerinnen, die Maua-Schwestern, in Tansania tun: Neben den katechetischen Einsätzen, den Bildungsaufgaben, ihrem sozial-diakonischen Tun bringen sie Gott zu den Menschen und helfen mit, dass sich der Glaube tief verwurzeln kann.

Siegfried Ostermann


 

Buchhinweis

Walter Ludin; Maria Nicola Schmucki: Licht am Kilimanjaro – Luzerner Missionspionierinnen in Tansania, Rex-Verlag 2009, ISBN-13: 978-3-7252-0879-1, 98 Seiten, ca. CHF 21.90

Jedes Jahr stellt Missio im Oktober, dem Monat der Weltmission, die Kirche eines Landes als Gastkirche vor. Diese Gastkirche ist in Afrika, Asien, Lateinamerika oder Ozeanien beheimatet. Die Gläubigen in der Schweiz sollen dadurch die Weltkirche besser kennenlernen. Exemplarisch ist in diesem Jahr Tansania zu Gast im Monat der Weltkirche.

Weltweiter Austausch

Der Solidaritätsgedanke, dass mit der Kollekte vom Weltmissionssonntag alle bedürftigen Bistümer gleichberechtigt unterstützt werden, steht im Vordergrund. Etwa 1100 Bistümer können so jährlich ihre Grundversorgung sichern. Die Aufgabe von Missio ist es, den Ausgleich und Austausch zu ermöglichen.

Es ist wie beim Bau und beim Unterhalt des Schienennetzes. Alle haben gerne einen freundlichen Service und pünktliche Züge. Kaum jemand denkt dabei an die tragenden Gleise.

Missio arbeitet an der Basis und ermöglicht den Austausch in beide Richtungen. So wird jedes Jahr eine Besonderheit der Gastkirche hervorgehoben. In diesem Jahr ist es die besondere Fähigkeit der Gläubigen in Tansania, auf das Wort Gottes zu hören. Ausdruck dafür sind die «Small Christian Communities», die Kleinen Christlichen Gemeinschaften, von denen es an die 20000 im ganzen Land gibt.

Wiege Ostafrika

Ostafrika wird oft als Wiege der Menschheit bezeichnet. In der weltberühmten Olduvai-Schlucht in Tansania wurden einige der ältesten menschlichen Knochen gefunden.

Ostafrika ist in gewisser Weise auch die Wiege der Small Christian Communities, auch wenn diese wesentlich jünger sind. Seit den 1970er-Jahren sind sie die Priorität in der Seelsorge in den Ländern Ostafrikas. Sie stehen am Anfang der Entwicklung eines Kirchenmodells, das sich über Afrika hinaus ausgebreitet hat.

In Asien hat dieses Modell des Bibelteilens einen fruchtbaren Boden gefunden. 50000 kleine Gruppen sollen sich allein in Südkorea auf diese Weise versammeln.

Langsam kommt dieses Modell in Europa an, wo nach neuen Wegen in die Zukunft in den Zeiten des Umbruchs und Wertewandels gesucht wird. Im Zentrum steht dabei das Bibelteilen als Ausdruck, eine neue Art Kirche zu sein.

Das Wort zieht magnetisch an

Auf die Frage, was denn die Stärke der Gläubigen in seinem Erzbistum Arusha sei, antwortet Bischof Josaphat Lebulu, ohne zu zögern: «Sie besteht im Durst nach dem Wort Gottes. Die Menschen hungernnach dem Wort Gottes.» Seit 14 Jahren wirkt hier Lebulu als Bischof.

Die Kirche neben dem Bischofshaus war schon lange zu klein. Zwei Messen am Sonntag waren zu wenig. Seit einigen Jahren gibt es eine richtig grosse Kirche mit vier Messen am Sonntag, obwohl die Pfarrei in drei Pfarreien aufgeteilt wurde.

Die Gläubigen sagen: «Wir wollen das Wort Gottes kennenlernen. Wir wollen verstehen, was Christus uns sagen möchte.» Der Durst und der Hunger nach dem Wort Gottes erreichen oft ein Ausmass, dass es Bischof Lebulu nicht erklären kann. Er erkennt darin das Wirken Gottes. Aus dieser Begierde wachsen Initiativen. Sie sind ein Impuls, am Aufbau des Landes mitzuwirken

10 bis 15 Familien

Viele Menschen verspüren eine Berufung und lassen sich als Katechisten ausbilden, werden Ordensleute oder Priester, um zu den Menschen gesandt zu werden. Das Wort kann seine Kraft entfalten, weil sich die Gläubigen wöchentlich in ihren kleinen Gemeinschaften von 10 bis 15 Familien treffen.

Männer und Frauen, Kinder und Alte: Sie versammeln sich, um das Wort Gottes zu hören und tauschen sich darüber aus. Ausgestattet mit Vertrauen und Kompetenzen sind sie die Kirche in der Nachbarschaft. Kleine christliche Gemeinschaften spielen eine Rolle in der Mediation bei Konflikten, Ungerechtigkeiten und Streit. Vor allem im Bereich der Ehe konnten viele Konflikte gelöst werden.

Geerdetes Wort

Ein sehr einfaches Zeichen ist im Kloster der Kapuziner in Morogoro zu sehen. Neben der Kirche ist ein Tau-Kreuz in die Erde gepflanzt. Es ist von einem Herzen eingefasst. Das Charisma des Heiligen Franziskus ist – nicht nur symbolisch – geerdet. Nun trägt es zahlreiche Früchte.

Bruder William Ngowi unterrichtet Bibelwissenschaften an der neugegründeten Universität in Morogoro. Aufmerksam beobachtet er die Entwicklungen rund um die Universität. «Als wir hierher gekommen sind, gab es noch nichts. Die Einheimischen glaubten nämlich, dass sich böse Geister an diesem Ort herumtreiben würden.» Mit ihrer Präsenz haben die Kapuziner gezeigt, dass Angst keine Motivation für Entwicklung und Fortschritt ist.

Leitende Frauen

Wie das Wort Gottes die Gesellschaft im Kleinen zu verändern vermag, zeigt sich in der Leitung der Kleinen Christlichen Gemeinschaften. «Die Hälfte der Kleinen Christlichen Gemeinschaften wird von Frauen geleitet», erklärt uns Hermann. Er ist Pfarreisekretär in Sanya Juu. Die Frauen sind in allen Funktionen tätig, die es in den Gemeinschaften gibt: als Vorsitzende und Stellvertreterin, Assistentin und Kassiererin.

«Meine Frau war neun Jahre lang für das Geld zuständig», erzählt Hermann nicht ohne Stolz. Er selbst ist mehrmals zum Leiter seiner Kleinen Gemeinschaft gewählt worden. Alle drei Jahre finden Wahlen statt. Wer auf einer höheren Ebene Verantwortung übernehmen will, muss zuerst Erfahrungen in einer Small Christian Community sammeln.

Gute Vorleser

Das Lesen des Evangeliums ist einer der Schritte, die zentral sind für das Leben der Kleinen Christlichen Gemeinschaften. In der europäischer Praxis lesen mehrere Teilnehmende der Bibelgruppe einen Text manchmal in verschiedenen Übersetzungen. So sollen Nuancen zum Vorschein kommen.

In Tansania ist das nicht so einfach. Denn nicht jede Familie kann sich eine Bibel leisten. Das macht nichts, weil Afrika keine ausgeprägteSchrifttradition hat, wie wir sie kennen. Der Kontinent hat dafür eine reiche und lebendige mündliche Tradition. Deshalb ist das

Hören so wichtig.

Gute Vorleser können die Emotionen aus den biblischen Texten «herauslesen». Die Menschen haben die Fähigkeit entwickelt, genau hinzuhören. So ersetzt das Hören in gewisser Weise das Lesen. Der Austausch über das Gehörte ist ausschlaggebend.

Eine Einladung

Das Schreiben Africae Munus, das im Anschluss an die Synode der Bischöfe Afrikas erstellt wurde, ermutigt «zu Zeiten des gemeinsamen Austausches über das Wort Gottes» (Nr. 151). Angesprochen sind damit alle kirchlichen Gruppierungen.Diese Praxis  ermöglicht, über die eigenen Gedanken hinaus die Botschaft Gottes für uns Menschen zu erfassen.

Missio möchte mit der diesjährigen Kampagne, in der die Kleinen Christlichen Gemeinschaften hervorgehoben werden, den hiesigen Initiativen Mut machen. Der Blick auf den Reichtum an Talenten und Charismen der Weltkirche soll Einladung sein, von einem bewährten Modell zu kosten.

Siegfried Ostermann

– Tansania: ein riesiges Mosaik
– Von Worten und Werken
– Blühendes Kloster der Kapuzinerinnen
– Frauen in Tansania
– «Weil alle Menschen gleich sind»
– Franziskanisch-kapuzinisches Leben in Tansania
– «Man muss halt miteinander reden»
– Das Wort wurde Fleisch
Kaleidoskop
– Franziskanisches Gespräch der Religionen
– Tiere sind Mit-Geschöpfe des Menschen
– Kirchenreformer mit einem langen Atem
– «schiefe Fragen» – Interview mit Elie Foffo Menkem

Kurznachrichten

jumi – Peace

Dienstag, 31. Mai 2022

Wir glauben an Frieden! Das ist unsere Hoffnung und dafür setzen wir uns ein!

jumi – zäme unterwägs

Freitag, 6. Mai 2022

In diesem jumi erzählen Pfadi, Jubla und die Minis, was Kinder bei ihnen machen können.

Aus dem Kloster Dornach

Montag, 2. Mai 2022

Im ehemaligen Kapuzinerkloster ist immer was los …

Käfer und Wurm

Dienstag, 12. April 2022

Dieses jumi erzählt von Käfern, Würmen und anderen Kleinsttieren.

jumi – Kraft

Donnerstag, 20. Januar 2022

Dieses jumi schaut zusammen mit der Fastenaktion nach Laos, einem faszinierenden Land in Asien.